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Die Vorbereitungen zur Verteidigung der Dardanellen

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Die Dardanellen verfügten über historische, jahrhundertalte Befestigungen, doch hatte der Ausbau der Werke mit dem Fortschritt der Technik nicht Schritt gehalten. Der Schwerpunkt lag in der Verteidigung der Meerengen gegen einen Flottenangriff aus Westen. Es handelte sich also in der Hauptsache auf beiden Ufern der Dardanellen um Küstenbatterien und Forts, deren Hauptwirkungsrichtung auf das Ägäische Meer zielte. Eine durch die Sperre durchgebrochene Flotte konnte die Werke von rückwärts beschießen und gegen einen Angriff von Land waren diese Anlagen so gut wie wehrlos. Schon Helmuth von Moltke schrieb 1836 über den historischen Nutzen der Dardanellenbefestigungen nach seinem Besuch bei Çanakkale: „Einige kühne und glückliche Unternehmungen der Engländer zur See haben ziemlich allgemein die Ansicht verbreitet, dass Landbatterien sich gegen Flotten, die ihnen an Zahl der Geschütze freilich weit überlegen sind, nicht verteidigen können. Eine solche Unternehmung war die Lord Duckworths im Jahre 1807. Die Verteidigungsanstalten der Dardanellen befanden sich damals im kläglichsten Zustande; die englische Eskadre segelte durch, fast ohne Widerstand zu finden [...] Wenn das Artilleriematerial in den Dardanellen geordnet sein wird, so glaube ich nicht, dass irgendeine feindliche Flotte der Welt es wagen dürfte, die Straße hinauf zu segeln; man würde immer genötigt sein, Truppen zu debarkieren und die Batterien in der Kehle anzugreifen“ [i].

Die Meerengenbefestigungen bestanden aus zwei Gruppen. Eine vorgeschobene Gruppe wurde aus je zwei Batterien auf der asiatischen Seite bei Kumkale (Fort Orhanié) und auf dem europäischen Ufer bei Seddil Bahr gebildet. Diese Batterien umfassten insgesamt 20 Geschütze der verschiedensten Kaliber vom 15 bis zum 28 cm, alte Modelle ohne Schnellfeuer-Vorrichtung und mit geringer Schussweite, abgesehen von vier Geschützen mit einer Reichweite von knapp 15 km. Die Hauptbefestigungsanlagen gruppierten sich im Raume Çanak – Kilid Bahr – Kap Kilia – Nagara[ii]. Nur bei Kap Kephes auf dem asiatischen Ufer war eine mittlere Batterie vorgeschoben. Insgesamt standen rund 80 Geschütze der verschiedensten Arten zur Verfügung, die aber den aktuellen Forderungen an einen Küstenschutz gegen moderne Kriegsschiffe kaum entsprachen. Auch der Ausbau der Befestigungsanlagen war nicht zeitgemäß. Die Anlagen stammten in der Mehrzahl aus dem russisch-türkischen Krieg 1877/78 und waren entweder gemauert oder bestanden nur aus Erdwällen. Die Batterien waren alle offen und es gab weder Panzerschutz noch Beton. Die Geschütze stammten fast ausschließlich aus deutscher Produktion (Krupp) und deren Anlieferung konnte noch bis Mitte 1914 auf dem Seeweg von Deutschland stattfinden. Der Einbau der schweren Kanonen unter Leitung deutscher Spezialisten erforderte großen Aufwand und manche Forts wurden regelrecht um die Waffen herum aufgebaut.

