top of page

Der Abzug der Alliierten

Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Wolf
Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Wolf
Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Wolf
Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Wolf
Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Gallipoli Wolf

Seit Anfang August 1915 waren auf Gallipoli insgesamt 13 alliierte Divisionen eingesetzt und trotzdem hatte General Hamilton eine Verstärkung von nochmals 100 000 Soldaten angefordert, die aber der englische Kriegsrat in Anbetracht der Gesamtlage nicht bewilligte. Lord Kitchener erwog bereits Ende August die Räumung der Halbinsel. Von dem französischen Vorschlag, mit sechs französischen Divisionen den entscheidenden Angriff auf der asiatischen Seite der Dardanellen vorzutragen, wurde bald wieder Abstand genommen, da alle Kräfte für eine neue Offensive in Frankreich gebraucht wurden. Als Frankreich Ende Oktober durchsetzte, dass der Gallipoli-Armee keine Verstärkungen mehr zufließen sollten, wurde damit auch das strategische Ziel des Dardanellen-Angriffs, nämlich die Inbesitznahme Istanbuls, aufgegeben. Damit galt es nur noch die Frage zu klären, ob die Geländegewinne auf der Halbinsel gehalten oder alle Truppen abgezogen werden sollten. Obwohl sich Engländer und Franzosen am 8. Dezember 1915 grundsätzlich zum Abzug von Gallipoli entschlossen hatten, wollten die Engländer ihre Stellung an der so wichtigen Seeverkehrsstrasse doch nicht ganz aufgeben und die Südfront noch so lange wie möglich halten.

Auch auf Seite der Verteidiger wurden die möglichen Optionen der alliierten Truppen beurteilt. Obwohl dabei ein Abzug für möglich gehalten wurde, wollte man daran nicht recht glauben und meinte, dass nur ein massiver Angriff die alliierten Truppen vertreiben würde. Bereits am 31. Oktober mutmaßte Admiral von Usedom über einen eventuellen Abzug der alliierten Truppen: „Ich halte es aber nicht für wahrscheinlich, daß der Gegner seine Stellungen ohne harten Angriff räumt. Um ihn hinauswerfen zu können bedarf es in erster Linie sehr gründlicher Artillerievorbereitung für die hier vorhandene und herzustellende Munition noch nicht ausreicht.“[i] Kannengiesser meinte: „Gerüchte, Mutmaßungen, daß der Gegner Gallipoli räumen wollte, schwirrten natürlich auch bei uns auf Gallipoli herum. Ich persönlich glaubte nicht daran, weil ich es, dem ganzen Charakter der Engländer entsprechend, für ausgeschlossen hielt, daß sie ein derartiges Pfand freiwillig, ohne Kampf aus der Hand geben würden.“[ii] Kannengiesser versuchte unentwegt, Informationen über einen möglichen Abzug zu bekommen und setzte besondere Offizierspatrouillen zur Aufklärung an. Am 20. Dezember wurde ihm vom Regiment 25 gemeldet, dass größere Feuer am Strand beim Salzsee und an der Mündung des Asmakdere brennen würden. Es wurden auch verstärkte Schiffsbewegungen festgestellt aber wegen dichten Nebels konnte man nicht genau erkennen, ob es sich um einen Abzug oder eine Verstärkung der Truppen an Land handelte. Die letzte Unsicherheit schwand für Kannengiesser am nächsten Morgen: „Dann ritt ich – es war gegen 6 Uhr morgens – zum Korpsgefechtsstand am Teketepe, um mit dem kommenden Tageslicht sofort selber einen Überblick über die Lage zu bekommen [...] Alle Bedenken aber schwanden, als ich vom Korpsgefechtsstand aus bei zunehmenden Tageslicht durch den Nebel hindurch große Feuersbrünste beim Gegner erkannte. Das konnten doch nur seine Lager und Vorräte sein, die er uns nicht gönnte [...] Nun vorwärts, drauf, nach, sie erwischen, ehe sie alle auf ihren Schiffen sind [...] Ich gab dann die nötigen Befehle über Zuweisung von Divisionsstreifen bis an die Küste, über Nachziehen der Artillerie, Unschädlichmachen der vielen Minen, Kehrtmachen der englischen Schützgräben nach dem Meere, verteilte die Wege nach vorne und ließ neue Telephonverbindungen anlegen.“[iii] Doch das türkische Nachstoßen kam zu spät – die alliierten Truppen hatten den Ariburnu-Abschnitt und die Suvla-Bucht bereits komplett geräumt. Bei der folgenden Erkundung des ehemaligen Niemandslandes sowie der englischen Stellungen und Gräben wurden nicht nur Unmengen von Ausrüstung und Versorgungsgütern gefunden, sondern immer noch etliche Tote, die während der Kämpfe nicht geborgen werden konnten. „Ein Türke und ein Engländer sind da plötzlich gegeneinandergerannt, und im Ringen miteinander hat der Engländer dem Türken das Messer von oben in den Rücken gestoßen, während dieser von unten her gleichzeitig dem Gegner seinen Dolch in die Eingeweide bohrte. So fand man die beiden Gerippe ineinander verstrickt, an die Wand des engen Grabens gelehnt, vor. Ein Sinnbild der hartnäckigen Kämpfe auf Gallipoli.“[iv]

