Die Schlacht von Gallipoli 1915
Die deutsche Beteiligung
Nachdem die Dardanellen durch das Osmanische Reich nach der Durchfahrt der Mittelmeerdivision Mitte August 1914 für den internationalen Schiffsverkehr quasi gesperrt war, wurde deren Öffnung für die Alliierten eine strategische Notwendigkeit. Obwohl Churchill ab November 1914 die Frage der Öffnung der Dardanellen im Zusammenhang einer neuen strategischen Offensive aus dem Süden erörtert hatte, um damit Rumänien, Bulgarien und vielleicht auch Griechenland als Bündnispartner zu gewinnen, wurde diese Planung mangels verfügbarer Kräfte zunächst nicht weiter verfolgt. Erst Anfang Januar 1915 wurden auf ein russisches Ersuchen, das eine Entlastung der Kaukasusfront wünschte, die Planungen in London wieder aufgenommen. Da jedoch der britische Kriegsminister Lord Kitchener keine Truppen für die Front im Orient abgeben wollte, wurde der Befehlshaber der britischen Mittelmeerflotte, Vizeadmiral Carden, gefragt, wie diese Aufgabe zu lösen wäre. Dieser antwortete am 5. Januar, dass er die Dardanellen zwar nicht handstreichartig, aber in einer großen und planmässigen Operation allein durch die Flotte nehmen könne. Diese Stellungnahme bildete die Grundlage für die Entscheidung des britischen Kriegsrats am 28. Januar 1915, die einen Angriff der Dardanellen als eine alleinige Flottenaktion empfahl[1]. Die Vorbereitungen für diesen Angriff nahmen mehrere Wochen in Anspruch. Mitte Februar glaubte man, angriffsbereit zu sein. Am 19. Januar war Russland von der geplanten Operation in Kenntnis gesetzt worden und in London wurde erwartet, dass mit der Forcierung des Dardanellen-Unternehmens Russland gleichzeitig einen Flottenangriff auf den Bosporus bzw. eine Landung an der türkischen Schwarzmeerküste durchführte. Dieses wurde jedoch aus Moskau mit Hinweis auf fehlende Kräfte abgelehnt.
Die vor den Dardanellen liegende Flotte der Alliierten war mittlerweile bedeutend verstärkt worden. Zu den 16 großen englischen Panzerschlachtschiffen und Kreuzern kamen im Januar vier französische Schlachtschiffe und der russische Kreuzer Askold hinzu, so dass sich vor den Dardanellen mindestens 21 große Kriegsschiffe befanden. Zunächst beschränkte sich die alliierte Flotte darauf, den Eingang der Dardanellen unter dauernder Beobachtung zu halten. Ab Mitte Januar 1915 verdichteten sich die Anzeichen, dass die Westmächte einen Angriff auf die Meerengen beabsichtigten.
Die nun beginnende Bekämpfung der inneren Verteidigungswerke machte allerdings nur geringe Fortschritte. Die Flotte musste hierzu in die Dardanellen einlaufen und büßte hierdurch Bewegungsfreiheit und damit passiven Schutz ein. Zur Gefährdung durch die Geschütze der Verteidigungswerke und die Seeminen kam für die Angreifer noch die Bedrohung durch die beweglichen 15-cm-Haubitz-Batterien an beiden Ufern; die Schiffe waren dadurch gezwungen, in schneller Bewegung zu bleiben – worunter wiederum ihre Treffgenauigkeit litt. So gelang ihnen weder das Bekämpfen der osmanischen Batterien noch die Beseitigung der zahlreichen Minensperren. Am 5. März wurden die Batterien bei Kilid Bahr, der gegenüberliegende Seite von Çanak, durch indirektes Feuer beschossen. Dieser Angriff wurde durch indirektes Feuer seitens der osmanischen Linienschiffe BARBAROSSA und TORGUT erwidert. Dazu hatte sich in Erwartung dieser Kämpfe der deutsche Kommandant der BARBAROSSA, Korvettenkapitän von Arnim, bereits an Land begeben und einen Beobachtungsposten zur Feuerleitung auf den Anhöhen der südlichen Halbinsel eingerichtet.
Auch wenn nachts ganze Flottillen von Booten unter der Deckung kleinerer Einheiten und Torpedozerstörer versuchten, die Seeminensperren zu räumen, wurden durch die osmanische Seite immer wieder neue Minen verlegt. Eine besondere Minensperre, die in den erkannten Wendekreis der zurückfahrenden alliierten Kriegsschiffe gelegt wurde, sollte eine entscheidende Bedeutung erlangen. Die Planung dazu übernahm der Chef des Minendienstes an den Dardanellen, Major Nazim Emin, der über ausgezeichnete Kenntnisse der Stömungs- und Tiefenverhältnisse verfügte. Von der Küsteninspektion überstellte das Kommando der Flotte den Minenleger NUSRET für diese Aufgabe, während Marineoberingenieur Reeder an Bord das Sonderkommando vertrat.
