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Alliierte Angriffe im August 1915

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Auch wenn im Juli noch an allen Fronten gekämpft wurde, blieben die gegenseitigen Geländegewinne minimal und man versuchte sich durch intensiven Stellungsbau gegen Angriffe zu verteidigen und günstigere Ausgangspositionen für Gegenstöße zu erlangen. Teilweise lagen sich die gegnerischen Stellungen nur wenige Meter gegenüber. Vor allem die Türken versuchten, ihre vordersten Gräben so dicht wie möglich an die feindlichen Linien zu legen, damit die unterstützende Schiffsartillerie nicht eingesetzt werden konnte, da durch deren Beschuß die eigenen Kräfte gefährdet worden wären. Im Laufe der Monate machte der Ausbau der Stellungen deutliche Fortschritte. Zudem entwickelte sich ein heftiger unterirdischer Minenkrieg. Dazu wurden Gänge gegraben, um zentnerschwere Sprengladungen unterhalb der gegnerischen Gräben zu plazieren und sich damit einen Weg in die feindlichen Linien zu schaffen. Wertvolle Unterstützung leistete dabei die auf Anforderung von Liman von Sanders zusammengestellte deutsche Pionier-Kompanie von Kriegsfreiwilligen, deren Angehörige im Juni als Einzelreisende in ziviler Kleidung die neutralen Balkan-Länder durchquert hatten. 

Mit berechtigter Sorge verfolgten die türkische Heeresleitung und der Führer an den Dardanellen den sich hinziehenden Stellungskrieg. Er war für das türkische Heer schwerer zu tragen als für die Alliierten, denn die Reserven des Landes waren nicht unbegrenzt. Seit Beginn der Kämpfe hatten den Dardanellen infolge der hohen Verluste immer neue Divisionen zugeführt werden müssen. In der ersten Julihälfte wurde sogar die vier Divisionen starke 2. Armee unter General Wehib Paşa, die in Thrazien zur Verwendung auf dem Balkan bereitstand, von Sanders unterstellt, um abgekämpfte Divisionen der Südgruppe abzulösen. Trotzdem wuchs die Stärke der 5. Armee auf nicht mehr als 110 000 Mann Kampftruppen. Der Personalersatz machte wachsende Schwierigkeiten; es fehlte an Führern und Unterführern und die neuen Soldaten konnten nur eine unvollständige Ausbildung erhalten. Fast ebenso schwer wie die Menschenverluste litt die Abwehr durch Abnutzung und Verschlechterung des Geräts. Während die Alliierten über nahezu unbegrenzten Nachschub verfügten, war die von den Mittelmächten immer noch isolierte Türkei ausschließlich auf eigene Produktion angewiesen. Die Herstellung von Gerät hielt sich dabei sehr in Grenzen. Die Werkstätten in Istanbul waren lediglich zur Instandsetzung beschädigter oder abgenutzter Rohre, nicht aber zur Neuanfertigung von Geschützen imstande. So vergrößerte sich ständig die artilleristische Überlegenheit der Alliierten. Die ohnehin schon unterlegene türkische Artillerie konnte zudem aus Munitionsmangel nicht umfassend eingesetzt werden und gelegentlich hatte man schon zu Manöverkartuschen gegriffen, um der Infanterie eine artilleristische Unterstützung vorzutäuschen. Schwierig war auch die Verpflegungslage. Da der Operationsraum und das Hinterland kaum mehr etwas zur Eigenversorgung bot, musste der gesamte Nachschub der Armee von Istanbul herangeführt werden. Der Seeweg war die kürzeste Verbindungslinie und es stand auch genügend Laderaum zur Verfügung. Gleich nach Beginn der Kämpfe tauchten aber englische Unterseeboote trotz der in den Meerengen ausgelegten Sperren im Marmara-Meer auf und versenkten einige Frachtschiffe. Auch wenn der Nachschub über See nicht ganz unterbunden werden konnte, so war doch die Einrichtung einer Landetappe notwendig geworden, die aber bedeutend länger war. Von der Eisenbahn südlich von Adrianopel mussten noch 160 Kilometer – rund sieben Tagesmärsche – auf schlechten, von ungünstiger Witterung nahezu unpassierbaren Wegen zurückgelegt werden. Transportmittel waren Kamelkolonnen und Ochsengespanne und es wurden selbst Eselkolonnen trotz ihres geringen Leistungsvermögens aufgestellt. Lastkraftwagen waren erst später verfügbar. So kam es, dass die 5. Armee nie voll versorgt war und der deutsche Armeeintendant kaum über ausreichende Reserven verfügte. Aus dem Bericht des damaligen Intendanten der 5. Armee, Oberstleutnant Burchardi heisst es: „Der mit der fortschreitenden Verstärkung der Armee auch immer steigende Bedarf an Verpflegung, der schließlich etwa 400 Tonnen pro Tag betrug, konnte nur zu Wasser herangeführt werden. Trotz der feindlichen U-Boote erreichten alle Transporte ihren Bestimmungshafen, nur in den Häfen selbst wurden im Laufe der Monate im ganzen drei Dampfer versenkt. Der Landtransport hätte, mit Rücksicht auf den Mangel an Transportmitteln, den Bedarf nicht decken können. Die vorhandenen Kolonnen an Kamelen, Tragtieren und Wagen reichten nur aus, um die Divisionen von den Hafenplätzen zu versorgen [...] Die Verpflegungsbestände verringerten sich daher mit der Zeit immer mehr. Auch das Weizenmehl ging allmählich zu Ende, so dass an dessen Stelle Maismehl zu Brot verwendet werden musste. Ebenso hörte die Abwechslung auf. Die Verpflegung wurde also immer schlechter. Trotzdem kann nicht genug anerkannt werden, mit welcher Energie der türkische Generalintendant Ismail Hacki Pascha – ein besonders tüchtiger, fleißiger und kluger Mann – es verstanden hat, die Hilfsmittel des Landes, das zur Zeit der Dardanellenkämpfe von jeder nennenswerten Einfuhr abgeschnitten war, heranzuschaffen und für den Nachschub der 5. Armee nutzbar zu machen“[vii].

Auch die Landungsabteilung wurde wieder aufgefrischt und am 27. Juli 1915 ging Oberleutnant z. S. Boltz mit drei weiteren Offizieren, 150 Mann und zwölf Maschinengewehren von Istanbul auf die Reise. Das Detachement war nun keine rein deutsche Einheit mehr, auch 80 türkische Matrosen waren eingeliedert worden. Die Abteilung fuhr mit Ausrüstungs- und Versorgungsgütern auf der RESIT PASA nach Gallipoli. Zusätzlich kam ab Anfang Juli Hilfsassistenzarzt Dr. Hiltmann zu den Maschinengewehrgruppen, um vor Ort die erste ärztliche Versorgung sicherzustellen. Ab wann sich die Landungsabteilung ihre festen Unterkünfte auf dem Kilia Tepe, einer ca. 130 Meter hohen Anhöhe auf der europäischen Seite gegenüber dem Fort Nagara, zulegte, ist nicht mehr genau festzustellen aber erste Bauten für diese „Etappe“ der deutschen Marineeinheit dürften schon im Juli 1915 errichtet worden sein.

Dort wurden nicht nur Unterkünfte, sondern auch ein kleines Lazarett eingerichtet, das von August bis Mitte Oktober 1915 durch Marine-Stabsarzt Dr. Karl Fièvet betrieben wurde, der später durch Oberstabsarzt d. Res. Dr. Eduard Asbeck unterstützt wurde, bis beide schließlich Stabsarzt Ludwig Reinhold ablöste, der dieses Lazarett von November 1915 bis Oktober 1917 leitete. In dieser Zeit gefallene oder verstorbene Soldaten der Landungsabteilung wurden auf einem eigenen Friedhof in der Nähe dieses Lagers beigesetzt[viii]. Später wurden auch weiter vorgeschoben kleinere Feldhäuser für die einzelnen Teileinheiten der Landungsabteilung errichtet. Es war beabsichtigt, die neu aufgestellte Abteilung erst 14 Tage hinter der Front weiter auszubilden – die alliierten Landungen Anfang August in der Suvla-Bucht kürzten diese Vorbereitungszeit aber ab.

 

Trotz der gegenüber den türkischen Truppen bevorzugten Unterbringung und besseren Versorgung der deutschen Marinesoldaten hatten auch sie mit erheblichen gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Oberleutnant z. S. Boltz berichtete: „Der Gesundheitszustand der Truppe war während der warmen Jahreszeit sehr schlecht. Wenn er auch dank besserer Verpflegung besser gewesen ist, als bei der ersten deutschen Pionierkompagnie, welche heraus gesandt wurde, und welche durch Krankheit aufgerieben worden ist, so haben doch die Mehrzahl der Offiziere und Mannschaften Krankheiten wie Typhus, Dysenterie, Ruhr, Malaria und Fieber durchmachen müssen. Eine Besserung trat mit Beginn der kalten Jahreszeit ein. Zur selben Zeit waren allerdings auch gute Unterkunftsräume in den Lagern und Gräben geschaffen, und vor allen Dingen eine regelmäßige Zufuhr der Verpflegung sichergestellt worden. [Anmerkung: Die Zugänge im Lager betrugen im August 70, im September 47, im Oktober 32, im November 19, im Dezember 30 und im Januar 9 Mann.] Die größte Sorge in gesundheitlicher Beziehung verursachte das Lager des Detachements II. am Keretsch-Tepe. Hier herrschte eine regelrechte Typhusepidemie. Nacheinander waren hier im September und Oktober 5 Offiziere bezw. Stellvertreter u.a. alle Detachementsführer, von denen Leutnant z. S. Krafft später starb, und eine Reihe von Mannschaften am Typhus erkrankt. Das verseuchte, alte Lager bestand aus primitiv und schnellhergerichteten Erdhütten, inmitten der türk. Soldaten bei einer sumpfigen Quelle. Mit der Ende Oktober begonnenen schleunigen Verlegung des Lagers einige Kilometer weiter zurück hörten die Typhuserkrankungen mit einem Schlage auf. Auch in Kilia-Tepe, Düs-Tepe und den Beobachtungsstationen sind vereinzelt auftretende Typhuserkrankungen vorgekommen. Beim Abzug der Engländer war der Gesundheitszustand der Truppe gut. Die Kranken waren wieder gesund geworden, hatten sich in Konstantinopel vorzüglich erholt und schienen gegen neue Ansteckungen immun zu sein oder sie waren abgelöst und durch gesunde Leute ersetzt worden.“[ix] Auch für die Pionierkompanie wurde weiterer Personalersatz angefordert, so beispielsweise Ende September „8 nicht zu junge aktive Pionierunteroffiziere“[x].