Admiral Souchon urteilte, nachdem sich die Gerüchte über einen alliierten Flottenangriff Ende 1914 verdichteten: „Dass die Engländer und Franzosen die Dardanellen forcieren werden, glaube ich nicht, weil sie sich nicht einen können, wer mit Dreadnoughts die Zeche bezahlen soll. Es liegen so viel gute Minen in der langen, gewundenen, schmalen Durchfahrt und es stehen so viel Kanonen und Soldaten an beiden Ufern, dass der Angreifer mit einem großen Einsatz unter allen Umständen rechnen muss. Kommt er dann nach entsprechenden Verlusten mit einigen Schiffen ins Marmarameer durch, so kann er nichts Ernstliches mehr unternehmen, wenn er nicht mit Hilfe starker Landungsabteilungen sich am Ufer festsetzen kann“[iii] und stimmte damit mit der Einschätzung von General von Sanders überein, der ähnlich feststellte: „Ein durchschlagender Erfolg konnte daher vom Feinde nur erzielt werden, wenn eine große Truppenlandung an den Dardanellen zeitlich mit dem Durchbruch der Flotte zusammenfiel oder diesem vorausging. Eine dem Durchbruch erst folgende Truppenlandung hätte auf die artilleristische Unterstützung der bereits durchgebrochenen Flotte, der andere Aufgaben entgegentraten, verzichten müssen“[iv].