Der Abzug der alliierten Truppen im Nordbereich der Halbinsel wurde bei der II. MG Gruppe der Landungsabteilung durch Unterarzt Koch beobachtet: „Um 3.30 morgens sprengte der Feind zwei Minen. Das Infanteriefeuer der Türken wurde nicht beantwortet. Daher wurde 3.45 Uhr ein Sturmangriff auf die feindlichen Gräben unternommen. Die Gräben waren frei vom Feind, bis auf 2 verwundete und einen unverwundeten Hindu. Sehr große Mengen Proviant, Munitionswagen, Ausrüstungsgegenstände, 1 Geschütz, eine Anzahl Gewehre, unendliche Mengen Sanitätsmaterial und Zelte fielen in unsere Hände. 4.45 gingen das erste und zweite Gewehr vor. Herr Leutnant Schmidt übernahm das erste Gewehr, was auf dem letzten Hügel vor dem Strand in Stellung ging. Das zweite Gewehr wurde von Obermaat de Birgnis geführt und ebenfalls in Stellung gebracht, um auf die Landungsstelle Ari Burnu zu schießen. Ich war mit Sanitätsmaterial bei dem 2. Gewehr. Da es aussichtslos war, zum Schuß zu kommen, brachten wir die Gewehre vor dem Feuer der Kreuzer und Monitore in Deckung und untersuchten die Lager. In den Unterständen fanden wir bei brennenden Lampen gedeckte Tische. Eine Schüssel Maccaroni stand zum Auftischen bereit. Verschüttete Munition, Bomben, Leuchtraketen, Telefon und Telegrafen Apparate wurden von uns in großen Mengen gefunden. Herr Leutnant Schmidt, Obermaat de Birgnis und ich gingen als erste in das Zeltlager am Strand, wo wir ungeheure Mengen Munition, Proviant, Getränke, verschiedene lebende Pferde (der größte Teil der Pferde war vom Feind erschossen), Esel und Ziegen vorfanden. Während wir suchten, wurden wir von einem heftigen Feuer der Kreuzer und Monitore überrascht und gezwungen, in den ungenügenden Unterständen Schutz zu suchen. Das Feuer dauerte bis zum Abend mit größeren Pausen. Das aber hielt uns nicht zurück, unsere reichliche Beute zu vermehren.“[v]