Über das Unternehmen, das einen wesentlichen Anteil am Scheitern des alliierten Angriffs vom 18. März 1915 beitrug, berichtete Reeder an die MMD: „Am 7. März, 11 Uhr 30 Minuten nachmittags, begab ich mich mit dem türkischen Minenkapitän Hafis Nasimi und dem deutschen Torpeder Bettaque[2] an Bord des Minenlegers NUSRET, um die zum Minenlegen notwendigen Vorbereitungen zu treffen. Während ich noch einmal selbst die gesamte Maschinenanlage revidierte und anschließend die Kessel zur rauchlosen Fahrt herrichten ließ, machte der Torpeder Bettaque mit dem türkischen Minenpersonal die Minen klar zum Werfen. Für das Bedienen der Maschinen und Kessel standen mir noch ja zwei deutsche Unteroffiziere und Heizer zur Verfügung. Hierdurch war Gewähr gegeben, dass meine Befehle schnell und richtig ausgeführt wurden. Gegen 5 Uhr morgens ließ ich Anker lichten. Das Wetter war der Unternehmung günstig. Ein leichter Nebel lag auf dem Wasser, der sich allmählich in einen dünnen Landregen umwandelte. Mit durchschnittlich 140 Umdrehungen schlängerte sich der Minenleger von Nagara aus an der asiatischen Küste entlang. Da es noch dunkel war und mehrere Minensperren passiert werden mussten, war größte Vorsicht geboten. Der türkische Minenkapitän kannte jedoch die kritischen Punkte genau, und so gelangte NUSRET wohlbehalten an den Bestimmungsort. Während der ganzen Fahrt wurden die Umdrehungen nach meinen Befehlen gehalten. Dadurch ist es mir gelungen, vollständig rauchlos zu fahren, obgleich die türkische Eregikohle für diesen Zweck sehr wenig geeignet ist. Um 7 Uhr 10 Minuten ließ ich drehen und, heimwärtsfahrend, gleichzeitig die Minen durch den türkischen Minenkapitän Hafis Nasimi in Abständen von 15 Sekunden werfen. Im ganzen wurden 26 Minen geworfen, und zwar in ungefährer Richtung SW-NO. Inzwischen begann bereits der Morgen zu grauen. Die feindlichen Bewacher hatten sich anscheinend schon zurückgezogen; innerhalb der Dardanellen war kein feindliches Schiff mehr zu erblicken. Die Sichtigkeit nach Tschanak zu war durch den inzwischen eingetretenen Regen und den dunklen Hintergrund nur sehr gering. Mit ziemlicher Bestimmtheit kann ich daher annehmen, dass das Legen der Minen vom Feinde nicht bemerkt worden ist. Um 8 Uhr vormittags konnte ich wieder vor Tschanak ankern.“[3]
Diese Minenreihe aus den zusätzlich aus Deutschland gelieferten 26 Carbonit-Minen blieb bis zum Angriff am 18. März unentdeckt. Churchill schrieb später, dass „die NUSRET die Welt verändert hätte“, da durch diese Minen der Traum zerbrach, Istanbul zu erreichen. Jedoch wird heute dieses Beispiel effektiver Zusammenarbeit von Soldaten beider Nationen von osmanischer Seite leider verschwiegen und die erfolgreiche Operation lediglich der osmanischen Besatzung zugeschrieben.
