Die Schlacht von Gallipoli 1915
Die deutsche Beteiligung
Soldatenfriedhof Tarabya
Continue in English
Der Soldatenfriedhof liegt in Tarabya[1], einem der nördlichsten Stadtteile von Istanbul. Am Hang des europäischen Ufers des Bosporus wurde der Friedhof im Park der Sommerresidenz des deutschen Botschafters angelegt. Auf den vier Terrassen wird heute 677 Gefallenen aus beiden Weltkriegen gedacht, von denen die meisten auch hier bestattet wurden, bzw. später von anderen Friedhöfen in der Türkei hierher umgebettet wurden. Die mit hellen Marmorsteinen markierten Gräber sind tatsächliche Ruhestätten, während einige Grabstelen und Gedenktafeln, die an den Steinwänden eingelassen wurden, keine Gräber sind. An der Steinwand des großen Vorplatzes auf der untersten Terasse wurden acht Messingtafeln, jeweils vier links und rechts des Kolbe-Denkmals angebracht, auf denen nochmals aller hier bestatteten Soldaten gedacht wird.
Die Geschichte des Soldatenfriedhofs in Tarabya began mit der Schenkung des knapp 18 Hektar großen Parkgeländes von Sultan Abdul Hamid II (1876 – 1909) an den deutschen Kaiser Wilhelm I im Jahre 1879. Das Gelände gehörte ursprünglich einer griechischen Familie, die jedoch durch den Sultan enteignet wurde. Durch die Schenkung sollte der deutschen diplomatischen Vertretung die Möglichkeit gegeben werden, einen Sommersitz zu bauen, in welchem das Botschaftspersonal während der Sommermonate des Jahres angenehmer leben und arbeiten konnte als in dem Hauptsitz der Botschaft in Pera, dem heutigen Stadtteil Taksim. Das genau 17,66 ha große Gelände, dessen Wert man in jener Zeit auf rund eine halbe Million Goldmark schätzte, wurde am 07. Juni 1880 durch den Botschafter Prinz Heinrich VII. Reuß auf das Deutsche Reich überschrieben[2]. In einem Telegramm aus Berlin vom 22. Mai 1880 wurde der Freude über die Schenkung dieses Grundstücks an das Deutsche Reich in recht knapper Weise Ausdruck verliehen: „...Seine Majestät erblickt darin neuen Beweis der Freundschaft des Sultans und nimmt Geschenk mit besonderem Dank an...“[3]
Zunächst wurden aber keine Mittel für den Bau der Gebäude aus Berlin bereitgestellt, da das Botschaftsgebäude in Pera als größte deutsche Vertretung weltweit bereits zu viel Mittel verschlungen hatte. Erst der Tausch eines Grundstücks in der Stadt, das bislang ebenfalls dem Deutschen Reich gehörte, gegen die Bauleistung durch den Erwerber, machten den Bau der Gebäude möglich[4] und wurde vom Deutschen Reichstag 1885 bewilligt. In den Jahren zwischen 1897 und 1901 entstand die gesamte Anlage nach den von dem deutschen Baumeister Dörpfeld überarbeiteten Plänen des Architekten Cingriyan, welche noch heute nebst der beeindruckenden Parkanlage erhalten ist und im Besitz der Bundesrepublik Deutschland sind.
Nach dem Anwachsen der deutschen militärischen Präsenz in Istanbul ab 1914, insbesondere durch das Eintreffen der Mittelmeerdivision[5], dem intensiven Ausbildungsbetrieb, dem ungewohnten Klima und vor allem dem bis dahin mangelnden Impfschutz gegen Tropenkrankheiten, waren bald die ersten schweren Krankheits- und Todesfälle deutscher Soldaten in Istanbul zu verzeichnen.
Deutsche Soldaten wurden bislang auf dem bis heute bestehenden Ausländerfriedhof in Feriköy oder anderen christlichen Friedhöfen begraben[6]. Nun sollte ein „Ehrenfriedhof der Marine“ eingerichtet werden, der im wesentlichen für die Gefallenen und Verstorbenen der Mittelmeerdivision vorgesehen war[7].