Per Korpsbefehl ergingen taktische und Verwaltungsmaßnahmen. So sollte beispielsweise jede Division einen besonderen „Beutekommissar“ ernennen, um die Kriegsbeute gerecht zu verteilen und auch die zurückliegenden Truppen daran zu beteiligen. Manche Vorräte blieben jedoch aus verständlichen Gründen den Deutschen vorbehalten: „Erwähnen will ich nur noch die ungeheure Mengen an prächtigen Speckseiten. Jede Seite eingesalzen und in einem sauberen weißen Beutel. Die Türken haben ja einen großen Abscheu gegen alles, was mit domus (Schwein) zusammenhängt. So kamen diese Vorräte uneingeschränkt uns Deutschen zugute. Zwei Tage später konnte ich zwei Wagen mit Speck an die Deutschen der Südgruppe senden.“[vi]

Nach dieser erfolgreichen Rückzugsoperation sollten die noch verbliebenen alliierten Truppen im Süden einen weniger ruhigen Abzug erleben. So war es zumindest die Absicht von General von Sanders, der nun nahezu alle freigewordenen Kräfte zur Südgruppe verlegen ließ. Dazu wurde bereits am 22. Dezember die 12. Division und die Masse der schweren Artillerie an den verblieben Frontabschnitt verlegt. Die übrigen Teile im Norden wurden umgegliedert, die Anafarta-Gruppe wurde aufgelöst und das XVI. Armeekorps direkt dem Armee-Oberkommando unterstellt. Von Sanders beauftragte Kannengiesser nun mit der Ausbildung der dort verbliebenen Divisionen vor allem in Angriffsverfahren, was auf den extra dafür angelegten Übungsplätzen bei Turschunköy und Groß-Anafarta geprobt wurde. Auch die im Norden eingesetzten Teile der Landungsabteilung wurden unverzüglich nach Süden kommandiert, worüber Boltz berichtete: „Am 22. Dezember marschierte Det. I. direkt und Det. II. über Kilia-Tepe, wo übernachtet wurde, zur Südfront. Treffpunkt der Detachements war die Landungsbrücke von Sowang Lidere. Dank der vorhandenen Pferde und Wagen und dank der Möglichkeit mit einem kleinen Dampfer die schweren Sachen: M.G.'s, Munition, Rucksäcke u. Hängematten unmittelbar am Strande bis zu dieser Landungsbrücke fahren zu können, vollzog sich der Marsch in kürzester Zeit und ohne Übereilung. Die M.G.'s wurden vom Gruppenkommandeur, Exz. Dschewar Pascha, freudigst begrüßt. Standen ihm doch bisher auf der ganzen Südfront nur 13 M.G.'s, je 4 bei jeder der 3 Divisionen, zur Verfügung! Die vereinigten M.G.-Detachements bezogen ein Lager in der Nähe von Aly-Bey Chiftlik. Fünf M.G.'s unter Leutn. Z.S. Graf Deym wurden zunächst zur linken Flügeldivision (der 15.), fünf andere Gewehre unter Leutnant z.S. Schmidt zur mittelsten Division (der 20.) geschickt. Am 24. Dezember konnten der V. Armee fünf M.G.'s in vorderster Front in Stellung gemeldet werden. Weitere fünf Gewehre folgten am späten Abend. Die Zahl der M.G.'s konnte bald auf 14 und später auf 20 erhöht werden. Beim Detachement des Leutnant z. S. Graf Deym hatte die türkische Division vorzügliche M.G.Stände und bombensichere Unterkunftsräume vorbereitet. Zwei von den Gewehren flankierten einen von den Franzosen, die uns hier gegenüber lagen, gesprengten Trichter, wo ein feindlicher Einbruch befürchtet wurde. Sie standen nur 20m von dem feindlichen Schützengraben entfernt, waren aber gut gegen Bomben, die hier ausgiebig verwandt wurden, gedeckt. Das Detachement ist nicht mehr zum Feuern gekommen und hat auch keine Verluste erlitten. Die Gewehre des Detachements Schmidt waren in der Nähe und östlich des seit Monaten heißumstrittenen Dorfes Kritia (Kirthe) in Stellung gebracht worden. Hier mussten die M.G.-Stände neu ausgesucht und ausgebaut werden, wobei das deutsche Pionierkommando bereitwilligst Hülfe leistete. In der Nacht zum 30. Dezember sprengten die Engländer eine Mine unter den türkischen Schützengräben und gingen sofort zum Sturm über. Es gelang ihnen zwei Teile einer Grabengabel zu nehmen und sich darin festzusetzen. Hierbei fiel noch ein Mann, ein anderer wird seitdem vermisst und zwei Leute verwundet. Die M.G.'s wurden an einer günstigeren Stelle eingebaut. Sonst sind die M.G.'s auch hier nicht mehr in Tätigkeit getreten.“[vii]