Bis zur Ãœbernahme der Verantwortung durch die deutschen Offiziere hatte man bis 1914 die Dardanellenbefestigungen und Artillerie von türkischer Seite, zumindest nach dem Urteil deutscher Sachverständiger, völlig vernachlässigt. Dieser Mangel war bereits frühzeitig von General von Sanders erkannt worden und er wollte die Verantwortung für diese Verteidigungsanlagen übernehmen, obwohl sie noch dem Aufgabenbereich der britischen Marine-Mission unterstanden. Die „Limpus-Mission“ wurde jedoch sogar von türkischer Seite für dieses Aufgabe als unfähig gehalten, abwertend als „lächerlich“ bezeichnet, Admiral Limpus als ein „energieloser und weicher Charakter“ eingeschätzt und die deutsche Militärmission im Vergleich mit der britischen als „turmhoch“ überlegen gesehen[v]. Diese Absicht wurde von Enver begrüßt und zu diesem Zwecke sollte ein deutscher Seeoffizier zur Tarnung zunächst zur Armee versetzt und dann nach Istanbul zur Militärmission kommandiert werden. Dieser Spezialist für Küstenbefestigungen sollte General Weber, dem Generalinspekteur des türkischen Ingenieur- und Pionierkorps, zugeteilt werden. Mit dieser Maßnahme wollte man den Ausbau dieser Befestigungen in deutsche Hände bekommen aber auch Lieferungen durch die deutsche Industrie sicherstellen. Die Wirkung dieser Absicht ließ jedoch auf sich warten, denn Admiral Souchon vermerkte noch am 27. August 1914 im KTB der MMD: “Die Forts haben zum größten Teil noch niemals geschossen. Ãœber die Feuerleitung herrschen völlig unklare Begriffe. Die ausgelegten Minen liegen zum größten Teil mit 70 und 80 Meter Abstand und sollen nicht länger als vier Wochen mit Sicherheit an derselben Stelle liegen können“[vi]. Schon tags zuvor hatte Botschafter von Wangenheim dem Auswärtigen Amt gegenüber mitgeteilt, dass er einen Vorstoß ins Schwarze Meer erst dann übernehmen verantworten könne, wenn die Dardanellen gesichert worden sein[vii]. Die Befehlslage an den Dardanellen war nicht eindeutig geregelt und in verschiedene Verantwortlichkeiten aufgeteilt. Admiral von Usedom hatte im September 1914 den Oberbefehl über die Befestigungen der Dardanellen und des Bosporus übernommen. Als Delegierter des türkischen Hauptquartiers, und damit direkt Enver PaÅŸa verantwortlich, befand sich zusätzlich Admiral Merten in Çanakkale. Kommandant der Festung an den Dardanellen war jedoch der türkische Oberst Cevad Bey. Diesem unterstanden die im südlichen Teil der Halbinsel Gallipoli und die zum Schutz der Meerenge an der asiatischen Küste dislozierten Truppen. Admiral von Usedom berichtete am 5. Juni 1915 über die dortigen Befehlsstrukturen und die Absicht selbige zu optimieren: „Das Unterstellungsverhaeltnis der Meerengenbefestigungen hatte sich bei der eigenartigen Entwicklung der hiesigen Dienstverhaeltnisse nicht so klar organisieren lassen, wie es militaerisch erwuenscht gewesen waere. Ich hielt jetzt den Zeitpunkt gekommen, die Organisation mehr zu zentralisieren und erreichte zunaechst, dass mir als „Generalgouverneur der Meerengen“ unter Aufrechterhaltung meiner Zugehoerigkeit zum Grossen Hauptquartier beide Meerengenfestungen – soweit es sich auch um Kriegfuehrung und Verteidigungsmassnahmen handelt – direkt unterstellt wurden. Diese neue Stellung entspricht der eines Armeefuehrers. Als sich am 24. April die Anzeichen mehrten, die auf erneute feindliche Unternehmung gegen die Dardanellen hinwiesen, uebertrug mir der Kriegsminister am 25. April den direkten Oberbefehl ueber Land- und Seestreitkraefte im Dardanellenfestungsbereich, waehrend ich zugleich mit dem Chef Eurer Majestaet Mittelmeerdivision in seiner Eigenschaft als tuerkischem Flottenchef dahin uebereinkam, dass auch die detachierten Teile der Flotte mir unterstehen sollten, solange sie sich im Festungsbereich aufhielten, dass aber Zuteilung und Zurueckziehung dieser Teile dem Flottenchef ueberlassen bleibe“[viii]. Der größte Teil der deutschen Offiziere und Mannschaften, die aus der MMD oder dem Soko stammten, waren auf die Befestigungsanlagen verteilt, was Admiral von Usedom stolz kommentierte „Trotz der Anerkennung des rein deutschen Charakters der mir unterstellten Truppen ist es gelungen, die wichtigsten Batterien in beiden Meerengen durch sie zu besetzen; tuerkische Mannschaften finden in diesen Batterien nur als Hilfsnummern und Reserven Verwendung“[ix]. Korvettenkapitän Wossidlo übernahm beispielsweise den Befehl über das Fort Hamidiè mit seinen 35,5 cm Geschützen südlich Çanakkale. Die übrigen rund 170 Deutschen arbeiteten mit den türkischen Besatzungen der Befestigungen zusammen und sorgten im Wesentlichen für die Ausbildung der Mannschaften. Einen wichtigen Anteil der Meerengenverteidigung nahm die mobile Artillerie ein, die unter der Führung von Oberstleutnant Wehrle stand. Wehrle war Kommandeur des schweren Feldhaubitzregiment 8 und hatte mit seinen Truppen plus eines Lehrbataillons bereits im September 1914 an die Dardanellen verlegt. Die schweren Feldhaubitzbatterien, die auf beide Ufer verteilt worden waren, sollten