Seit Mitte Juli verdichteten sich die Nachrichten, dass die Alliierten Verstärkungen heranziehen und neue Landungen an den Dardanellen planen würden, und „eine über Saloniki am 16. Juli eingehende Meldung nannte die allein auf Lemnos bereitgestellte Truppenzahl auf 50- bis 60.000 Mann und bezifferte die dort befindlichen Kriegs- und Transportschiffe auf 140.“[xi] Schon jetzt waren fast alle verfügbaren Kräfte der Türkei durch die Kämpfe an den Dardanellen gebunden. Ende Juli waren von den 45 Divisionen des türkischen Heeres 16 an den Dardanellen eingesetzt. Sieben Divisionen, die als 1. Armee bei Istanbul standen, dienten in der Hauptsache als Reserve für die Kämpfe bei Gallipoli. Der Rest, 22 Divisionen, allerdings mit deutlich geringerer Kampfkraft, verteilten sich auf die asiatischen Kriegsschauplätze.

Ebensowenig wie schon im April 1915 ließ sich vorhersehen, wo genau die Alliierten landen würden. Die für die Verteidigung der Halbinsel Gallipoli entscheidenden Stellen schienen für von Sanders erneut der Raum von Bulair und die Lücke zwischen der Nord- und Südgruppe zu sein. Aber auch die asiatische Seite musste nach wie vor gesichert werden. Hier standen Anfang August drei abgekämpfte Divisionen. Da bei der Südgruppe sechs, bei der Nordgruppe vier Divisionen eingesetzt waren, verfügte General Liman von Sanders noch über eine Armeereserve von drei Divisionen, von denen er zwei bei Bulair und eine zwischen der Nord- und Südgruppe bereithielt.

In die Vorbereitungen zur Abwehr dieses zu erwartenden Angriffs kam überraschend die Aufforderung des Chefs des deutschen Generalstabes an Liman von Sanders, nach Deutschland in das Große Hauptquartier zu kommen. Aus den eigenen Reihen war ein Komplott gegen ihn vorbereitet worden, um ihn aus seiner Funktion als Befehlshaber herauszudrängen. Zunächst hatte General von Falkenhayn die Tätigkeit von Liman von Sanders ausdrücklich gelobt, als er schrieb: „Großes Hauptquartier, 8. Juli 1915. Seine Majestät der Kaiser hat mich beim Vortrag über die Vorgänge an den Dardanellen beauftragt, Ew. Exzellenz den Ausdruck seiner wärmsten Anerkennung für Ihre dortige Tätigkeit zu übermitteln. Seine Majestät weiß, daß Ew. Exzellenz die Größe der Ihnen anvertrauten Aufgabe in ihrer Bedeutung für den Verlauf dieses Krieges voll anerkannt haben und vertraut fest darauf, daß es Ihrer überlegenen Führung wie bisher auch in Zukunft gelingen wird, dem Feind die Stirn zu bieten usw... gez.: von Falkenhayn.“ Doch schon ein anderes Telegramm an den Militärattaché über den bevorstehenden Angriff lässt erahnen, dass es, gelinde gesagt, Unstimmigkeiten zwischen von Falkenhayn und von Sanders gegeben haben muss: „Großes Hauptquartier, 22. Juli 1915. An Militärattaché. Hier eingelaufene Nachrichten machen es wahrscheinlich, daß Anfang August noch ein größerer Versuch gegen Dardanellen, vielleicht verbunden mit Landung im Golf von Saros oder an kleinasiatischer Küste gemacht werden wird. Es wird also gut sein, Munition aufzusparen. Gez.: von Falkenhayn.“[xii] Ein solcher Hinweis wäre ansonsten direkt an den militärischen Führer und Chef der Militärmission gegangen, und nicht an das militär-politische Verbindungsorgan. Das Komplott wurde direkt aus dem türkischen Generalstab von General Bronsart von Schellendorf geführt, der am 25. Juli aus Anlaß des Eintreffens von Oberst von Lossow als Militärattaché in Istanbul unmissverständlich über den diplomatischen „Meldeweg“ an General von Falkenhayn berichtete: „Wir deutschen Offiziere sind glücklich über das Eintreffen des Obersten von Lossow. Ich bitte Euere Exzellenz inständigst die Ernennung Lossows zum Chef des Generalstabes beim Oberkommando der Dardanellen-Armee durch Allerhöchste Kabinetts Ordre zu erwirken. Der Armeefüher duldet keinen von ihm abhängigen Chef bei sich, daher Offizier der Militärmission ausgeschlossen. Ich halte aber deutschen Chef, der wie Lossow Erfahrung im Schützengrabenkrieg hat, für unbedingt nötig, da der Armeeführer keine Kenntnisse hierin besitzt, auch noch nie in den eigenen Stellungen war, daher Widerspruch mit den Ansichten der vorn befindlichen deutschen Offiziere und unnötig große Opfer. Die Sache führt sonst hier zu bösem Ende. Lossow wäre auch im Stande, den Armeeführer nötigenfalls zu ersetzen, da er schrankenloses Vertrauen der Türken besitzt.“[xiii]

Deutlicher konnte die Illoyalität nicht demonstriert werden. Das wirft die Frage auf, aus wessen Informationen sich von Bronsarts Urteil nährte. Es scheint jedoch, dass die militärischen „Experten“ in der Etappe, verstärkt durch den im Juli durch von Sanders als Befehlshaber der Südgruppe abgelösten General Weber die Drahtzieher waren. Sicher war aber auch von Lossow selber beteiligt - er soll diesen Schachzug vorher mit Enver besprochen haben.

Falckenhayn sendete als Reaktion das folgende Telegramm nach Istanbul und leitete damit den erste Schritt zur Entmachtung von General Liman von Sanders ein: „Großes Hauptquartier, 26. Juli 1915. General von Falkenhayn gleichlautend an türkische Regierung, Enver Pascha und General von Liman. – Zur Orientierung des Generalstabschefs des deutschen Feldheeres über die militärische Lage an den Dardanellen würde Seine Majestät der Kaiser es dankbar anerkennen, wenn die türkische Regierung den General Liman von Sanders in das Große Hauptquartier entsenden wollte. Feldmarschall Freiherr von der Goltz steht zur Vertretung des Generals im Dardanellenkommando zur Verfügung. Als sein Generalstabschef könnte, wenn gewünscht, der Militärattaché Oberst von Lossow kommandiert werden.“[xiv] Die in diesem Telegramm vorgeschlagene Vertretungsregelung macht deutlich, dass man aus Berlin offensichtlich eine längerfristige, wenn nicht sogar den dauerhaften Ersatz Liman von Sanders beabsichtigte. Die Hintergründe dieser Intrige, die mit hoher Sicherheit auch das Wohlwollen von Botschafter von Wangenheim hatte, erfuhr von Sanders nur wenig später: „Bald nachher wurde mir aus Istanbul der Zusammenhang dieser ganzen von Istanbul ausgehenden Aktion, an der aber Enver in keiner Weise beteiligt war, mit allen Einzelheiten vertraulich mitgeteilt“[xv]. Die wahre Absicht, die hinter der Reise nach Deutschland steckte, erkannte er schnell und daher verfasste er bereits am 28. Juli ein deutlich formuliertes Schreiben an den deutschen Chef des Militärkabinetts: „Meine Entsendung in Großes Hauptquartier wird gewünscht, um General von Falkenhayn über Dardanellenlage zu orientieren. Diese Aufforderung ergeht, nachdem ich über drei Monate unter fortgesetzten Kämpfen hier 5. Armee führe, Enver mir oft Dank für Erfolge und Vertrauen ausgesprochen, in einem Augenblick, wo großer feindlicher Angriff in Aussicht steht, während General von Falkenhayn nichts direkt mit diesen Operationen zu tun hat. Ich betone ausdrücklich, daß nicht Seine Majestät mich zur Berichterstattung befohlen haben. Zugleich wird Feldmarschall Freiherr von der Goltz der Regierung als Vertreter vorgeschlagen und Militärattaché, dem dienstlich die vorgenannte Berichterstattung obliegt, als dessen Stabschef in Anregung gebracht. Da meine Entfernung hier keinesfalls von der türkischen Regierung oder Enver ausgeht und ich selbst nicht darüber berichtet habe, bitte ich um Antwort, ob Seine Majestät der Kaiser und König befehlen, daß ich meinen Abschied und Ausscheiden aus türkischen Diensten erbitten soll pp. Liman von Sanders.“[xvi]