Bereits am 26. Dezember 1915 hatte das „War Office“ in London den Befehl gegeben, auch die Südfront vor dem 10. Januar zu räumen. Dieser wurde nach guter Vorbereitung in der Nacht vom 8. auf den 9. Januar ausgeführt, aber dieses Mal bemerkte die türkische Seite das Vorgehen. Major Senftleben schrieb am 4. Januar 1916 an seinen ehemaligen Kommandeur Kannengiesser: „Ich bin Kommandeur der schweren Artillerie des südlichen Teils von Kirthedere bis zum Dardanellenufer und habe zwei alte und zehn neue schwere Batterien, darunter die österreichische 24 cm Mörser-Batterie mit 1200 Schuß unter mir. Munition ist auch für die anderen Batterien in Hülle und Fülle vorhanden, so dass von früh bis spät geschossen und dem Gegner mit deutschen Granaten der Abzug etwas erleichtert wird. Die vielen Autos mit rotem Kreuz beim Feinde fahren hier nicht bloß Munition! Damit in die Sache noch etwas mehr Schwung kommt, habe ich eine 15 cm Schnellfeuer-Haubitzbatterie so weit vorgezogen, dass von morgen früh ab Seddil Bahr auch etwas mit guter Munition versorgt wird. Ich freue mich schon auf das Schießen, und Herr Oberst werden sich sicher leicht vorstellen können, welche Freude eine solche artilleristische Tätigkeit bei so guter Beobachtung macht, und mit welcher Passion man von früh 7 Uhr bis zum Dunkelwerden auf der Beobachtungsstelle sitzt [...] Aber meiner Ansicht nach baut der Gegner ab, langsam aber sicher. Ich verfolge das durch die täglich eingehenden Meldungen der Batterien und durch eigene Beobachtungen. Viele Batterien schießen nur noch mit zwei oder einem Geschütz [...] Ich glaube, in 8-14 Tagen ist der Gegner fort, wenn nicht schon früher. Aber ich bin beruhigt, so ganz ungerupft kommt er nicht fort. Leider ist die Infanterie nicht zu einem Angriff zu bewegen.“[viii]