die Verteidigung gegen in die Dardanellen eingedrungene Schiffe aus ständig wechselnden Stellungen führen, sowie die Seeminenfelder gegen Räumung überwachen. Schieß- und Alarmierungsübungen aber auch Nachrichtendienst und Versorgung waren bis dahin nur sehr unzureichend geübt worden. Ãœber den Zustand der Geschützmannschaften und des Gerätes schrieb Wehrle: „Bald nach seiner Einrichtung schoß das Lehrbataillon in Gegenwart des Marschalls aus verdeckter Stellung gegen eine treibende Scheibe. Bei dem Mangel an Ãœbung und geeigneten Richtverfahren war das Ergebnis überaus kläglich. Ich setzte dem sehr enttäuschten und ärgerlichen Oberbefehlshaber die Gründe auseinander und gab ihm die Versicherung, ein Schießverfahren einüben zu wollen, das solchen Misserfolg ausschließe. Ich war fest entschlossen, alle Batterien gegen bewegliche Ziele direkt feuern zu lassen, fehlte doch alles, um auch in einfacher Form ein auf genauen Messungen beruhendes Verfahren, wie es das Küstenschießen bedingt, durchzuführen“[x]. Oberstleutnant Wehrle versuchte daraufhin mit provisorischen Richthilfen aus Eichenholz Abhilfe zu schaffen und ließ vor allem das Schiessen auf bewegliche Ziele sowie den raschen Stellungswechsel der leichten Geschütze üben.  Er schrieb darüber: „Ich kann die folgende Zeit, die für das Regiment und mich gleich anstrengend war, kurz streifen. Jeder Tag brachte neue Enttäuschungen und allmählich erkannte ich, dass eigentlich ganz von unten angefangen werden musste. Alle deutschen Begriffe von der Selbständigkeit der Unterführer schmolzen dahin, vom Richtkanonier angefangen bis zum Bataillonskommandeur gab es keine Dienstverrichtung, die nicht eigenhändig vorgemacht werden musste. Der unausgesetzte Kampf gegen die Unpünktlichkeit, Trägheit, Verschleierung, Missbrauch der Dienstgewalt konnte schließlich nur mit dem Mittel strengster Bestrafung geführt werden“[xi]. Doch bereits in einem Bericht von Admiral von Usedom am 18.12.1914 konnten erste Erfolge nach Berlin gemeldet werden: „Die Ausbildung der tuerkischen Artilleriemannschaften in den Küstenwerken ist weiter gefördert und hat recht gute Ergebnisse gezeitigt. Die letzten Schiessuebungen an beiden Meerengen ergaben nicht nur erhebliche Fortschritte im Treffen, sondern auch in der Leitung der Batterien durch die tuerkischen Offiziere, von denen sich eine groessere Zahl als bildungsfaehiger erwiesen hat, wie bisher angenommen war“[xii]. Und weiter führte er an gleicher Stelle lobend aus: „Grosse Verdienste um die Herstellung der vorgefunden alten Minen hat der zum Sonderkommando kommandierte Torpederkapitaenleutnant Gehl, der hier als Ingenieurmajor wirkt und es vorzueglich verstanden hat, wohl vorhandenes, aber den tuerkischen Offizieren unbekannt gebliebenes Material aufzufinden und zu verwerten.“ Zusätzlich wurden zahlreiche Scheinstellungen gebaut, um das feindlicher Feuer abzulenken. US-Botschafter Morgenthau, der die Dardanellen auf Einladung der Deutschen besucht hatte, beschrieb die Ausführung dieser Idee: „Südlich von Erenkeui, auf den Bergen oberhalb der Straße, hatten die Deutschen eine besondere Entwicklung verwendet. Sie hatten einige Krupp Haubitzen gefunden, die aus dem Bulgarien-Krieg übriggeblieben waren und hatten sie auf Betonfundamente gesetzt. Jede Batterie hatte jedoch vier oder fünf dieser Betonfundamente, die leer waren. Ich war etwas verwirrt als ich dort außerdem eine Herde von Ochsen sah, es waren wohl 16, die eine dieser Haubitzen von einem Fundament zu einem nächsten zogen. Das war offensichtlich die Idee: sobald das Geschütz durch sein Feuer aufgeklärt war, wurde durch die Ochsengespanne ein Stellungswechsel durchgeführt. „Wir haben aber eine noch besseren Trick“, sagte einer der Offiziere und rief einen Unteroffizier, der offensichtlich der Wächter einer Kanonenattrappe war, die aus der Entfernung wie eine echte Kanone aussah, sich aber bei näherem Hinsehen als ein Abwasserrohr entpuppte. Dieses falsche Geschütz war mit einem echten im rückwärtigen Bereich gekoppelt und immer wenn das echte Geschütz feuerte, brannte de Unteroffizier einige Pfund Schwarzpulver ab, um eine verdächtige Rauchwolke zu produzieren und das Feuer der Marinegeschütze auf den englischen und französischen Geschützen abzulenken“[xiii]. Ãœber seine Begegnung mit Wehrle schrieb der amerikanische Botschafter: „Die erste Befestigung, die ich besichtige war Anadolu Hamidie, direkt vorgelagert von Tschanak. Mein erster Eindruck war, als ob ich in Deutschland wäre. Die Offiziere waren praktisch alle deutsch und überall bauten deutsche Befestigungen mit Sandsäcken. Ãœberall sprach man deutsch. Oberst Wehrle, der mich über die Befestigungsanlagen führte, tat dieses mit großer Freude und Stolz. Sein ganzes Leben, so sagte er, hätte er mit Ãœbungen und Manövern verbracht und nun war er froh, das Gelernte anwenden zu können. Er war fast fünfzig und gerade Oberst geworden und hatte Angst, dass seine militärische Karriere enden würde ohne jemals das Gelernte anwenden zu können.“ [xiv]