Obwohl das Verhältnis zwischen Enver und Liman von Sanders alles andere als freundschaftlich war, so schätzte der türkische Kriegsminister doch die militärischen Fähigkeiten seines Befehlshabers der 5. Armee und bat um dessen Verbleib und Entsendung eines anderen deutschen Offiziers nach Deutschland, da man in Gallipoli einen größeren Angriff erwarten würde[xvii]. Trotzdem bestand von Falkenhayn zunächst auf die Entsendung, da eine ausreichende Vertretungsregelung gewährleistet wäre und der Kaiser auf eine persönliche Berichterstattung Wert legen würde. Diese Entscheidung wurde erst durch einen weiteren Bericht aus Istanbul geändert, in welchen Enver gegenüber deutschen Vertretern geäußert hatte, „dass er, wenn Liman von Sanders weg müsse, die Dardanellen-Armee keinenfalls Frh. von der Goltz geben würde.“ Weiter führte Enver aus, dass er von der Goltz für zu alt und zu weich hielte und betonte besonders, dass dieser nicht das Vertrauen der heutigen türkischen Armee besitzen würde. Doch auch von Lossow würde er nicht die Führung der 5. Armee übertragen, sondern eher einem türkischen Offizier. Enver würde allerdings erneut dringend den Verbleib von Liman von Sanders „aus militärischen und politischen Gründen“ erbitten[xviii]. Daraufhin wurde aus dem Großen Hauptquartier in Berlin geantwortet, dass vom persönlichen Vortrag durch Liman von Sanders Abstand genommen worden wäre, jedoch Oberst von Lossow auf Wunsch der deutschen Heeresleitung wegen dessen „reichen Erfahrung im modernen Verteidigungskrieg“ zukünftig im Stab der 5. Armee verwendet werden solle. Von Sanders kommentierte diese Planung lakonisch: „Dieser ist dann auch am 13. August gekommen, aber nur ganz kurze Zeit geblieben, da ich absolut keine dienstliche Verwendung für ihn hatte.“[xix]

Es ist aus heutiger Sicht völlig unverständlich, wie die deutsche Seite in dieser kritischen Phase der Verteidigung – in Istanbul glaubte man mittlerweile, dass die Halbinsel nicht weiter erfolgreich verteidigt werden könne und man bereitete sich teilweise auf die Ankunft der Engländer vor - einen derart folgenschweren Fehler begehen konnte. Auch wenn von der Goltz behauptete, mit diesen Plänen nichts zu tun gehabt zu haben, wäre er doch der größte Nutzniesser gewesen. Als Befehlshaber der 1. Armee sollte von der Goltz den Großraum von Istanbul inklusive der Marmarregion schützen, aber gleichzeitig immer wieder Truppen an die Front in Gallipoli abgeben. Er machte in einem Brief am 8. September 1915 an seinen Freund Schmiterlöw aus seiner Abneigung gegenüber Sanders keinen Hehl, stritt aber eine Beteiligung an diesem Komplott ab: „Eben jetzt, wo ich mit meinen letzten fertigen Divisionen – eine Anzahl ist wieder neu bei Konstantinopel in der Bildung begriffen – anfange, Limans Armee, die dessen bei ihrem numerischen Übergewicht eigentlich nicht bedürfen sollte, zu unterstützen, hat er die ‚Kabinettsfrage’ gestellt, von der ich jedoch keine Notiz genommen habe. Wenn Allah, von dem alle Dinge, zumal in der Türkei abhängen, will, so werde ich hoffentlich auch noch, wenn auch mit wenig Truppen zum Gefecht kommen. Die Zahl tut es nicht immer! Eine Anerkennung hat mir nun auch das eigene Vaterland gewährt. Liman sollte kürzlich, aus Gründen mit denen ich gar nichts zu tun hatte, ins große Hauptquartier zurückberufen werden. Dabei wurde ich von dort aus als Ersatzmann für ihn bezeichnet. Spät kam’s; doch es ist gekommen. Nun wurde aber doch nichts daraus, Liman blieb.“[xx] Diese Episode wirft ein eher düsteres Licht auf einige der verantwortlichen Deutschen in Istanbul, die bereit waren, für die Durchsetzung ihrer persönlichen Interessen die erfolgreiche Fortsetzung der Verteidigungskämpfe zu riskieren.

Bereits Ende Juni 1915 begannen in London die Planungen für eine neue Offensive der Alliierten, die nun mit frischen Kräften die Entscheidung bringen sollte. Da man im Süden der Insel keinen wesentlichen Erfolg durch weitere Truppenverstärkungen erwartete, sollte der neue Schwerpunkt im Norden liegen. Der alliierte Angriffsplan, der am 30. Mai 1915 General Hamilton vorgetragen wurde, sah vor, dass die Ariburnu-Front mit einer nördlichen Umfassung durch fast 20 000 Mann aus dem ANZAC-Landungskopf auf die Höhen des Kocaçimen Tepe, „Hill Q“ und Chunuk Bair aufgebrochen werden sollte. Gleichzeitig sollte ein frontaler Angriff auf die Stellungen im Ariburnu-Sektor die dort eingesetzten türkischen Kräfte binden und vom eigentlichen Hauptstoss ablenken. In der Suvla-Bucht sollte das IX. Armeekorps mit zwei Divisionen anlanden und auf das den Salzsee umgebende Höhengelände Richtung Osten angreifen, um von dort entweder nach Süden den Kampf um Ariburnu zu unterstützen oder weiter nach Südosten vorzustoßen. Im Süden sollte ein weiterer Angriff bei Kirthe türkische Kräfte binden und, wenn möglich, doch noch einen Durchbruch auf den Achi Baba schaffen.

Die Planungen für die Umfassung der Ariburnu-Front war im Stab von General Birdwood zunächst als Operation mit nur einer frischen Division geplant worden und sollte bereits im Juli erfolgen. Dieses wurde jedoch geändert, da nun statt nur einer drei neue Divisionen bereit gestellt worden waren, was die Planungen bis in den August verzögerte. Zunächst musste eine frische Division unbemerkt in den räumlich sehr beengten Brückenkopf bei Ariburnu verbracht werden und dort auch einige Tage verbleiben können, obwohl der Raum dort schon jetzt kaum für die bereits anwesenden Verbände ausreichte. Der Angriff nach Norden und dann das Eindrehen nach Osten in die verschiedenen Täler bei Dunkelheit mit unerfahrenen Truppen barg ein hohes Risiko der Desorientierung. Der Angriff sollte in zwei Kolonnen – die linke weiter nördlich umfassend auf den Kocaçimen Tepe und „Hill Q“, die rechte auf den „Rhododendron Ridge“ gegen Conkbayırı – geführt werden. Durch die räumliche Enge bei Ariburnu kam man zu dem Schluß, dass diese Operation nicht mit drei Divisionen durchzuführen sei, da dort nur Platz für eine Division wäre. Das bedeutete den Beginn für die Planungen der Landung in der Suvla-Bucht. Diesesmal waren für diesen Angriff Motorschiffe, sogenannte „Beetles“ gebaut worden, die bis zu 500 Soldaten transportieren konnten und mit kugelsicheren Bordwänden ausgestattet waren. Bei der Wahl der Truppen und dem Oberkommando für diese Operation war man sich lange nicht einig, entschied sich aber für neue Truppen aus England, da man die Landung für den einfacheren Teil der Operationen hielt. Als Befehlshaber für das IX. Corps wurde General Stopford benannt, der bislang jedoch nur über wenig Führungserfahrung verfügte. Die Planungen seines Stabes für die Anlandung der 10. und 11. Division waren detailliert aber die Befehlslage für den Angriff auf das den Salzsee umgebende Höhengelände waren nur vage und mißverständlich. So hieß es: „Unsere primäres Ziel wird sein, die Suvla-Bucht als Basis für alle Truppen, die im nördlichen Bereich operieren, zu sichern.“[xxi] Damit war von vornherein kein Angriffsschwung oder Initiative dieser Truppen gegen den unterlegenen Gegner zu erwarten, da man lediglich auf die statische Sicherung des Brückenkopfes, nicht aber einen schnellen Angriffsstoß eingestellt war.

Die Verteidigung der Suvla-Bucht stand unter dem Kommando des bayrischen Majors Willmer, der Mitte Juni 1915 den Auftrag erhalten hatte, die „Anafarta-Gruppe“ zu führen. Sein Auftrag lautete, „jegliche feindliche Landung oder Erweiterung der bestehenden Ariburnu-Front nach Norden zu verhindern.“[xxii] Für diesen fast 10 km breiten Verteidigungsstreifen verfügte er Anfang August lediglich über zwei Gendarma-Bataillone, ein Infanterie-Bataillon, eine Reiter-Eskadron und vier Feldartilleriebatterien und insgesamt nur ca. 2 000 Soldaten. Er hatte zunächst keine Maschinengewehre, kaum Stacheldraht und seine wenigen Geschütze waren über die weite Fläche verteilt. Deswegen ließ er Scheinstellungen anlegen und befahl laufend Stellungswechsel, um die feindliche Beobachtung über die tatsächliche Stärke und Positionen der Artillerie zu täuschen. Seine Planung beruhte auf der Annahme, dass er seine Stellungen für mindestens 36 Stunden halten müsse, bis weitere Truppen aus Bulair herangeführt werden könnten. Mit Verstärkungen aus dem Ariburnu-Bereich von Essad Paşa rechnete er nicht, da dessen Kräfte bei einem Angriff auf die Suvla-Bucht oder einem Ausbruch der ANZACs mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls unter hohen Druck geraten würden. Willmer konzentrierte seine Verteidigung auf drei vorgelagerte Verteidigungspunkte, einen auf dem Gipfel des Kireç Tepe, einen auf dem Softa Tepe („Hill 10“) und dem Pırnar Tepe („Chocolate Hill“). Der Lalebaba Tepe war mit Schützengräben ausgebaut und mit einem kleinen Beobachtungskommando besetzt. Seine Hauptkräfte hielt er in der Tiefe, im Norden um die Höhen Kavak und Tekke Tepe und im Süden hart ostwärts der Höhen um den Yusufcuk Tepe bereit. Sein Hauptquartier hatte er bei Çamlıtekke eingerichtet.