Bei einer Inspektion der Gallipolifront am 5. Januar 1916 durch den Beauftragten der deutschen Luftwaffe, Major Siegert und Major Serno nahm Siegert auch an einem Aufklärungsflug mit dem Piloten Leutnant Faller teil. In der Nachflugbesprechung stimmte Siegert der Einschätzung zu, dass die alliierten Truppen innerhalb der nächsten 2-3 Tage von Gallipoli abziehen würden. Siegert führte später in seinen Erinnerungen aus, dass die Türkei bei dieser günstigen Situation einige tausend Gefangene hätte machen können. Er selber war am 6. Januar 1916 nach Istanbul zurückgekehrt, um dort vorzutragen aber weder Enver Paşa noch Major Feldmann, der Chef der Operationsabteilung, schenkten ihm Glauben. Noch am 7. Januar 1916 griff die frisch eingeführte 12. Division auf dem äußersten rechten Flügel an, um die Front für den beabsichtigten Großangriff zu begradigen. Dabei leisteten die alliierten Truppen noch erbitterten Widerstand. Obwohl die Artillerie noch Schäden anrichten konnte und den Abzug störte, konnten die alliierten Truppen auch an diesem Frontabschnitt vollständig abziehen. Man hatte dieses Mal wieder an verschiedenen Stellen die Einschiffung durchgeführt und damit Zeit gewonnen. Das Nachstoßen der türkischen Truppen wurde durch ausgedehnte Minenfelder aber auch fortwährenden Beschuss durch die Schiffsartillerie erschwert, durch welche auch Major Welsch bei der Erkundung der gegnerischen Stellungen verwundet wurde. Die Landungsabteilung berichtete vom Abzug der Alliierten: „Seit der Räumung der Anafarta-Stellung mehrten sich bei der Südgruppe die Anzeichen, daß auch hier der Feind die Absicht habe, die Halbinsel zu räumen. Auf türkischer Seite traf täglich mehr Munition ein und die Stellungen und Lager des Feindes wurden immer mehr unter Feuer genommen. Lebhaft beteiligten sich auch die österreichischen Motormörser an der Beschießung. In der Nacht vom 8. zum 9. Januar, in welcher die türk. Artillerie besonders lebhaft in Tätigkeit trat, ohne daß ihm dabei nennenswerter Schaden zugefügt worden ist. Die türkischen Infanterieregimenter in der Front, welche bis zuletzt einen Tagesverlust von 40-50 Mann zu verzeichnen und stark gelitten hatten, waren nicht mehr in der Lage gewesen, energisch anzugreifen, auch wollten die türkischen Führer sich scheinbar nicht mehr dazu entschließen, um nicht noch mehr Leute zu opfern. Übersahen sie doch, daß der Feind auch ohne Bajonettangriff Gallipoli räumen würde! Auch an der Südspitze hat der Feind große Mengen Kriegsmaterial aller Art zurückgelassen, dessen Bergung und Verwertung in ähnlicher Weise vor sich ging wie bei Anafarta. Die Landungsabteilung konnte sich wiederum reichlich mit Speck und Konserven versehen. Auch gelang es den Matrosen durch Einfangen von einem halben Dutzend zurückgelassener Pferde und wertvoller englischer Maultiere den Fuhrpark zu vermehren. Viel schöne Tiere waren vom Feinde erschossen worden und lagen in Reihen, wie sie angebunden gewesen waren, da. Aus den Friedhöfen zum Teil mit Massengräbern konnte ein Schluß auf großen Verluste, die der Feind gehabt hat, gezogen werden.Wenn es leider nicht gelungen ist, dem Feinde zum Schluß noch einen vernichtenden Schlag beizubringen, so herrschte doch bei Führern und Truppe eitel Freude in dem Bewusstsein, daß der Feind nach langen Monaten erbitterster Kämpfe endgültig vertrieben sei und den mit so großen Mitteln unternommenen Versuch, die Hauptstadt zu erobern, endgültig aufgegeben habe.“[ix]

Noch Mitte 1916 glich Gallipoli einem, wenn auch verlassenenen, Schlachtfeld. Um die Aufräumungsarbeiten zu unterstützen und die Verbindungswege wieder instandzusetzen, war auch die deutsche Pionierabteilung eingesetzt worden. Schweder berichtete über die Beutemenge: „Dagegen ist für die Bergung der ungeheuren Beute, die Engländer und Franzosen hier zurückließen, sowie für die Sammlung des Materials an Draht, Holz, Eisen und anderen Baumateralien, das Freund und Feind in den monatelangen Kämpfen verwendeten, nur wenig getan, so daß wir noch einen sehr anschaulichen Überblick über die auf der Insel lagernden Werte erhielten. Man hat bisher nur die Lebensmittel und die Munition, sowie die Geschütze und die Gewehre sammeln und in Sicherheit bringen können. Was aber an Baumateralien, an Maschinen, Geräten, Werkzeugen, Apparaten und vor allem an leeren Konservenbüchsen auf Gallipoli heute noch umherliegt, das schätzte ein uns begleitender Fachmann auf etwa 120 Millionen Mark. Und diese Feststellung widerlegt wohl am besten die Behauptung der Gegner, daß sie Gallipoli in aller Ruhe verlassen und alles Wertvolle mitgenommen hätten [...] Weg und Steg sind noch heute durch Stacheldrahtverhaue verrammelt, von Schützengräben, Minenverhaugängen und Annäherungsgräben durchzogen, so daß es zunächst hauptsächlich darauf ankommt, die wichtigsten Verkehrsstraßen wieder in Ordnung zu bringen. Zu diesem Zwecke ist etwa auf der Mitte der Halbinsel eine große Pionierabteilung untergebracht, deren prächtiges Lager inmitten der Heide auch hier unten tief in der Türkei Zeugnis von deutscher Ordnungsliebe, Anpassungsfähigkeit, Tüchtigkeit und Fleiß ablegt.“[x]