Ein deutlich einschränkender Faktor in der Verteidigung der Dardanellen waren die unzureichenden Munitionsbestände vor Ort. Dabei handelte es sich einerseits um die mangelhafte Organisation der Logistik aber auch um die begrenzten Möglichkeiten großkalibrige Munition in der Türkei zu fertigen. Da es zu diesem Zeitpunkt keine gesicherte Landverbindung durch verbündete Staaten gab, konnte aus der deutschen Kriegsindustrie kaum Unterstützung geleistet werden. Neue Richt- und Nachrichtenmittel wurden aus Deutschland beschafft und durch Bulgarien und Rumänien in die Türkei geschmuggelt. Ãœber die Transporte dieser Munition und Munitionsteile schrieb von Schoen: „Zu den raffiniertesten Mitteln musste gegriffen werden, um Munition und technische Instrumente „hintenherum“ durch Rumänien zu bringen. In Zementblöcken für „den Bau der Bagdadbahn“ wurden Maschinengewehre versteckt, auf dem Boden der mit Öl gefüllten Fässer ruhten Verschlüsse von Geschützen und Ersatzteile, viele Güterwagen wiesen doppelte Wände auf, in denen viele brauchbare Sachen verstaut werden konnten“[xv]. Alle in der Türkei verfügbaren Reserven an Artilleriemunition sowie Seekriegsmitteln wurden an die Dardanellen verbracht. Darunter befanden sich unter anderem auch 26 Carbonit-Seeminen, die über verschlungene Wege aus Deutschland gekommen waren. Diese Minen sollten eine entscheidende Rolle in der kommenden Schlacht spielen.  Die Mittelmeerdivision gab nicht nur Personal, sondern auch Schiffsgeschütze ab, die zu diesem Zweck in der Werftanlage von Istinye abgebaut wurden, in kleineren Booten nach den Dardanellen verschifft und dann in die Geschützstellungen eingebaut wurden.  Am 2. März 1915 ließ Admiral Souchon zwei 8,8 cm-Geschütze mit Munition, am 9. März 200 Schuß 15 cm Munition, am 16. und 20. März je 12 Minen und später noch zwei 15 cm-Geschütze der GOEBEN nach den Dardanellen senden[xvi]. Zusätzlich wurden die Wasserminensperren und die Torpedo-Batterie bei Kilid Bahr unter der fachmännischen Leitung von Korvettenkapitän a.D. Gehl deutlich verbessert[xvii].