Die ersten Soldaten wurden offensichtlich im November 1914 in Tarabya bestattet und bildeten zunächst die erste, untere Grabreihe. Zu jener Zeit stand auch das Moltke-Denkmal, das heute weit oberhalb des Friedhofes steht, unmittelbar an den Grabreihen. Um jedoch die in 1915 weiter anwachsende Zahl von Toten ordnungsgemäß zu bestatten, wurde im August 1915 auf Anregung des Marineattachés Korvettenkapitän Hans Humann eine Friedhofskommission aufgestellt. Sie hatte die Aufgabe, „den Ausbau und die Verwaltung des Ehrenfriedhofs in Therapia einheitlich leiten und über alle einschlägigen Fragen bindende Entschlüsse fassen sollte. Wie aus den Akten …-… ersichtlich, hat Seine Majestät der Kaiser damals persönlich die Anlage der Begräbnisstätte im Botschaftspark von Therapia genehmigt“[8]. Zusätzlich wurde ein Arbeitskommando für die Arbeiten in Tarabya aus dem Kontingent der Mittelmeerdivision aufgestellt, das Anfang April 1916 eine Stärke von 22 Mann unter der Führung eines Obermaaten[9] hatte. Die Gelder für die notwendigen Materialien und Pflanzen für den Friedhof kamen aus Spenden und besonderen Fonds[10]. Sogar der Kaiser selber hatte mit einer Spende von 3000 Mark für die Errichtung des Friedhofes beigetragen[11].
Der nach dem Tod von Baron von Wangenheim[12] amtierende Botschafter Richard von Kühlmann kannte und schätzte den Bildhauer Georg Kolbe, der bereits für einen deutsch-belgischen Soldatenfriedhof in Belgien eine Reliefplastik geschaffen hatte. So beantragte Kühlmann die Versetzung von Kolbe nach Istanbul in einem Brief an Kriegsminister Hermann von Stein, was aus einem Brief des Kriegsministers an Wilhelm von Bode hervorgeht: „Eure Exzellenz! Hier ist ein Gesuch eingegangen für den Bildhauer Georg Kolbe. Er soll in Aussicht genommen sein für die Schaffung des Denkmals der Gefallenen unserer Schiffe Goeben und Breslau. Dazu müsste er nach der Türkei geschickt werden. Er steht augenblicklich im Füs.Rgt.40“ und bittet „…um ein Urtheil, da Kolbe Euer Exzellenz jedenfalls bekannt ist“[13]. Mitte Mai 1917 traf Kolbe in Istanbul ein und wohnte fortan im Gebäude der Botschaft in Pera. Kolbes Arbeit war allerdings nicht nur auf die Schaffung eines Denkmals beschränkt, sondern er war auch am architektonischen Entwurf der Friedhofsanlage beteiligt. Allerdings schien er noch mehr Zeit für künstlerische Entwürfe von Büsten und der Ausgestaltung des Botschaftsgebäude in Pera verwendet zu haben[14].
Die ursprüngliche Idee des terrassenförmigen Anlage muss allerdings schon vor dem Eintreffen von Kolbe bestanden haben, da die ersten Arbeiten bereits begonnen hatten und von den vorgesehenen 180 Grabstätten bereits 101 belegt waren[15]. Es ist zu vermuten[16], dass zumindest die seitlichen Grabreihen der beiden untersten Terrassen angelegt waren und man hatte bereits mit der Belegung der verbindenden vorderen Grabreihe – hinter der Stützmauer, in welche später das Denkmal integriert wurde - begonnen[17]. Der weitere Ausbau, insbesondere die wuchtigen Stützmauern erforderten erhebliche Geldmittel, die am 25.08.1917 von Humann vom Preußischen Kriegsministerium angefordert wurden[18]. Als Antwort kam die Rückfrage, welche Summe erforderlich sei und es wurde um die Übersendung „von Entwürfen und Lichtbildern der fertigen und geplanten Anlagen erbeten“. Zudem wurde die Frage gestellt „Trifft die Annahme zu, dass die künstlerische Leitung in den Händen des Bildhauers Kolbe liegt?“[19]