 

Der Landungsabteilung wurde nach den Kämpfen besonderer Dank zuteil, zu deren Beleg exemplarisch nur die beiden folgenden Befehle genannt werden sollen:

„Am 9. Januar 1916 traf folgendes Telegramm ein:

F.T. an Kilia-Tepe vom 9.1.16.

Ich spreche der Flotten-Landungsabteilung meine freudigste Anerkennung aus für ihre vorbildlich kühne zähe Tätigkeit inmitten der braven Truppen der V. Armee. Sie hat heute den wohlverdienten großen Erfolg mit herbeigeführt und wird ein Ruhmesblatt der deutschtürkischen Flotte bleiben. Flottenchef

F.T. von V. Armee. Admiral Souchon.

Eurer Exzellenz und der Flotte bitte ich den aufrichtigsten Dank der V. Armee für die hervorragende Unterstützung aussprechen zu dürfen, die wir durch die Flotte und während der gesamten 8 und einen halben Monat dauernden, harten Kämpfe durch die Landungsabteilung der Flotte stets gehabt haben. Liman v. Sanders.“[xi]

Die Rückkehr der Deutschen aus den Kämpfen bei Gallipoli nach Istanbul wurde dort kaum registriert und deren Verdienste wenig gewürdigt. So schrieb Feldmarschalleutnant Joseph Pomiankowski, der österreichisch-ungarische Militärbevollmächtigte im Osmanischen Reich: „Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß das Hauptverdienst an der erfolgreichen Landverteidigung der Meerenge dem Marschall Liman zukommt. Seine militärischen Kenntnisse, seine Energie, Tatkraft und Ausdauer hatten sich im Vergleiche zu den Fähigkeiten seines englischen Gegners als unvergleichlich höherstehend erwiesen. Ähnlich jedoch, wie es vielen verdienten Männern geschehen ist, fand auch Liman weder die ihm gebührende Anerkennung, noch Belohnung für seine Verdienste. Er hatte eben zuviel Feinde und Neider sowohl unter den Türken als auch unter den Deutschen. Sein Eintreffen in Konstantinopel verlief still und unbemerkt; am Bahnhofe hatten sich bloß Enver Pascha und einige offizielle Persönlichkeiten [... ] zur Begrüßung eingefunden. Meinem Gefühl nach hätte einem Mann, der damals geradezu als Retter des osmanischen Reiches angesehen werden mußte, ein ganz anderer Empfang bereitet werden sollen.“[xii]

Doch auch aus Deutschland wurde General Liman von Sanders kaum Anerkennung seines großen Erfolges zuteil. Das mag daran gelegen haben, dass er sich mit seiner wenig diplomatischen Art und seinem militärischen Pragmatismus viele Feinde gemacht hatte. Anders dagegen Admiral von Usedom, der durch seine regelmäßigen Berichte immer engen und guten Kontakt nach Berlin und auch direkt zu Kaiser Wilhelm II. gehalten hatte, sich aber darin oft auch jenseits seiner unmittelbaren Kompetenz bewegt hatte. Das mag erklären, dass zunächst er unmittelbar nach dem Abzug der Alliierten ein Glückwunschtelegramm aus Berlin mit dem folgenden Wortlaut erhielt: „Nachdem die endgültige Vertreibung unserer Feinde von der Halbinsel Gallipoli Tatsache geworden ist, erinnere Ich Mich gern und dankbar daran, daß es Ihrer sicheren und zielbewussten Führung im März vorigen Jahres gelungen ist, den großen englisch-französischen Durchbruchsversuch durch die Meerengen zum scheitern zu bringen. Gez. Wilhelm J.R..“[xiii]