In dieser Lage war es ein Glücksfall, dass der ehemalige Kommandant des Großen Kreuzers YORCK, Kapitän zur See Pieper zur MMD versetzt worden war. Ihm war vorgeworfen worden, für den Untergang der YORCK in der Nordsee vor Wilhelmshaven und damit für den Tod von 336 Seeleuten verantwortlich gewesen zu sein. Er war deswegen zu Festungshaft verurteilt worden und bekam aber zur Bewährung eine Kriegsverwendung, um der Festungshaft zu entgehen. Er war daher gerne in die Türkei gekommen, um diesen Vorfall vergessen zu machen. Souchon schrieb dazu: “Ich habe sehr dafür gearbeitet, dass der unglückliche YORCK-Kommandant, Kapt. Pieper, zur Küstenbefestigung hier herkommt. Sein Strafantritt wird bis zur Beendigung des Krieges hinausgeschoben werden können. Er ist ein erprobter Artilleriespezialist und wird sich in den Dardanellenbefestigungen rehabilitieren können“[xviii].  Nachdem Admiral von Usedom Kapitän Pieper aus persönlichen Gründen nicht an den Dardanellen verwenden wollte, konnte Souchon Enver PaÅŸa davon überzeugen, Kapitän Pieper als Chef des türkischen Waffenamtes einzusetzen. In dieser Funktion leistete er Erstaunliches und verbesserte in kürzester Zeit maßgeblich die Qualität und Menge der Munitionsproduktion aus den verschiedenen Munitionsfabriken in Istanbul. Sogar von Usedom, der ihn zunächst als Stabsoffizier im eigenen Stab abgelehnt hatte, fand nun lobende Worte für dessen Leistungen und berichtete: „Kapitaen zur See Pieper widmet sich seinem Dienst mit grosser Hingabe und hat, wenn auch Neuanfertigungen noch nicht an die Front gelangt sind, durch Aptierung vorhandener Bestaende die Batterien der Festung bereits mehrfach aufgefuellt und ihnen damit die Fortsetzung des Kampfes ermoeglicht“[xix]. Nach den erfolgreichen Kämpfen auf der Halbinsel Gallipoli urteilte er sogar: „Ich glaube nicht zu weit zu gehen, wenn ich der der Ansicht Ausdruck gebe, dass ohne diese Leistung des Kaptäns zur See Pieper und seiner Organisation die Angriffe des Gegners auf der Gallipolihalbinsel auf die Dauer nicht hätten zurückgeschlagen werden können“[xx]. Kapitän Pieper, der nun im Range eines türkischen Generalmajors stand, fasste die Arbeit der ihm unterstellten Waffen- und Munitionsinspektion vom 25. Januar 1916 in einem ausführlichen Bericht wie folgt zusammen: „Dabei hat sich, was hier mit besonderer Freude empfunden wird, eine vorzügliche Zusammenarbeit in deutschem Geiste ergeben, die auch nicht durch die kleinste Differenz beinträchtigt wurde. An anderer Stelle dieses Berichtes wurde ausgeführt, wie die Qualität der Munition zum Gegenstand einer besonderen Sorgfalt und Kontrolle gemacht wurde. Dabei war die Arbeit der Feuerwerksoffiziere besonders wertvoll, die sich in Abnahme, Laborierung und zum großen Teil auch Konstruktion vorzüglich bewährt haben“[xxi].  In seinem Bericht beschrieb Pieper die Schwierigkeiten der Rohstoffversorgung und Erweiterung der Produktionsstätten für Munition. Dazu waren nicht nur requirierte Anlagen aus besetzten Gebieten herangeschafft worden, sondern auch deutschsprachige Spezialisten der Metallverarbeitung angestellt worden. Diese waren schon zuvor in der Türkei tätig gewesen und konnten nun die zunehmende Zahl von türkischen Arbeitern anlernen. Sein Bericht enthielt aber auch eine detaillierte Aufstellung der Personalbesetzung in seiner Dienststelle, aus der hervorgeht, dass alle Abteilungen von deutschen Offizieren geleitet wurden und auch viele Fachleute wie zum Beispiel Feuerwerker in Feldwebeldienstgraden an der Produktion beteiligt waren. Insgesamt waren 74 Fachoffiziere, Beamte, Ingenieure, Chemiker, 47 Meister und 659 Arbeiter aus Deutschland herangezogen worden, die die fachliche Leitung der über 14.000 Arbeiter in allen Rüstungsbetrieben anleiten und unterstützten. Es wurden Geschosse der Kaliber 7,5 cm bis 21 cm hergestellt und es wurde die Zünderproduktion für 21 verschiedene Geschoßarten aufgenommen. Die Rohstoffe für die Geschoßfabriken wurden teilweise aus den Eisenbahnwerkstätten gewonnen aber es wurden auch die Geschosssplitter vom Gechtsfeld gesammelt und wieder eingeschmolzen. Es musste Schießpulver produziert werden und zur Erprobung von Waffen und Munition wurde in der Nähe von Istanbul ein Schießplatz angelegt. Zusätzlich wurden neue Waffen, d.h. Geschütze, Mittel zur Feuerleitung, Gewehre und auch Nahkampfmittel, wie Raketen, Stielgranaten und Minen- und Bombenwerfer produziert, die vor allem ab Sommer 1915 im Stellungskampf bei Gallipoli Verwendung fanden[xxii]. Trotzdem kam durch den hohen Munitionsverbrauch durch den andauernden Einsatz der Artillerie zu Engpässen in der Munitionsversorgung für die Gallipolifront. So telegrafierte Botschafter von Wangenheim am 1. Juli 1915 nach Berlin: „General Pieper, Organisator der türkischen Munitionsfabrikation, sagt mir, dass, wenn es gelänge, 400-450 Waggons Munition unverzüglich hierher lassen, ihn dies über die kritische Zeit von etwa einem Monat hinwegbringen würde, deren er bedarf, um die Fabrikation auf die zur wirksamen Verteidigung der Dardanellen erforderliche Höhe zu bringen“[xxiii]. Letztendlich wurde die Arbeit von Kapitän zur See Pieper derart hoch gewürdigt, dass ihm am 8. Dezember 1915 von Kaiser Wilhelm II. „in Anerkennung seiner hervorragenden Verdienste um das Waffenwesen und besonders um die Munitionsanfertigung in der Türkei, die wesentlich zu den bisherigen Erfolgen der verbündeten türkischen Streitkräfte beigetragen hat, den noch nicht verbüßten Teil der ihm durch das feldkriegsgerichtliche Urteil vom 28. Dezember 1914 auferlegten Festungshaft hiermit aus Gnade erlassen“[xxiv] wurde.