Die Schlacht begann am Nachmittag des 6. August gegen 14.20 Uhr mit starkem Artilleriefeuer an der Südfront als Ablenkungsmanöver. Doch trotz Verstärkungen der 29. Division konnte der darauffolgende Angriff gegen die türkischen Stellungen um Kirthe nicht erfolgreich vorangebracht werden und wurden in für beide Seiten verlustreichem Ringen abgewiesen. Die Kämpfe an der Südfront hatten jedoch keinerlei Einfluss auf den Fortgang der Gefechte im Norden der Halbinsel. Gegen Abend des 6. August lag auch schweres Feuer auf dem Hintergelände der Nordgruppe bei Ariburnu, bald folgte ein Angriff gegen deren linken Flügel, der ebenfalls trotz aller Härte keine neuen Geländegewinne für die Alliierten brachte. Gegen 20.30 Uhr begannen die ersten Truppenteile, 2 000 neuseeländische Soldaten, aus ihren Verstecken im ANZAC-Brückenkopf nach Norden zu marschieren, um dann nach Osten einzuschwenken. Die ersten Angriffe auf die schwachen vorgeschobenen türkischen Sicherungsposten waren erfolgreich und diese wurden schnell überwältigt. Gegen 21.00 Uhr trafen die ersten Meldungen von Landungen und Truppenbewegungen im Raume nördlich Ariburnu und der Suvla-Bucht im Hauptquartier der 5. Armee ein. Von Sanders war klar, dass gerade dort, wo der Gegner jetzt gelandet war, nur wengige und schwache türkische Truppenteile standen. Er setzte daher sofort die beiden bei Bulair stehenden Divisionen und entbehrliche Kräfte der Südgruppe in Marsch und auch vom asiatischen Ufer wurden Teile herangezogen. „Sofort nach Eingang der vorgenannten Meldung wurde von mir an die 7. und 12. Division nach dem oberen Sarosgolf telephonisch befohlen, daß beide alarmiert würden und beschleunigt marschbereit zu stellen seien. Ungefähr eine Stunde später erging dorthin Befehl, beide Divisionen unverzüglich in allgemeiner Richtung auf Usun – Hisirli östlich von Gr. Anaforta in Marsch zu setzen.“[xxiii]

Oberstleutnant Kannengiesser hatte als Kommandeur der im Küstenschutz zwischen der Nord- und Südgruppe stehenden 9. Division am 7. August gegen 04.30 Uhr morgens von Essad Paşa den Befehl erhalten, nach Norden auf den Conkbayırı zu marschieren und diesen beherrschenden Höhenzug zu gewinnen. Kannengiesser traf seiner Division voraus genau in dem Moment ein, als feindliche Truppen im Anmarsch auf diesen Höhenkamm waren. Es gelang ihm, den anrückenden Feind niederzuhalten, bis seine eigene Division herankam. Er beschrieb diese Szene: „Aus einem tiefen Tale sah ich vor mir den steilen Hang des Djonk Bahir, dessen Höhenkamm in den des nahen Kodjadschemendagh unmittelbar übergeht. Wir mussten herunter von den Pferden und bei schon sehr brennender Sonne – es war erst 6.00 morgens – den Djonk Bahir erklimmen, indem wir uns an Gestrüpp und Grasbüscheln mühsam hochzogen. Oben ein langer, schmaler Grat und ein überraschend weiter Blick über schroffes Berggelände hinaus auf das Ägäische Meer. Die Suvlabucht lag voller Schiffe. Wir zählten 10 Transportschiffe, 6 Kriegsschiffe und ‚7’ Lazarettschiffe. Unmittelbar davor an Land ein Gewimmel von Truppen wie in einem Ameisenhaufen. Über die blendend weiße Fläche des ausgetrockneten Salzsees sah man eine Batterie im Marsch in südlicher Richtung. Mit unseren paar Revolvern konnten wir nichts dagegen unternehmen. Um uns herum Ruhe und Frieden, kein Mensch zu sehen, auch kein Feind vor uns in der Berglandschaft. Mit dem Glase entdeckte man nach und nach Willmersche Abteilungen nördlich des Asmakdere am Ostrande der flachen Ebene und sah englische Truppen am Lala Baba und in der Ebene an einzelnen Stellen schanzen. Nirgends wurde gekämpft. Nun ging es an eine Erkundung des Geländes, um die eintreffenden Regimenter mit dem fertigen Befehl empfangen zu können [...] Jetzt blieb nur übrig, den Djonk Bahir, als den Schlüsselpunkt der Stellung, in erster Linie zu besetzen; die Reserven dicht dahinter, da die Stellung der Tiefe entbehrte. Unangenehm war ferner, daß beide Flügel keine Anlehnung hatten und Truppen zu ihrer Sicherung fehlten. Auch mit der Nachbardivision, der 19., konnte zunächst keine Verbindung hergestellt werden. Bei dieser ersten Erkundung entdeckten wir eine türkische Batterie, deren Chef ich wecken lassen musste, und der keine Ahnung hatte von der veränderten Kriegslage. Er eröffnete das Feuer auf die Truppen auf dem ausgetrockneten Salzsee, konnte aber nur mit Granaten hinlangen. Auch einen Zug Infanterie, etwa 20 Mann, fanden wir als Deckung dieser Batterie vor. Das war doch wenigstens etwas. Während ich Hunussi Bey nunmehr Meldungen und Befehle diktierte, die dieser erst ins Türkische übersetzen musste, suchte Zia Bey das unübersichtliche Gelände vor uns dauernd mit meinem Glase ab, da es darauf ankam, die Engländer in möglichster Entfernung von uns zu halten. Plötzlich erschien wahrhaftig feindliche Infanterie vor uns auf etwa 500 m Entfernung. Einer hinter dem anderen, tadellos angezogen, um den linken Oberarm eine weiße Binde, zogen die Engländer im langsamen Schritt, scheinbar recht müde, im Flankenmarsch an einer Bergwand vor uns entlang, an die sie aus dem Tale heraus in immer größerer Zahl gelangten. Sofort sandte ich meiner Infanterie – das waren die 20 Mann Artillerie-Bedeckung – Befehl, das Feuer zu eröffnen. Antwort: ‚Wir dürfen erst feuern, wenn unser Bataillons-Kommandeur das befiehlt.’ Das ging mir denn doch über die Hutschnur. Ich lief hin, warf mich zwischen die in einem kleinen Graben liegenden Leute, was ich sagte, weiß ich nicht mehr, jedenfalls setzte nun das Feuer ein, und sogleich warfen sich die Engländer drüben hin ohne selber zu schießen oder sich sonst zu rühren. Ich hatte den Eindruck, daß sie froh waren, nun nicht weiter klettern zu brauchen. Jetzt bekam ich auch unerwartet Verstärkung. Aus Richtung Düstepe sah ich eine türkische Marschkolonne kommen, die gerade im Begriff stand nach rückwärts in das tiefe Tal hinabzusteigen. Es waren 2 Kompagnien des Infanterie-Regiments 72. Meinen Befehl, sofort zu halten und unter mein Kommando zu treten, musste ich erst sehr dringend wiederholen. Ebenso traf am Kodjadschemendagh der Kommandeur des 1. Bataillons Infantrie-Regiments 14 ein, den ich mit seinen Kompagnien unter meinen Befehl nahm. So suchte ich mir allmählich eine kleine Kampffront zusammen, die ich in zwei Flügel gruppierte, als die Kommandeure der Infanterie-Regimenter 25 und 64 sich bei mir meldeten und das baldige Eintreffen ihrer Bataillone in Aussicht stellten. Es war gelungen, diese außerordentlich wichtigen Höhen in die Hand zu bekommen und den Anmarsch des Gegners aufzuhalten.“[xxiv] Kannengiesser wurde bei diesem Gefecht schwer verwundet, wovon er wie folgt berichtete: „Im Begriff, mich nunmehr nach dem linken Flügel zu begeben, den ich für gefährdet hielt, und der auch noch immer nicht den Anschluß an die 19. Division gefunden hatte, erhielt ich – es war gegen 8.00 vormittags – von diesem Maschinengewehr einen Schuß durch die Brust. Das war recht ärgerlich. Ich war bisher aus so mancher ganz anderen Lage ungerupft herausgekommen. Nun sollte ich meine brave Division gerade in diesem kritischen Augenblick verlassen müssen. Zia Bey und Brandl sprangen sofort hinzu, mussten mich aber liegen lassen, weil das Maschinengewehr nun gerade diesen Punkt festhielt. Nach einiger Zeit schwankte das Feuer ab, und beide trugen mich hinter den nahen, schützenden Höhenrand. Brandl, der bereits 6 Semester Medizin in München studiert hatte, stellte einen Schuß mitten in die Brust unmittelbar am Herzen fest und legte mir einen Notverband an [...] Mich legte man auf eine schon reichlich mit Türkenblut durchtränkte Bahre und trug mich die steile Küste herunter, wo ich bald den vordersten Teilen meiner heraufkletternden Division begegnete. Unten im Tal verband mich sehr gut der Divisionsarzt, Sanitätsoberstleutnant Nevres Bey, dann wurde ich in einem Krankenwagen nach Akbasch an Bord der ‚Ac Denis’ gebracht. Unterwegs wurde beim Armee-Hauptquartier haltgemacht, wo ich dem Marschall über die kritische Lage am Kodjadschemendagh berichten konnte.“[xxv]

In diesem Abschnitt wurde auch die Landungsabteilung der MMD eingesetzt, nachdem Oberleutnant z. S. Boltz erst am 27. Juli mit rund 150 Mann aus Istanbul gekommen war. Eine Gruppe unter Führung von Leutnant z. S. Hildebrandt ging am 7. August mit vier Maschinengewehren in den vorderen türkischen Stellungen am Hang des Kocaçimen Tepe in Stellung. In den Morgenstunden begann der Angriff nach einer Feuervorbereitung durch die Schiffsartillerie. Im Nahkampf ging der Kocaçimen Tepe zunächst verloren, konnte aber nachmittags wieder genommen werden. Von den 16 Mann der Landungsabteilung waren elf tot, verwundet oder vermisst - unter den Toten befand sich auch Leutnant z. S. Hildebrandt[xxvi].