Für die Annahme, dass die Anlage bereits vor Kolbes Eintreffen begonnen wurde, spricht zudem die Aussage von Schweder der im Rahmen einer Bestattung im Mai 1915 schreibt: „Nur wenige Schritt von diesem Denkmal [Moltke] eines der größten Deutschen entfernt, wölben sich die Grabhügel der beiden Männer, die in diesem Weltkriege die Interessen des Deutschen Reiches auf dem heißen Boden der Türkei wahrten und die beide in den Sielen starben. Und nun hat man wenige Meter unterhalb ihrer Grabstätten damit begonnen, einen großen Platz für die Heldenfreizulegen, die auch im Dienste ihres Vaterlandes und zugleich der uns verbündeten Türkei hier unten ihr Leben ließen.”[20]
Als Wilhelm II im Oktober 1917 zu einem Kurzbesuches in der Türkei gekommen war, besuchte er auch den von ihm in Auftrag gegebenen Soldatenfriedhof. Begleitet wurde der Kaiser auch von Kriegsminister von Stein. Dabei begutachteten beide auch die Entwürfe, bzw. die in Arbeit befindliche Plastik von Kolbe[21]. Die Skulptur gefiel dem Kaiser ganz und gar nicht, da er lieber eine herorischere Darstellung wünschte und enttäuschte mit seiner herben Kritik den Bildhauer zutiefst. Botschafter Kühlmann berichtete über diesen Moment in seinen Erinnerungen:
„In Therapia arbeitete mein Freund, der Bildhauer Georg Kolbe, an einem Monument für die deutschen, im Orientkriege gefallenen Krieger. Leider hatte sein Entwurf nicht das Glück, das Wohlgefallen des Kaisers zu finden. Ich beruhigte den sehr niedergeschlagenen Künstler und sagte ihm, der Kaiser sei sehr impulsiv und äußere sich oft in ausgesprochener Weise; man müsse das nicht tragisch nehmen, sich in den Einzelheiten, die er kritisiert hatte, etwas anpassen, im übrigen aber ruhig weiterschaffen. Wilhelm II. hat das fertige Monument auf der Höhe des Botschaftsparks nie zu Gesicht bekommen.“[22] Noch größere Einwände als seine Majestät gegenüber Kolbes Entwurf hatte offensichtlich Kriegsminister von Stein, von dem es nach einer Überlieferung hieß: „Der Kriegsminister Stein…soll sich über Kolbes Entwurf…in Therapia vor Wut fast umgebracht haben. Er habe Kolbe kurzerhand in die Front stecken wollen, weil der Entwurf ihm zu nackt war.“[23] Die Wahl des Motivs für die Plastik war somit schon in der Planung nicht unumstritten, da Kolbe nicht, wie sonst üblich, einen Soldaten darstellte, sondern das Motiv breiter fassen wollte. Ob er diese Überlegungen anstellte, da auf dem Friedhof auch in Lazaretten an Krankheiten verstorbene Soldaten und Zivilisten lagen oder er zu jener Zeit schon Abstand zu einer heldenverklärender Darstellung nehmen wollte, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Zumindest wurde sein Entwurf eines Engels in mütterlicher Gestalt, die einen sterbenden Krieger beschützend hält, von der Friedhofskommission gebilligt und auch trotz späterer Kritik aus Berlin durchgesetzt. Die Skulptur wurde von Kolbe und seinen Gehilfen aus einem fünf Tonnen schweren Muschelkalkblock herausarbeitet und später in die untere Stützwand als prominenter Blickfang eingesetzt.
Wenige Wochen nach dem Besuch des Kaisers und des Kriegsministers beantwortete Hans Humann die Anfrage aus dem Kriegsministeriums und bezifferte die erforderliche Summe für den Friedhofsbau mit 70.000 Mark. Die Pläne und Bilder kommentierte Humann: „Die künstlerische und bautechnische Leitung des Friedhofs befindet sich jetzt in Händen des Bildhauers Georg Kolbe. Er ist in seiner Eigenschaft als Füsilier d. Ldst. zum Deutschen Militärbevollmächtigten bei der Kaiserlichen Botschaft kommandiert.“[24] Und führt im gleichen Schreiben über die Bedeutung des Friedhofes aus, dass „Auch die Tatsache, dass dort die beiden Vorkämpfer der deutschen Orientpolitik, Generalfeldmarschall von der Goltz und Botschafter Freiherr von Wangenheim eine Ruhestätte gefunden haben…-…Sinnbild der deutschen Politik des Weltkrieges“ seien.