 

 

 


 

[i] Moltke, Briefe, S. 100

 

[ii] Mühlmann, Schlachten des Weltkrieges, Bd. 16 Der Kmpf um die Dardanellen, S. 50

 

[iii] Langensiepen, Halbmond und Kaiseradler, S. 103

 

[iv] Sanders, Fünf Jahre Türkei, S. 65

 

[v] AA/PA, Türkei 142, R 13319, Militär-Bericht 5 vom 24. März 1914

 

[vi] BA/MA, RM 40 / 755, Kriegstagebuch der Mittelmeerdivision

 

[vii] Mühlmann, Das deutsch-türkische Waffenbündnis im Kriege, S. 21

 

[viii] BA/MA, RM 5 / 2404, Bericht Usedom 05.06.1915

 

[ix] BA/MA, RM 5 / 2355

 

[x] Wehrle, Aus meinem türkischen Tagebuch, S. 34

 

[xi] Wehrle, Aus meinem türkischen Tagebuch, S. 34

 

[xii] BA/MA, RM 5 / 2404

 

[xiii] Morgenthau, Kapitel XVIII

 

[xiv] Morgenthau, Kapitel XVII

 

[xv] Schoen, Die Hölle von Gallipoli, S. 18

 

[xvi] Lorey, Der Krieg in den türkischen Gewässern, S. 86

 

[xvii] Mühlmann, Schlachten des Weltkrieges, Bd. 16 Der Kampf um die Dardanellen, S. 52

 

[xviii] Langensiepen, Halbmond und Kaiseradler, S. 105

 

[xix] BA/MA, RM 5 / 2404, Bericht von Usedom, 5. Juni 1915

 

[xx] BA/MA, RM 5 / 2404, Bericht von Usedom, 31. Oktober 1915

 

[xxi] BA/MA, RM 5 / 2404, Bericht Kapitän Pieper

 

[xxii] Lorey, Der Krieg in den türkischen Gewässern, S. 387 ff

 

[xxiii] BA/MA, RM 5 / 2356

 

[xxiv] BA/MA, RM 5 / 2358

 

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