Der 18. März 1915 wurde damit der unvergessene Siegestag der Dardanellenverteidung und wird noch heute jedes Jahr in der Türkei – vor allem in den Streitkräften – als „Çanakkale-Tag“ gefeiert. Die Angreifer hatten hohe Verluste hinnehmen müssen und die Initiative verloren, während die Verteidiger verhältnismäßig geringe Opfer zu verzeichnen hatten. Admiral Souchon schrieb über diesen Tag nach Hause: „Der gestrige starke Angriff der Engländer und Franzosen auf die Dardanellen hat mit einem schönen Erfolg für uns geendet. Darüber hier große Siegesfreude. Das franz. Linienschiff BOUVET lief auf eine der erst am 6. März gelegten Minen, sank sofort. Das engl. Linienschiff IRRESISTIBLE blieb zusammengeschossen, bewegungsunfähig liegen, das engl. Linienschiff OCEAN hat mit schwerer Schlagseite und langsamer Fahrt noch davonkommen können. Ein Zerstörer gesunken. Dem steht auf türk. Seite ein minimaler Verlust entgegen. Im Ganzen sind 2 schwere Geschütze beschädigt, von uns Deutschen 2 tot, 7 schwer, 7 leicht verwundet. Hoffentlich kommen die Engländer heute noch mal und erleiden wieder solche Verluste. Wenn sie wirklich Erfolg haben wollen, müssten sie es tun, ehe alle Beschädigungen der Erdwerke, Telefone usw wieder ganz hergestellt sind. Notdürftig ist das natürlich schon heute Morgen wieder der Fall.“[4]
Wie sich später herausstellte, waren die Verluste zu einem erheblichen Teil durch die am 8. März verlegte Minensperre erzielt worden. Die alliierte Flotte hatte diese Stelle als bereits geräumt gewähnt. Zudam hatte es in den Tagen vor dem 18. März ausnahmsweise keine Minenzwischenfälle im Bereich dieser Sperre gegeben. Allerdings ist nicht klar, ob tatsächlich alle an diesem Tag gesunkenen Schiffe ausschließlich durch Minentreffer versenkt wurden.
Torpedier Rudolf Bettaque hatte also einen nicht unerheblichen Beitrag zur Verlegung dieser Minensperre und damit zum Sieg der osmanischen Seite am 18. März 1915 beigetragen. Dafür bekam er am 19. April 1915 das Eiserne Kreuz II. Klasse verliehen.
Über die Tätigkeiten von Torpedier Rudolf Bettaque nach dieser Operation bis zu seinem Tode, sowie die Umstände seines Todes gibt es derzeit keine weiteren Information. Lediglich eine Feldpostkarte, die er am 4. Mai 1916 an seine Ehefrau in Hamburg schrieb, ist ein sein letztes Zeugnis. Darin schrieb er: „Für das Weihnachstpaket, das ich gestern erhalten habe, besten Dank. Ganz schön (…) ist´s nicht mehr hier unten; aber es lässt sich noch ertragen.“(Rudi)
Am 7. Mai 1916, nur drei Tage nachdem er diese Karte geschrieben hatte, fiel er im Alter von 26 Jahren.
Offensichtlich wurde er in einem deutschen Soldatengrab irgendwo an den Dardanellen bestattet und seine Kameraden stifteten einen Grabstein für ihn und einen bereits am 30.12.1916 gefallenen Kameraden (Matrosen-Artillerist Fack). Vermutlich waren beide in einem Doppelgrab bestattet.
Im Zuge der Umbettung 1936 wurden einige Gräber und Grabsteine von den Dardanellen überführt. Die Grabsteine wurden in eine Wand auf dem Friedhof Tarabya eingelassen.
Für die an den Dardanellen gefallenen und überführten Toten wurden zwei Kameradengräber (162 und 163) angelegt und jeweils mit Namenstafeln versehen. Auf der Tafel zum Grab 163 ist auch Torpedier Rudolf Bettaque als hier bestattet vermerkt.
Durch ein Schulprojekt der 11. Klasse der Gelsenkirchner Gesamtschule „Berger Feld“ wurde im Rahmen einer Forschungsarbeit der Schülerin Sema Inanc und Zusammenarbeit ihres Lehrers Veyzel Hezer der Neffe von Rudolf Bettaque, Professor Dr. Rolf Bettaque in Hamburg lebend ausfindig gemacht werden. Der mittlerweile über 90-jährige Rolf Bettaque nahm an einer Gedenkfeier am 28. April 2012 auf dem Soldatenfriedhof in Tarabya teil und legte ein Blumengebinde am Grab seines Onkel nieder.
[1] Mühlmann, Schlachten des Weltkrieges, Bd. 16 Der Kampf um die Dardanellen, S. 61 ff
[2] Offizierstellvertreter Rudolf Bettaque fiel am 07.05.1916 an den Dardanellen und wurde dort bestattet. Heute steht sein Grabstein auf dem Soldatenfriedhof in Tarabya und sein Name ist auf einem Gedenkstein vermerkt. Ob er jedoch tatsächlich nach Tarabya überführt wurde, ist nicht nachweisbar.
[3] Langensiepen, Nottelmann, Krüsmann, Halbmond und Kaiseradler, S. 106
[4] BA/MA, N 156 / 12, Admiral Wilhelm Souchon: Privatkorrespondenz mit Ehefrau Violet, Bd. 3, Die Anzahl der deutschen Verluste stimmt in diesem Bericht nicht mit den Aufzeichnungen Admirals von Usedom überein, der von 22 gefallen, bzw. verwundeten deutschen Soldaten berichtete.