Nicht weniger kritisch war die Lage am 7. August östlich der Suvla-Bucht. Dort waren am 6. August gegen 22.00 Uhr die drei Brigaden der 11. Division unter General Hammerfley angelandet. Die 32. und 33. Brigade wurden bei Kücük Kemikli, die 34. Brigade weiter nördlich bei Büyük Kemikli abgesetzt. Die 34. Brigade sollte den Softa Tepe – von den Engländern „Hill 10“ genannt – sowie die Höhen des Kireç Tepe nehmen, während die beiden anderen Brigaden für die Besetzung des Lalebaba Tepe vorgesehen waren. Diese Ziele waren realistisch, wenn man den Überraschungsmoment ausgenutzt und den Angriff energisch vorgetragen hätte. Die Landungen hatten zumindest auf dem linken Flügel bei der 34. Brigade zu Verwirrung geführt, da sie am falschen Ausladeplatz an Land gegangen war und einen nahen Sandhügel für den Softa Tepe hielt. Am 7. August um 06.00 Uhr sendete Major Willmer an General Liman von Sanders die Meldung: „Der Feind ist gegen 21:30 letzte Nacht bei Kimliki gelandet. Die vorgeschobenen Kompanien sind von Lala Baba vor überlegenem Feind ausgewichen und sind nun dem 1. Bataillon des 31. Regiments bei Pirnar Tepe unterstellt. Die Höhe Kiretch Tepe – Pirnar sind fest in eigener Hand. Gut geschützt setzt der Feind die Anlandungen fort. Ich halte die Stellung wie befohlen aber erbitte dringend Verstärkung.“[xxvii] Somit konnte der Softa Tepe noch bis Tagesanbruch durch Willmers Kräfte gehalten werden. Gleichzeitig setzte auch das Abwehrfeuer der türkischen Artillerie ein, was das Ausladen der 10. Division, die unter General Hill ebenfalls südlich der Suvla-Bucht anlandete, erschwerte. Während des Tages setzten die britischen Truppen zwar weiter nach und konnten gegen Abend den Pırnar Tepe und den „Green Hill“ nehmen. Der Ismailoğlu Tepe weiter östwärts konnte jedoch durch eine Kompanie des Bursa Gendarma-Bataillons sowie das 2. Bataillon des Infanterieregiments 31 gehalten werden. Damit war der rasche Vorstoß nach Osten unterbrochen und Zeit gewonnen, um die türkischen Reserven heranzuführen.

Das bereits am Vortag durch von Sanders heranbefohlene XVI. Armeekorps unter Oberst Fehsi Bey war nun auf dem Marsch und wurde gegen Abend im Anafartaabschitt erwartet. Von Sanders berichtete darüber: „Zu meinem Erstaunen meldete mir bereits am Nachmittage des 7. August der Kommandierende General des vom Saros-Golf kommenden, aus der 7. und 12. Division bestehenden 16. Armeekorps das Eintreffen desselben an dem befohlenen Marschziel. Die Truppen hatten nach seiner Angabe einen Doppelmarsch zurückgelegt. Ich gab für den 8. August für Tagesanbruch an genannten Führer persönlich den Befehl zum Angriff beiderseits des Azmakdere in der Anafortaebene.“[xxviii] Von Sanders erkannte, dass immer mehr englische Truppen angelandet wurden und Willmer’s Einheiten diesen Kräften kaum mehr etwas entgegenzusetzen hatten. Daher befahl Sanders auch dem Befehlshaber auf der asiatischen Seite, Mehmet Ali Paşa, sämtliche „nicht in erster Linie stehenden Bataillone und einige Batterien“ mit Ziel der Suvla-Front in Marsch zu setzen. Als Sanders am Morgen des 8. August noch vor Tagesanbruch zu dem befohlenen Aufmarschgelände ritt, fand er dort jedoch keine Truppen vor, sondern lediglich den Generalstabsoffizier der 7. Division, der dort Stellungen erkundete. Da dieser meldete, dass die Truppen keineswegs bereits vollständig angekommen waren, befahl von Sanders den Angriff für den Abend des gleichen Tages. Er erfolgte jedoch auch an diesem Tag nicht: „Als ich gegen Abend durch Major Willmer hörte, dass die Truppen das 16. Armeekorps immer noch nicht in dem von mir befohlenen Aufmarschgelände eingetroffen seien und über die Verzögerung von dem kommandierenden General Rechenschaft forderte, erwiderte er mir, daß der Zustand der ermüdeten Truppen auch jetzt noch keinen Angriff gestatte. Ich übergab noch an diesem Abend den Befehl über die sämtlichen im Anafortaabschnitt vereinigten Truppen an Oberst Mustafa Kemal Bei, den bisherigen Führer der 19. Division, welche auf der Ariburunfront am weitesten nach Norden stand.“[xxix] Damit war Oberst Fehsi Bey als Führer des XVI. Armeekorps seines Kommandos enthoben, da er nicht – wie befohlen – unmittelbar gegen die britischen Verbände bei der Suvla-Bucht antreten wollte. Auch wenn dieser Angriff nach einem zweitägigen Marsch eine große Herausforderung für die erschöpften Soldaten bedeutete, war er doch zwingend notwendig. Willmer’s Truppen verteidigten nun schon 48 Stunden gegen stark überlegenen Feind und brauchten dringend Entlastung. Dies erkannte auch Mustafa Kemal als neuer Befehlshaber und ließ diesen Angriff durchführen.

General Stopford, der mit seinem Stab auch am 8. August immer noch an Bord der JONQUIL geblieben war, machte, obwohl das Schiff nicht mit Fernmeldemitteln ausgestattet war und er damit über kein klares Lagebild an der Suvla-Bucht verfügte, nur sporadische Besuche in der Landungszone. Am Strand hatte man es sich wie in der Etappe bequem gemacht; Truppen wurden weiter angelandet und geordnet, Schützgräben ausgehoben und Soldaten ohne Beschäftigung badeten und tranken Tee. Dabei handelte es sich hier um die Frontlinie und die türkischen Truppen auf den gegenüberliegenden Hügeln waren in deutlicher Unterlegenheit. General Hamilton, der in seinem Hauptquartier in Imbros immer noch auf Berichte über den Fortgang des Angriffes wartete, entschied, sich nun selber vor Ort zu orientieren. Nachdem er angelandet war wurde ihm von Stopford gemeldet, dass alles entsprechend der Planungen verlaufe und gut gehen würde. Hamiliton erkannte rasch den Ernst der Lage und griff nun selber in die Führung der 10. Division ein. Er befahl General Hammerfley, der von sich aus bereits für den 9. August einen Angriff geplant hatte, bereits in der nächsten Nacht gegen den Tekke Tepe anzutreten. Diese Einmischung führte zu großer Verwirrung. Truppen, die sich bereits auf dem Yusufcuk Tepe befanden, wurden wieder in die Ausgangsstellungen zurückbefohlen und schließlich konnte der Angriff doch erst am Morgen des 9. August beginnen.

Am selben Tag telepraphierte Admiral Souchon nicht nur die tags zuvor erfolte Versenkung der BARBAROSSA HAIREDIN durch ein U-Boot in den Dardanellen, sondern auch erneut eine dringende Anforderung für Ersatzpersonal für die Landungsabteilung: „Auf dringende Bitte des Generals Liman Sanders habe Maschinengewehr-Abteilung der Mittelmeer-Division auf 16 Maschinengewehre verstärkt. Tätigkeit deutscher Maschinengewehr-Abteilung wird von türkischer Heeresleitung ausserordentlich anerkannt. Entsprechende Vergrösserung erwünscht. Oberleutnant zur See von Branconi krankheitshalber heimgekehrt, Leutnant zur See der Reserve Hildebrandt, Landungsabteilung, gefallen. Erbitte dringend Ersatz für Branconi, Hildebrandt und Rabenau, ferner Heraussendung 3 jüngerer Offiziere für Maschinengewehr-Abteilung.“[xxx]

Am 9. August begann morgens der bereits dreimal verschobene Gegenangriff unter der Führung von Mustafa Kemal, über den von Sanders in diesem Zusammenhang schrieb: „Mustapha Kemal, der seine ersten kriegerischen Lorbeeren in der Cyrenaika gepflückt hatte, war eine verantwortungsfreudige Führernatur. Am 25. April morgens hatte er mit der 19. Division selbständig entschlossen zugegriffen, den vordringenden Feind bis an die Küste zurückgeworfen und hatte dann über 3 Monate in Front bei Ariburnu gestanden, allen heftigen Angriffen in zähem, ungebrochenem Widerstand erfolgreich die Stirn bietend. Ich konnte zu seiner Tatkraft volles Vertrauen haben.“[xxxi] Mustafa Kemal griff jetzt mit der 7. Division links und der 12. Division rechts über den Tekke Tepe an. Diese Division kam der britischen Seite, die sich nach tagelanger Agonie endlich zu einem Angriff auf den Tekke Tepe mit der 32. Brigade entschlossen hatte, angeblich nur 30 Minuten zuvor und traf direkt in deren Anmarsch[xxxii]. Die alliierten Truppen erlitten schwerste Verluste und verloren wichtiges Höhengelände. Interessant in diesem Zusammenhang ist ein Brief von Oberstleutnant Willmer, den dieser 1927 an General Liman von Sanders geschrieben hatte. Willmer reagierte damit auf die Memoiren von Mustafa Kemal, in denen dieser offensichtlich wesentliche Führungsentscheidungen während dieser Kämpfe für sich reklamierte. In diesem Brief hieß es:

 

„Hochverehrter Herr General!                                                                                      Straubing, 12.V.27

Im Stahlhelm finde ich beifolgenden Aufsatz von Major Welsch über Mustafa Kemals Memoiren, der Ew. Excellenz zweifellos auch interessieren wird. Daß M.K. kein Deutschenfreund war, darüber waren wir uns doch schon in Gallipoli im Klaren. Ebenso, dass er außerordentlich von sich selbst eingenommen war. Nicht ganz richtig dürfte sein, daß er am 8. August ‚mit seiner Division’ den Angriff der Engländer bei der dritten Landung zum Stehen gebracht habe. An diesem Tage sollte doch Fehsi Bey mit der 7. und 12. Division angreifen und da er bis abd. des 8. Aug. weder die Div. zum Angriff bereitgestellt hatte, noch überhaupt an einen Angriff an diesem Tage dachte, meldete ich Ew. Excellenz, worauf Ew. Excellenz bekanntlich Fehsi Bey noch in der Nacht des Befehls entsetzten, und M.K. mit dem Angriff, der am 9. stattfand, beauftragten. Am 10. Aug. machte M.K. mit der neu eingetroffenen 8. Div. am Djonk-Bahir einen Gegenangriff, bei dem ihm bekanntlich die Uhr durch einen Prellschuß zertrümmert wurde, die er dann Ew. Exc. in Schamliteke dedizierte, und durch den er wieder in den Besitz des Djon-Bahir gelangte. Daß M.K. das Verdienst der siegreichen Anafarta-Schlacht für sich in Anspruch nimmt, ist bei seiner großen Selbstüberhebung gar nicht besonders verwunderlich, obwohl er ja nur das ausübende Organ der von Ew. Exc. getroffenen Anordnungen war.“[xxxiii] Liman von Sanders war gekränkt darüber, dass im nachhinein seine Leistungen aber auch die der Militärmission bei dieser Operation nicht gewürdigt wurden und schrieb in diesem Zusammenhang am 21. Juli 1927 an Major Mühlmann: „Zu den Akten lege ich Ihnen Abschrift eines Briefes von Willmer bei, als einen Mitkämpfers an Ort und Stelle. Angesichts der unglaublichen Überhebung der Türken – welche vor 12 Jahren keineswegs bestand – wird es dort vielleicht einmal zur Klarstellung der damaligen Befehlsverhältnisse kommen.“[xxxiv]

 

Am 10. August griffen die Engänder erneut an, verstärkt durch Teile der 53. Territorialdivision. Die Höhen des Yusufcuk Tepe und Ismailoğlu Tepe wurden genommen, aber gegen Abend durch türkische Gegenangriffe wieder zurückerobert und konnten in den folgenden Monaten erfolgreich gegen weitere Angriffe verteidigt werden. Stopford versuchte nun das nördliche Höhengelände um den Kireç Tepe zu nehmen und damit die Ariburnu-Front zu überflügeln. Das dortige Gendarma Batallion – es hatte seine Stellungen am 8. und 9. August halten können – verfügte nur noch über zwei Artilleriegeschütze. Ausserdem war dort bereits am 8. August ein Zug der Landungsabteilung mit vier Maschinengewehren zu Verstärkung der Verteidigung eingetroffen. Von Sanders hatte noch zusätzlich entbehrliche kleine Abteilungen aus dem Küstenschutz bei Ece Liman zum Kireç Tepe verlegt und am 10. August den Befehl für dieses Höhengelände Major Willmer übertragen. Am 11. August kam Major Lierau auf die Halbinsel und wurde von General von Sanders beauftragt, die gesamte Artillerie der Anafarta-Gruppe, welche unter dem Kommando von Mustafa Kemal stand, zu übernehmen[xxxv]. Als erfahrender Artillerist erkannte er schnell, dass die feindliche artilleristische Unterstützung in erster Linie von See erfolgte, dagegen jedoch keine eigene Artillerie wirken konnte und für einen erfolgreichen Feuerkampf gegen die Kriegsschiffe die Batterien „unmittelbar hinter der vordersten Infanterielinie in Stellung gehen müssten.“ Dazu hatte Lierau günstig gelegene Täler beiderseits des Ismailoğlu Tepe erkundet und befahl daraufhin den Stellungswechsel. Die Reaktion der türkischen Batteriechefs und Besatzungen waren „entgeisterte Gesichter.“ Dennoch war er später voller Lob ob der großen Leistung der türkischen Truppen, die Geschütze, Munition und Material bei großer Hitze über schlechte oder kaum vorhandene Wege verlegen mussten. Seine Rechnung ging auf und er schrieb am 12. August: „Um 6 Uhr morgens gab ich durch meinen ersten Schuß das Signal zur allgemeinen Feuereröffnung. Die Überraschung gelang. Das Schießen war dank der leichten Beobachtung sehr einfach. Bald war Wirkung erreicht: einige Schiffe fingen Feuer, andere erhielten Schlagseite, ein großer Transporter musste abgeschleppt werden, und alle Schiffe, einschließlich der Kreuzer, suchten eilends das hohe Meer zu gewinnen. Selbst die beiden dicken Panzer räumten ihre Ankerplätze, gingen aber als einzige außerhalb des Schussbereiches wieder vor Anker und feuerten weiter. Der Verkehr zu den Landungsstellen aber wurde eingestellt.“[xxxvi] Am gleichen Tag traf Hauptmann Knaab mit einer 9-cm-Batterie der GOEBEN mit deutschen Marineartilleristen bei der Anafarta-Gruppe ein. Major Lierau hatte eine besondere Aufgabe für diese deutsche Einheit: „Dieser Batterie glaubte ich etwas Besonderes zumuten zu dürfen und wies ihr auf der vordersten Höhe, unmittelbar an einem Steilabfall, eine Stellung an, frei und offen und ohne jede Deckung, aber so, daß sie direkt richten konnte. Hätten wir in dem Felsboden erst Deckungen ausheben wollen, wären noch Tage vergangen, bis zur Schussbereitschaft.“[xxxvii] Dieser Artillerieangriff wurde auch in der alliierten Berichterstattung durch Sir Julian S. Corbett erwähnt „am 12. [August 1915], während die Marine hart daran arbeitet, die Landungsplätze zu verbessern und die Ausrüstung und Versorgungsgüter an Land zu bringen, die am nötigsten gebraucht wurden, sowie zur gleichen Zeit die Evakuierung von Mengen an Verwundeten durchzuführen war, regnete ein Hagel von Schrapnells auf die Versorgungsschiffe und bevor sie davonfahren konnten, hatten sie schon fünfzig Mann Verluste.“[xxxviii]

Am 15. August griffen die alliierten Kräfte mit zwei Brigaden gegen das Gendarma  Batallion „Gallipoli“ an, drangen bis über die Mitte der Kammhöhe vor und rieben den türkischen Verband fast vollständig. Auch dessen Kommandeur, Hauptmann Kadri Bey, fiel an diesem Tag. Dennoch konnten die Stellungen gehalten werden. Am 16. August erfolgte ein weiterer Angriff, der aber durch weitere Verstärkungen nicht nur abgewiesen wurde. Auch die alten Stellungen konnten wieder eingenommen werden. Von Sanders bewertete diesen Sieg als entscheidend: „Hätten die Engländer am 15. und 16. August den Kirschtepe in ihren Besitz gebracht, so war die ganze 5. Armee überflügelt. – Der Enderfolg hätte dann den Engländern noch zufallen können. – Die Kammlinie des Kirschtepe und seine südlichen Hänge beherrschten die weite Anafortaebene von Norden her.“[xxxix] Kannengiesser, der im deutschen Krankenhaus in Istanbul seine Verletzung auskurierte, wurde durch Major Prigge, dem Adjutanten von General von Sanders über die Kämpfe auf dem Laufenden gehalten und erhielt am 19. August die folgende Nachricht: „Seit dem 7. ist Seine Exzellenz buchstäblich Tag und Nacht unterwegs, und nur den äußersten Anstrengungen ist es gelungen, dem Feind, der 4-5 Divisionen gelandet hat, ein Vordringen unmöglich zu machen [...] Einstweilen ist es etwas ruhiger geworden. Die Engländer haben diesmal ganz ungeheure Verluste gehabt und die Kämpfe waren weit schwerer, als alle bisherigen.“[xl]

Hamilton unternahm noch einen Versuch, mit einem Großangriff mit der bewährten 29. Division, die von der Südfront herangeführt worden war, sowie einer weiteren Infanteriedivision an der Suvla-Front durchzubrechen. Dort standen jetzt sechs Divisionen unter dem Kommando von General de Lisle, dem Nachfolger von General Stopford, bereit, sowie starke Kräfte des ANZAC unter General Cox, die gleichzeitig gegen die türkischen Linien bei Ariburnu antreten sollten. Am 21. August setzte nach zweistündiger Artillerievorbereitung der Angriff der Alliierten ein – doch auch dieser wurde erfolgreich abgewiesen.