Einige Monate später wurden die geforderten Mittel, zumindest für die Gestaltung des Friedhofes, genehmigt: „Das Kriegsministerium ist auf Grund der Besprechung mit Herrn General von Lossow zu Berlin am 26.6.1918 unter der Voraussetzung, daß die Kosten für das Relief aus Sammlungen gedeckt werden, bereit einen Zuschuß bis zur Höhe von 70.000 M zu den Kosten des Ehrenfriedhofs Therapia zu geben.“[25] Somit sollte das geplante Relief aus Spenden finanziert werden. Gleichwohl waren die aus Istanbul erbetenen Geldmittel auch für die Gestaltung des Kolbe Denkmals gedacht, hieß es doch in dem entsprechenden Schreiben, dass das Geld „zum Teil bereits ausgeführte Mauerarbeiten…Im wesentlichen aber handelt es sich um den Plan, ein von dem Bildhauer Kolbe entworfenes, bisher erst im Gipsmodell ausgeführtes Relief (ein sterbender unbekleideter Krieger, der von einem Engel in den Armen aufgefangen wird) an der schon errichteten unteren Stützmauer des auf ansteigendem Gelände befindlichen Friedhofs anzubringen.“[26] Wie hoch die eigentlichen Kosten des Denkmals, d.h. Material, Transport, Arbeitslohn und ein Salär für den Künstler tatsächlich waren, ist bis heute nicht klar. Vermutlich wurden zumindest Spendengelder, die Gustav Stresemann unmittelbar nach dem Untergang der BRESLAU (20.01.1918) durch eine Sammlung für einen Denkmalstein zu Ehren der gefallenen Soldaten der GOEBEN und BRESLAU in Deutschland initiiert hatte, dafür verwendet worden. In einem Schreiben 1922 wollte er wissen „ob das Denkmal wirklich errichtet ist“[27]. Ein solch spezielles Denkmal wurde jedoch nie erbaut, da die Friedhofskommission die durch Stresemann gesammelten Spendengelder von 25.000 Mark offensichtlich bereits 1918 für den Bau des Friedhofes in Tarabya, der insgesamt ca. 130.000 Mark gekostet hatte, verbraucht hatten. Von den 336 Soldaten, die im Januar 1918 vor der Insel Imbros mit der BRESLAU fielen, liegt heute keiner auf dem Friedhof in Tarabya begraben, auch wenn fälschlicherweise zumindest drei Namen der damaligen Besatzung auf Gedenksteinen genannt sind.
Im Mai 1918 war der Friedhof weitestgehend in der heutigen Form fertiggestellt, denn in einem Brief des Archälogen Theodor Wiegend heißt es: „Auf mehreren übereinanderliegenden Stützmauerterrassen, die mit Treppenstufen unter sich in Verbindung stehen, lagen die Gräber vieler deutscher Soldaten, ein Holzkreuz wie das andere, viele Kraftfahrer, der Leutnant neben dem Gemeinen, auf halber Höhe etwas dann zwei Gräber auf der Seeseite allein: zwei Eisenkreuze, darauf nur die Namen Hans Freiherr von Wangenheim und Erich von Leipzig. Auf derselben Höhe, aber auf der anderen Seite ganz allein dann Colmar Freiherr von der Goltz, um dieses Kreuz ein vergoldeter Lorbeerkranz der türkischen Armee.“[28]
Die Idee des Ehrenfriedhofs traf nicht nur auf Gegenliebe. So beklagte der Kühlmann folgende Botschafter, Johann Graf Bernstorff, dass „die schreckliche Humannsche Gründung des Ehrenfriedhofs in Therapia“ ihm den Beginn seiner Tätigkeit „gründlich verdorben habe“ und resümierte „Man kann doch nicht den ganzen Park mit Gräbern ausfüllen.“[29]
Noch in 1918 wurde Dr. Siegfried Emmo Neulen[30] als Gräberoffizier in die Türkei kommandiert. Da der Friedhof in Tarabya bereits vollständig belegt war, legte er auf dem heutigen internationalen protestantischen Friedhof in Feriköy/Skutari – damals Ferikop und noch Vorort von Istanbul – ein Gräberfeld für die deutschen Gefallenen des Asienkorps an und traf Vorbereitungen, die an der anatolischen Eisenbahn verstreut liegenden Toten sowie die in Syrien und Palästina Gefallenen auf einen Sammelfriedhof zu überführen.[31]
Mit Kriegsende und Ausweisung der deutschen Soldaten im Oktober 1918 mussten auch die Arbeiten am Friedhof in Tarabya eingestellt werden, obwohl gemäß Artikel 225 des Versailler Vertrages Deutschland weiterhin für die Pflege der deutschen Soldatengräber in der Türkei zuständig war[32].