Die Zweifel an einer türkischen Dankbarkeit und Nachhaltigkeit der deutschen Unterstützung wurde an vielen Stellen deutlich. Das neuerweckte Selbstbewusstsein der Türken nach dem Sieg von Gallipoli wurde vor allem von deutscher Seite beargwöhnt, was die folgende Einschätzung von Admiral von Usedom unterstreicht: „Die lebendigen Kräfte, die der Zwang des Krieges in der Türkei geweckt hat, werden nach Friedensschluss wieder einschlummern. Soll kriegerische Leistungsfähigkeit von Personal und Material erhalten bleiben, so ist deutscher Einfluss in massgebender Stellung notwendig [...] Den durch den Krieg geweckten türkischen Nationalstolz sind jedoch Ausländer in leitenden Stellungen schon jetzt peinlich, nach dem Kriege werden sie ihm unerträglich dünken.“[xiv] Er führte dazu in einem anderen Bericht nochmals darüber Klage, dass die türkischen Verbündeten mit ihrem neuen Selbstbewusstsein der seiner Meinung nach überlegenen Rolle der deutschen Soldaten nicht mehr genügend Respekt zollen würden: „Es ist nicht zu verkennen, dass sich mit dem Abnehmen der Gefahr fuer die Behauptung der Meerengen das Selbstwertgefühl der Tuerken hebt und zwar tritt dies am deutlichsten bei einer halb gebildeten Mittelschicht von Offizieren und Beamten hervor, die sich fuer ebenso tuechtig wie die Deutschen und der Notwendigkeit zu lernen fuer überhoben halten. Die absolute Unfaehigkeit zur sachlichen Kritik, besonders aber zur Selbstkritik ist ein hervorstechender Zug der Tuerken. Es wuerde mitunter notwendig, die Anmassung Einzelner in die Schranken zurueckzuweisen, und es wird erforderlich sein, bei allem Entgegenkommen in der Form den Standpunkt, dass ohne deutsche Hilfe weder die Meerengen noch die Tuerkei sich in diesem Kriege haetten halten koennen, konsequent zu betonen, wo immer der tuerkische Nationalstolz versucht, dies Verhaeltnis umzukehren. Ich darf nicht unterlassen hervorzuheben, dass die wirklich leitenden Maenner wie Enver Pascha und Talaat Bey solcher Auffassung keinen Ausdruck geben, vielmehr nach wie vor unentwegt loyal sind.“[xv] Dagegen zeigte Korvettenkapitän Humann Verständnis für das Verhalten der türkischen Sichtweise: „Die Türken wissen von allein, daß sie nichts oder wenigstens nicht viel können; dafür sind sie aber noch lange nicht entzückt, wenn man ihnen das ständig mehr oder weniger grob unter die Nase reibt [...] Dazu kommt das natürliche Misstrauen des Schwachen gegen allzu Starken, gegen den überall Erfolreichen; ferner das behutsame Sticheln der Ententefreunde mit dem Hinweis, daß wir die Türkei nur stützen, um sie nachher allein verspeisen zu können. Und wir geben der schleichenden Verleumdung selbst recht, wenn sich unsere Offiziere gerieren wie im eroberten Land.“[xvi]

 

Über die Verluste der Kämpfe bei Gallipoli gibt es etliche unterschiedliche Aufzeichnungen. Es ist aber nicht möglich, übereinstimmende Zahlen zu ermitteln. Ein Grund dafür war auch der permanente Personalersatz für die Truppenteile an der Front, die am Beispiel des XVI. Armeekorps, das an der Anafarta-Front im Norden eingesetzt war, verdeutlicht werden soll. In der Zeit vom 14. Oktober bis zum 9. Dezember 1915 betrugen die Verluste dieses Großverbandes 509 Tote, 2 158 Verwundete, 3 386 Kranke und 2 159 sogenannte „Klimawechsler“[xvii], was ein Gesamtausfall von 8 212 Mann in nur zwei Monaten bei einem Armeekorps mit drei Divisionen von je rund 12 000 Mann bedeutet. Das fehlende Personal wurde, soweit noch möglich, von Verbänden der I. Armee bei Istanbul ersetzt. Daher scheinen die hohen Zahlen durchaus denkbar.