Am 29. August 1915 besuchte Admiral Souchon die Gallipoli-Front und berichtete davon nach Hause: „Gestern war für mich ein großer Tag. Ich habe mir auf Gallipoli den Kampfplatz angesehen und die Maschinengewehrabteilung der Flotte im Schützengraben besucht. Nachts war ein starker engl. Angriff mit schätzungsweise 10.000 Mann Verlust für den Gegner zurückgeschlagen worden, während meiner Anwesenheit war nur noch schwaches Artillerie- und Maschinengewehrfeuer im Zentrum der Ariburnustellung und abends indirekte Beschießung des türk. Ausschiffungsplatzes mit schweren Schiffsgeschützen, so habe ich endlich einmal einen Eindruck vom Stellungskampf des Landkrieges bekommen. Ich wäre am liebsten im Schützengraben geblieben, um all die Abenteuer mit durchzufechten [...] Die Türken schlagen sich hervorragend. Das 27. Regt. liegt seit 4 Monaten im täglichen Kampf, ohne je abgelöst worden zu sein, hat 41 Offiziere und über 4.000 Mann verloren (für die es natürlich immer wieder aufgefüllt worden ist). Die Leute sehen gesund und kräftig aus, älter als bei uns die Soldaten gewöhnlich aussehen. Sie sind gut gekleidet und tragen fast ausnahmslos gutes englisches Schuhzeug. Kapt. Rohde berichtet, dass die türk. Soldaten nachts einzeln und ohne Gewehr im Vorgelände zu pirschen pflegen, um engl. Stiefel, Gewehre, Geld und dergl. zu erbeuten, die man ihnen überlässt. Auf diese Weise bringen sie auch oft verwundete und unverwundete Gegner mit. General v. Liman traf ich zuversichtlicher Stimmung. Er sprach von den taktischen Fehlern des Gegners und der Minderwertigkeit seines Ersatzes.“[xli]

In dieser Zeit waren die Kräfte in Ariburnu und an der Nordfront weiter durch die Landungsabteilung verstärkt worden. Oberleutnant z. S. Krülls schrieb über die Kämpfe im Norden: „ Zur Landungs-Abteilung der Flotte auf Gallipoli kommandiert, fuhr ich am 27.ten August 1915 nach den Dardanellen und übernahm am 30. August die Maschinen-Gewehr Abteilung von Herrn Oblt z. S. Boltz auf dem Düs Tepe bei Ari Burnu. Es waren 4 Masch. Gewehre in Stellung in vordersten Schützengräben, welcher sich auf dem Kamme des Düs Tepe, dem äussersten Bergrücken nach dem ägäischen Meere zu, hinzog. In Feuerleeseite des Bergrückens, etwa 10 Minuten vom Schützengraben entfernt, befand sich unser Lager. Die englischen Gräben lagen gegenüber auf den niedrigeren Hängen, sich nach Ari Burnu zu unseren Gräben stellenweise auf 20 bis 30 Meter nähernd. Bei unseren Masch.Gewehren betrug die Entfernung durchschnittlich 300-600 Meter.“[xlii]

Der im August mit fünf Divisionen[xliii] unternommene Versuch der Alliierten, die Entscheidung an den Dardanellen zu erzwingen, war fehlgeschlagen. Obgleich die Entente-Armee jetzt 13 Divisionen umfasste, hatte sie nichts weiter gewonnen als eine Frontverlängerung um etwa zwölf Kilometer. Seit Ende August bestand die türkische 5. Armee aus der Süd-, Nord- und Anaforta-Gruppe. Auf asiatischer Seite blieben nur schwache Kräfte. Die 5. Armee umfasste vorübergehend 22, später 17 Divisionen, zählte aber selbst zur Zeit ihrer größten Stärke infolge hoher Ausfälle nicht mehr als 120 000 Mann. Um sie der Verantwortung im rückwärtigen Bereich zu entlasten, wurde die Sicherung der Landenge von Bulair der 1. Armee übertragen. Ende August flauten die Kämpfe weietr ab und die Fronten verhärteten sich im Stellungskampf. Mit Ende des Sommers wuchsen auch die Probleme des türkischen Ersatzes und Nachschubes. Der notwendige Schutz gegen Nässe und Kälte verlangte bessere Unterbringung, Verpflegung und warme Bekleidung, die jedoch nicht ausreichend bereitgestellt werden konnte. Die Ausstattung mit schwerer Artillerie erhöhte sich hingegen beträchtlich durch Abgabe aller an anderen Stellen verfügbaren Geschütze. Im September wurde die Front am Kireç Tepe, dem Höhenzug ganz im Norden, durch die Landungsabteilung weiter verstärkt, wozu insbesondere weitere personelle Unterstützung aus Deutschland angefordert wurde.

Die Landungsabteilung war Ende August 1915 in drei Detachements eingeteilt: Detachement A unter Oberleutnant z. S. Boltz mit vier Gruppen bei der 14. Division, Detachement B unter Leutnant z. S. Wodrig mit vier Gruppen bei der 12. Division am Ismailoğlu Tepe und das Detachement C unter wechselnder Führung am Keretsch Tepe. Diese Gliederung wurde im Oktober in nur zwei Detachments geändert. In einem Fernschreiben vom 13. September 1915 der MMD nach Berlin hieß es: „Ausgeschiffte Maschinengewehr-Abteilung der Mittelmeer-Division rund 270 Köpfe eingriff energisch auf 3 gefährdeten Stellen verteilt mit besonderem Erfolg in letzten Kämpfen auf Gallipoli. Armeeleitung bat dringend um Belassung. Ersatz zahlreicher durch Feind und Krankheit eingetretener Verluste auf die Dauer nicht möglich ohne unzulässige Schädigung schwimmender Streitkräfte. Bitte daher heraussenden einschliesslich 15 M.G.-Schützen: 10 Bootsmannsmaate, 3 Feuerwerksmaate, 97 Matrosen, 3 Artilleriemechaniker Obergasten. Ausbildung Geländedienst und Maschinengewehr erwünscht. Mannschaften reichlich Unterkleidung und kräftige Schnürstiefel mitgeben weil hier nicht erhältlich. Divisionschef. Humann.“[xliv] Oberleutnant z. S. Krülls wurde im Norden als neuer Führer des dortigen Detachements eingesetzt. Er schrieb darüber: „Nach langem Hin- und Herreiten ohne Karte und Führer durch das schluchtenreiche Gebirge erreichte ich endlich am 18.ten Sept. nachmittags das Lager der Kiretsch Tepe Abtlg. und übernahm das Kommando von Herrn Leutnant Aliy. Vom Lager zu unseren Stellungen hatte ich etwa dreiviertel Stunden zu marschieren, immer in Sicht des Feindes und durch keinerlei Zugangsgraben gegen feindliches Feuer geschützt. Während ich auf dem Düs Tepe gut ausgebaute Gräben vorgefunden hatte, gab es hier nichts dergleichen sondern nur aus losem Gestein aufgeschichtete Wände, welche gegen Sicht schützten. Nur in den Schluchten gab es auf kleinen Strecken dürftige Grabenstücke. Der Mangel an richtigen Gräben war auf die felsige Bodenbeschaffenheit und die geringe Pionierausrüstung zurückzuführen. Unsere Stellung verlief quer zum Rücken des Kiretsch Tepe, auf der Höhe, dann im rechten Winkel nach Norden parallel zur Küste des ägäischen Meeres umbiegend. Bei meiner Ankunft befanden sich nur zwei M.G. in Stellung. Ich liess alsbald mit den vorhandenen Mitteln neue Stände herstellen und zunächst vorne ein drittes, in den Buchten von Grass Masserlik und Klein Masserlik je ein M.G. gegen etwaige Landungsversuche der Engländer und im Lager ein M.G. gegen Flugzeuge aufstellen. Die fehlenden Leute erhielt ich teils von Kilia Tepe, teils von dem türkischen Regiment 126. Da die Unterkunft der Mannschaften in lose aufgeschichteten Steinhöhlen ungenügend war, liess ich die dienstfreien Leute mit dem Bau grösserer Hütten aus Steinen und Lehm beginnen. Allerdings machte die Beschaffung des notwendigen Holzes grosse Schwierigkeiten. Aus diesem Grunde konnte auch an die Herstellung von splittersicheren Unterständen gar nicht gedacht werden.[...] Um im Gefecht die Munitionszufuhr und die schnelle Ausführung von kleinen Reparaturen zu sichern, wurde mit vieler Mühe direkt hinter der Feuerlinie ein Munitions- und Reparaturunterstand gebaut, der in der Folge ausgezeichnete Dienste leistete; er war so gelegen, dass er von allen M.G. auch im Gefecht schnell und sicher zu erreichen war. Bei dem vollkommenen Mangel an Unteroffizieren hatte ich alle Hände voll zu tun, um die verschiedenen Arbeiten zu beaufsichtigen und für die Verpflegung zu sorgen. Natürlich konnten die Arbeiten in der vorderen Linie wegen des feindlichen Feuers nur nachts ausgeführt werden. Ich liess späterhin nach Rücksprache mit dem Divisionskommandeur zwei M.G. weit vor der vordersten Linie aufstellen, einerseits um die feindlichen Stellungen besser zu flankieren, anderseits des moralischen Einflusses auf die türkischen Leute wegen, welche mehr Vertrauen zu ihren Stellungen bekamen und nun ihrerseits begannen, sich durch Sapper weiter vorzuarbeiten. Auch hier auf dem äussersten rechten Flügel der Anafarta-Stellung beschoss der Feind regelmässig vier bis fünf Mal täglich unsere Stellungen und Verbindungswege. Es beteiligten sich an dieser Beschiessung meist die Landbatterien, zwei in der Suvlabucht liegende Linienschiffe und ein Monitor und ein grosser Zerstörer vom Norden her, sodass wir stets im doppelten Feuer lagen. Die feindliche Infanterie verhielt sich hier durchweg ruhiger als bei Ari Burnu. Die Tätigkeit beschränkte sich auf nächtliche Handgranatenangriffe von unserer Seite und Maschinengewehr -Duelle. Infolge der vielen türkischen Artilleriestellungen zwischen Anafarta und Kiretsch Tepe machte sich eine sehr lebhafte Fliegertätigkeit des Feindes bemerkbar, welche auch wiederholt das Lager bombardierten. Die Flugzeuge hielten sich stets in ziemlicher Höhe, für M.G. meist nicht erreichbar. Unter Ungeziefer hatten wir hier nicht so sehr zu leiden wie auf dem Düs Tepe; auch die Fliegenplage begann mit dem Eintreten kühlerer Witterung erträglicher zu werden. Am 27.ten Sept. abends eröffneten die Engländer nach einem Handgranaten-Angriff von Seiten der Türken ein äusserst heftiges Artilleriefeuer auf unsere Stellungen, woran sich alle Schiffe bei Ari Burnu, in der Suvla-Bucht und im Golf von Saros beteiligten. Auf dem Weg nach vorne wurde ich auf freiem Felde von Granaten und Schrapnells förmlich eingedeckt, ohne Schaden zu nehmen. Hinterher folgte ein Infanterieangriff auf der ganzen Linie vom Kiretsch Tepe bis zum Ismail Tepe, der aber glänzend abgeschlagen wurde. Die Engländer hatten ziemlich starke Verluste. Durch einige von den Türken gemachte Gefangene erfuhren wir, dass sich unter dem uns gegenüberliegenden Engländer bereits Teile der neuen Kitchener-Armee befanden. Am 29.ten wiederholten die Engländer den heftigen Feuerüberfall, ohne jedoch hinterher zum Sturmangriff anzusetzen. Ein M.G.-Stand und der Munitions-Unterstand wurden leicht beschädigt durch Artillerietreffer und bald wieder ausgebessert. In den folgenden Tagen nahm die Artillerietätigkeit des Feindes immer mehr zu und richtete leichtere Schäden in den Stellungen und Zugangswegen an. Auch die Fliegertätigkeit nahm zu; es gelang uns jedoch nicht, ein Flugzeug durch unser M.G. herunterzuholen. Aber auch die Türken zeigten eine erhöhte Artillerietätigkeit und erzielten durch nächtliche Handgranatenangriffe unterstützt durch unsere M.G. gute Erfolge.“[xlv]