Nach dem Krieg waren die deutschen Friedhöfe zunächst ohne besondere Pflege, da Deutschland über keine eigene diplomatische Vertretung verfügte und nur durch einen Deutschen Vertreter bei der Schwedischen Botschaft in Istanbul präsent war. 1921 mußten 48 deutsche Soldatengräber vom deutschen Friedhof in Feriköy nach Tarabya überführt werden, da das an Deutschland verpachtete Grundstück ohne Wissen der Pächter bereits 1914 an ein französisches Kloster verkauft worden war. Die neuen Besitzer verlangten nun die unverzügliche Räumung des Grundstückes, wobei der ehemalige Besitzer wegen seines betrügerischen Handelns die Kosten für die Umbettung zahlen sollte[33]. Somit gab es Anfang 1925 in Istanbul nur noch die Soldatenfriedhöfe in Tarabya mit 198 Grabstellen und Skutari mit 88 Soldatengräbern.
Nach dem Krieg geriet die Anlage in Tarabya unter die Aufsicht der Alliierten, die sich jedoch nicht um die Pflege des Parks oder des Friedhofes kümmerten. Bis 1924 war der Friedhof daher immer noch unvollendet, es standen jedoch schon die fünf Terrassen mit den Stützmauern, wobei allerdings rund 125 Meter ohne Abdeckplatten aus Muschelkalkstein geblieben waren. Erst als 1924 Rudolf Nadolny[34] als Botschafter wieder die Dienstgeschäfte in Istanbul aufnahm, kam auch der Friedhof in Tarabya wieder aus der Vergessenheit. Nadolny beschrieb die Arbeiten am Friedhof: “Der Heldenfriedhof lag hoch über dem Bosporus und bedurfte besonders sorgfältiger Pflege. Ich ließ die ganze Anlage gründlich restaurieren.[...] Im untersten Teil wurde ein vom Bildhauer Kolbe geschaffenes Relief angebracht [[35]]. Nach dem Bosporus zu wurde ein Vorplatz mit Balustrade und Zedern angelegt, von dem aus der Blick über den Bosporus nach Bujukdere und bis zum Schwarzen Meer schweifte. Ein neuer Weg vermittelte direkten Zugang zur Straße. Die Gräber waren auf drei Terrassen verteilt. In der mittleren befanden sich nur drei Gräber, das des Feldmarschalls v .d. Goltz, das des Botschafters Freiherr v. Wangenheim und das des Militärattachés Oberst v. Leipzig. Jedes war mit einer Marmorplatte bedeckt. Ich ließ zu den Häupten jedes dieser drei Gräber ein stilisiertes Eisernes Kreuz aus schwarzem Mamor aufstellen. Die übrigen 201 Gräber von Soldaten und Krankenschwestern hatten Holzkreuze, die mit Kletterrosen berankt waren. Schließlich ließ ich unten im Park an einer Quelle einen Motor aufstellen, der den Friedhof mit Wasser versorgte.
Die Türken, die jedes Jahr am Geburtstage des Feldmarschalls v. d. Goltz an seinem Grabe einen Trauergottesdienst abhielten, zeigten sich sehr befriedigt über den guten Zustand des Grabes und seiner Umgebung. Einmal erschien bei mir ein Vater aus Deutschland, um die Leiche seines Sohnes zu exhumieren und nach Deutschland zu überführen. Wir gingen zusammen auf den Friedhof. Als der Vater am Grabe seines Sohnes stand und dann nach dem Bosporus hinüberblickte, sagte er nach einer Weile des Schweigens: “Nein, ich lasse ihn hier. So schön wie hier bei seinen Kameraden kann er es zu Hause nicht haben.”
In Skutari[36] befand sich ein weiterer deutscher Heldenfriedhof. Nachdem auch er in Ordnung gebracht war, ließ ich später die Gebeine der deutschen Soldaten, die an den Dardanellen gefallen waren und dort begraben waren, nach Skutari umbetten.”[37]
1925 besichtigte ein Vertreter der Reichsbauverwaltung aus Berlin den Friedhof und empfahl die Fertigstellung des Friedhofes. Ab 1926 unterstützte der Volksbund die Renovierungsarbeiten mit 4000 Reichsmark jährlich. Unter anderem wollte die Industrie, der Verein deutscher Eisengießereien, 196 gusseiserne Kreuze zur Verfügung stellen. Die Kennzeichnung mit dauerhaften Grabkreuzen kam jedoch nicht zustande und 1932 standen immer noch die Holzkreuze auf den Gräbern.