Im Dezember 1915 waren in Gallipoli rund 700 deutsche Soldaten aller Dienstgrade eingesetzt. Bei der Anafortagruppe waren 51 deutsche Offiziere mit rund 100 Unteroffizieren und Mannschaften, bei der Nordgruppe acht Deutsche, wobei sich die Mannschaftsstärke nicht mehr nachweisen läßt. Bei der Südgruppe taten rund 35 Offiziere Dienst[xviii]. Dazu sind allerdings noch die Soldaten der Militärmission in Istanbul, die Besatzungen der Schiffe der Mittelmeerdivision und des Sonderkommandos und noch eine große Zahl von zusätzlich in die Türkei kommandierten Spezialisten für die Waffen- und Munitionsherstellung, Ärzten und Personalersatz zu rechnen. Insgesamt dürften an Gallipoli-Kämpfen zwischen 2 500 und 3 000 deutsche Soldaten direkt oder indirekt beteiligt gewesen sein, von denen über 530 starben oder fielen. Die Zahl der Erkrankten oder Verwundeten ist heute nicht mehr nachzuvollziehen, sie wird aber über 1000 gelegen haben.

Insgesamt lassen verschiedene Zahlenwerke den Schluß zu, dass auf alliierter Seite insgesamt über 44 000 Soldaten gefallen und ca. 97 000 verwundet wurden oder erkrankten. Auf türkischer Seite muß man von knapp 56 000 Gefallenen und ca. 140 000 Verwundeten oder Erkrankten ausgehen.

 

 

 

 

[i] BA/MA, RM 5 / 2404, Bericht von Usedom, 31. Oktober 1915

 

[ii] Kannengiesser, Gallipoli, S. 208

 

[iii] Kannengiesser, Gallipoli, S. 210

 

[iv] Kannengiesser, Gallipoli, S. 212

 

[v] BA/MA, RM 40 / 207, S. 74

 

[vi] Kannengiesser, Gallipoli, S. 215

 

[vii] BA/MA, RM 40 / 440, Gefechtsberichte Landungsabteilung

 

[viii] Kannengiesser, Gallipoli, S. 219

 

[ix] BA/MA, RM 40 / 440, Gefechtsberichte Landungsabteilung

 

[x] Schweder, Im Türkischen Hauptquartier, S. 158

 

[xi] BA/MA, RM 40 / 440, Gefechtsberichte Landungsabteilung

 

[xii] Pomiankowski, Der Zusammenbruch des Ottomanischen Reiches

 

[xiii] BA/MA, RM 5 / 2359

 

[xiv] BA/MA, RM 5 / 2405, Bericht von Usedom, 30. Mai 1916

 

[xv] BA/MA, RM 5 / 2404, Bericht von Usedom

 

[xvi] BA/MA, RM 5 / 2360, Brief Humann an Kaptän z. S. Ackermann

 

[xvii] „Teptil hava“ (Klimawechsler), die von den Ärzten in der Truppe als solche diagnostiziert wurden und dann für Monate in die Heimat geschickt wurden. Kannengiesser dazu „Natürlich strebten diese Teptil hawa später von der Heimat aus Urlaubsverlängerung mit erlaubten oder unerlaubten Mitteln an. Niemals kamen sie rechtzeitig, häufig gar nicht zu Truppe zurück. So glitt der Teptil hawa unbemerkt in die Klasse der Deserteure hinüber“, S. 163

 

[xviii] Mühlmann, Der Kampf um die Dardanellen, S. 164

AM II, 45a AMS "Sedan-Marsch" (von 1818)

bottom of page