Im November 1935 besuchten Mitarbeiter der Bauleitung des Volksbundes die Anlage am Bosporus, um Vorschläge für ein zentrales Denkmal für sämtliche Gefallenen in der Türkei zu entwickeln. Trotz vorbereitender Arbeiten wie Geländevermessung wurde dieses Vorhaben nicht umgesetzt. Statt dessen sollte von der Bauleitung ein Ausgestaltungsplan für Tarabya ausgearbeitet werden, damit alle bekannten Gräber in und um Istanbul hier zusammengelegt werden könnten.
1958 wurden seitlich des Reliefs insgesamt sechs Bronzetafeln mit den Namen der Gefallenen angebracht, die der deutsche Bildhauer Rudolf Belling geschaffen hatte.[38] Später wurden noch zwei weitere Tafeln, jeweils eine links und rechts aussen hergestellt worden sein, um auch die inzwischen ein- und umgebetteten Toten zu erfassen.
Ab 1962 mußten die deutschen Friedhöfen in Istanbul, beispielsweise der Soldatenfriedhof in Skutari 1962 wegen der schwierigen Pflege aufgelöst und die verbleibenden Toten nach Tarabya umgebettet werden. Mit der Auflösung wurden auch eine Reihe von Mamortafeln nach Tarabya gebracht, die heute auf dem Erweiterungsteil des Friedhofes angebracht sind.
1979 wurde durch den Volksbund beschlossen, alle Gefallenen aus der gesamten Türkei, deren Gräber vom Verlust bedroht waren, in Tarabya zusammenzulegen. Dazu wurde der Friedhof im Frühjahr 1980 neu vermessen und Erweitungsflächen an den Steilhängen angelegt, um die Umbettungen in 1981 aus den verschiedensten Grablagen durchzuführen. Insgesamt wurden bei dieser letzten großen Maßnahme des Volksbundes 220 Tote, darunter auch die deutschen Toten von dem internationalen Friedhof in Feriköy, geborgen und auf dem nun einzigen verbliebenen deutschen Soldatenfriedhof in Tarabya bestattet. Am 10. Oktober 1982 wurde der nun erweiterte Friedhof in Tarabya in einer großen Feierstunde eingeweiht. Bei dieser Feier waren neben dem deutschen Botschafter und Teilnehmern des Volksbundes auch das türkische Militär hochrangig mit dem Befehlshaber der 1. Armee, Orgeneral Haydar Saltik und der Kommandeur des 3. Armeekorps aus Maslak, Korgeneral Doğan Güres vertreten, sowie etliche Gäste aus Deutschland angereist.
Allerdings wurde bereits am 16.11.1988 durch den deutschen Generalkonsul beim Volksbund Deutscher Krieggsgräberfürsorge um neue Mittel zur Sanierung, bzw. Gelder zur Umbettung und Gestaltung von Sammelgräbern in Höhe von knapp 80.000 DM beantragt und schließlich auch entsprechend gewährt[39].
[1] In dieser Gegend flossen einst warme Heilquellen, woraus sich der griechische Name „Therapia“ (Heilung) ableitete, der dann später in Tarabya mutierte. Infolge eines starken Erdbebens 1894, das nahezu die ganze Stadt zerstörte, wurden diese Quellen verschüttet, die bis heute versiegt sind.
[2] Wolf, Gallipoli 1915, S. ff
[3] Metzger/Goltz, Von Konstantinopel nach Ankara, S. 287
[4] Mündliche Aussage durch Stv Leiter Dt Archälogisches Institut, Dr. Ing. Martin Bachmann, Juni 2013
[5] Wolf, Gallipoli 1915, S. 33 ff
[6] Laqueur, Der Deutsche Soldatenfriedhof in Skutari, S. 383 ff
[7] AA/PA, R 48065: Botschaft Konstantinopel an Auswärtiges Amt, 14.04.1925. – Eigentlich war der Friedhof nur für 180 Gräber ausgelegt, PA-AA, R 131375, Anlage zu 13107/18: Marineattaché an Kriegsministerium, 25.08.1917, zitiert aus Laqueur, Der Deutsche Heldenfriedhof in Skutari, S. 383
[8] Fischbacher, Tarabya
[9] BA/RA 40 / 729, S. 18
[10] Fischbacher, Tarabya, S. 12
[11] Ursel Berger, Georg Kolbe in Istanbul 1917/1918, S. 36
[12] Von Wangenheim starb am 25. Oktober 1915 in Istanbul an den Folgen eines Schlaganfalls
[13] Zentralarchiv Berlin, Nachlass Wilhelm von Bode, zitiert aus: Ursel Berger, Georg Kolbe in Istanbul 1917/1918, S.13
[14] Ursel Berger, Georg Kolbe in Istanbul 1917/1918, S. 11 ff
[15] AA/PA, R 131375, Brief Humanns vom 25.08.1917, zitiert aus: Ursel Berger, Georg Kolbe in Istanbul 1917/1918, S. 39
[16] Ursel Berger, Georg Kolbe in Istanbul 1917/1918, S. 40
[17] Zitiert aus: Ursel Berger, Georg Kolbe in Istanbul 1917/1918, S. 40
[18] Ursel Berger, Georg Kolbe in Istanbul 1917/1918, S. 36
[19] Brief vom 16.09.1918, zitiert aus: Ursel Berger, Georg Kolbe in Istanbul 1917/1918, S. 37
[20] Schweder, Im Türkischen Hauptquartier, S. 242 ff
[21] Georg Kolbe war, verglichen mit vielen anderen Künstlern seiner Generation, im Ersten Weltkrieg privilegiert. Er blieb von Fronteinsätzen verschont und konnte sogar noch als Soldat künstlerisch weiterarbeiten. Er blieb 1917 bis 1918 in Istanbul, um dort auch andere künstlerische Arbeiten zu fertigen.
[22] Metzger/Goltz, Von Konstantinopel nach Ankara, S. 301
[23] Notiz vom 1.6.1918, zitiert aus: Ursel Berger, Georg Kolbe in Istanbul 1917/1918, S. 46
[24] AA/PA, R 131375, Brief vom 03.11.1917, zitiert aus: Ursel Berger, Georg Kolbe in Istanbul 1917/1918, S. 39
[25] Bericht vom 19.7.1918, zitiert aus: Ursel Berger, Georg Kolbe in Istanbul 1917/1918, S. 39
[26] AA/PA, R 131375, Aktennotiz von einer Besprechung am 14.12.1917 im AA, zitiert aus: Ursel Berger, Georg Kolbe in Istanbul 1917/1918, S. 47
[27] AA/PA, R 48064, Schreiben Stresemann an Auswärtiges Amt vom 12. Oktober 1922
[28] Brief vom 22.5.1918, zitiert aus: Ursel Berger, Georg Kolbe in Istanbul 1917/1918, S. 44
[29] AA/PA, R 131375, Bericht 12.3.1918, zitiert aus: Ursel Berger, Georg Kolbe in Istanbul 1917/1918, S. 41
[30] Späterer Mitbegründer des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge
[31] Über den Friedhof in Skutari empfehle ich die sehr gut recherchierte Arbeit von Hans-Peter Laqueur, Der „Deutsche Heldenfriedhof in Skutari“, Turica, 41, 2009, S. 383-399
[32] AA/PA, R 48065
[33] AA/PA, R 48064, Deutscher Vertreter bei der Königlich Schwedischen Gesandtschaft in Konstantinopel an das Auswärtige Amt vom 17. August 1921
[34] Deutscher Botschafter in Istanbul und später in Ankara von 1924 - 1932
[35] Möglicherweise hat sich Nadolny auch hier unklar ausgedrückt, da das Denkmal bereits an Ort und Stelle gehauen und eingefügt worden war und er nur noch die Fertigstellung der Stützmauer meinte.
[36] Skutari, heute genannt Üsküdar, Stadtteil auf der asiatischen Seite Istanbuls
[37] Nadolny, Mein Beitrag, S. 93, Diese Aussage ist allerdings zu bezweifeln, da ganz sicher in seiner Zeit keine Gebeine von Dardanellen umgebettet worden waren.
[38] Zitiert aus: Ursel Berger, Georg Kolbe in Istanbul 1917/1918, S. 53
[39] Schreiben Generalkonsul Istanbul an den Volksbund Kriegsgräber Fürsorge vom