In dieser Phase erkrankte Mustafa Kemal an Malaria und war durch Krankheit aber auch physische Erschöpfung stark geschwächt. Als am 24. September Enver Paşa die Truppen in Gallipoli inspizierte aber Kemals Hauptquartier aussparte und ihm keinen Besuch abstattete, war Kemal zutiefst getroffen und reichte am 27. September ein Rücktrittsschreiben an Liman von Sanders ein. Sanders versuchte ihn zunächst durch den Einfluss anderer türkischer Kameraden wieder davon abzubringen[xlvi], was aber erfolglos war. In einem Schreiben an Kriegsminister Enver Paşa versuchte von Sanders nun die Kluft zwischen Enver und Kemal zu überbrücken und stellte am 30. September 1915 ein sehr lobendes Zeugnis für Mustafa Kemal aus: „Euer Exzellenz beehre ich mich anzuzeigen, daß Oberst Mustapha Kemal Bey durch schriftliches Gesuch seine Verabschiedung erbeten hat. Ich kann dieses Gesuch nicht befürworten, da ich Oberst Mustapha Kemal als einen besonders fähigen, tüchtigen und tapferen Offizier kennen- und schätzengelernt habe, dessen Dienste das Vaterland in diesem großen Kriege durchaus braucht. Kemal Bey hat seit der ersten Landung vor 5 Monaten mit Auszeichnung an der Spitze der 19. Division gefochten, und bei der letzten großen Landung der Engländer auf dem Anaforta-Flügel im schwierigen Augenblicke das Kommando übernehmen müssen, da der hierzu bestimmte Kommandeur des XVI. Armeekorps den wiederholt gegebenen Befehl zum Angriff mit der 7. und 12. Division nicht ausführte. Oberst Mustapha Kemal Bey hat auch hier seine Aufgabe mit großer Tapferkeit und mit guten, klaren Anordnungen gegeben, so daß ich ihm wie dies meine Pflicht war – wiederholt meine Anerkennung und Dank ausgesprochen habe. – Oberst Mustapha Kemal Bey will ausscheiden, weil er glaubt, das Vertrauen Euer Exzellenz, des Vize-Generalissimus’ der Kaiserlichen Armee, seines höchsten Vorgestzten, nicht zu besitzen. Er glaubt dies besonders daraus zu ersehen, daß Euer Exzellenz ihn bei der letzten Anwesenheit nicht aufgesucht haben, obgleich er krank war und noch krank ist, während Euer Exzellenz die Führer der drei anderen Gruppen mit dem Besuch beehrt haben. Ich habe Oberst Mustapha Kemal Bey ausgesprochen, daß der Besuch nur aus Mangel an Zeit unterblieben ist, und daß Euer Exzellenz sehr wohl seine Leistung anerkennen. – Euer Exzellenz bitte ich, das Abschiedsgesuch, das ich vorläufig nicht beifüge, unter dem Ausdruck Euer Exzellenz Vertrauen, gütigst ablehnen wollen. – Euer Exzellenz stets sehr ergebener Liman von Sanders.“[xlvii] Trotz eines Telegrammes von Enver Paşa, in welchem er Mustafa Kemal Wünsche zur Besserung schickte und versuchte, die Zeitnot seines Besuches zu erläutern, antworte Kemal am 4. Oktober, dass er sich zwar für die Genesungswünsche bedanken aber doch lieber an einem Ort dienen würde, wo seine Dienste besseren Nutzen finden könnten[xlviii].

Kemal wurde jedoch kein ihn befriedigender Posten angeboten und auch sein Verhältnis zu Liman von Sanders verschlechterte sich zunehmend. Er beschwerte sich weiterhin beim türkischen Hauptquartier, dass es zu viele Deutsche um ihn herum gäbe und dass er sich einmal genötigt sah, einen deutschen Offizier zurückzuschicken, der zur 11. Division kommandiert worden war. In einem anderen Fall weigerte sich Mustafa Kemal, einen türkischen Offizier, der einen Befehl eines deutschen Offiziers verweigert hatte, an General von Sanders für eine kriegsgerichtliche Verhandlung zu überstellen. Major Izzettin schrieb über die Situation zwischen den beiden: „Diese Vorfälle schafften Missverständnisse und Kälte zwischen den beiden Kommandeuren und führten zur Abreise von Mustafa Kemal nach Istanbul unter dem Vorwand eines medizinischen Attestes.“[xlix] Am 10. Dezember 1915 reiste Oberst Mustafa Kemal endgültig nach Istanbul ab.

Die Gefechte in dem nördlichen Frontabschnitt hielt auch im Oktober an, wovon Oberleutnant z. S. Boltz berichtete: „Die Gefechtstätigkeit war beim Det. I. seit Ende Oktober gering. Die türk. Schützengräben, in welchen unsere Maschinengewehre einzeln und oft in weiten Abständen von einander aufgestellt waren, lagen 200 bis 800m von den engl. Gräben entfernt. [...] Die Truppe hatte in den Gräben hauptsächlich durch Haubitz- und täglich fast regelmäßig eine halbe Stunde lang unter Schiffsfeuer zu leiden. Die Verluste waren hierbei nicht groß, wenn nicht zufällig ein Volltreffer in den Graben schlug. Der Feind schoß mit zahlreichen M.G. recht häufig. Unsere Gewehre antworteten, so bald sich ein lohnendes Ziel bot. Tägl. wurden von jedem Gewehr einige Kasten Munition verfeuert und zwar meist während der Dunkelheit. Unangenehm machten sich auch die feindl. Gebirgsgeschütze bemerkbar, die sehr geschickt in dem gebirgigen Gelände aufgestellt waren. Sowie eins unserer M.G. seine Stellung durch Feuer verraten hatte, waren blitzschnell einige Schuß da, die meistens gut gezielt waren, aber auch nur dann Wirkung hatten, wenn sie Volltreffer waren. Die 19. Inf.Div. hatte im November und Dezember durch das feindl. Feuer und in den vorgeschobenen Gräben, welche stellenweise nur 5m von den englischen entfernt waren, auch durch Bomben einen Tagesverlust von 40-50 Mann. Unsere deutschen M.G. hatten dank der guten Schutzvorrichtungen, und weil sie Glück gehabt haben nur einige Leichtverwundete zu verzeichnen. Anders lagen die Verhältnisse beim Det. II. in Keretsch-Tepe (Kalkberg) im Bereich der 11. türk. Inf.Div. unmittelbar am rechten Flügel der türk. Stellung. Führer war zunächst der wegen Mangel an Seeoffizieren von der V. Armee zur Verfügung gestellte Oblt. Keiner von der Fuß.Art., welcher später durch Oblt z. S. Raspel von S. M. S. Goeben ersetzt wurde. Als Arzt stand ihm Dr. Hiltmann zur Seite. Der Feind unterhielt hier eine rege Feuertätigkeit und konnte während der Nacht seine Gräben immer näher an die türk. Stellungen heranschieben, weil das Gelände von den türk. Gräben aus nicht eingesehen werden konnte. Er gewann also andauernd an Raum. Die türk. Gräben waren hier recht mangelhaft, da sie einerseits vor der Landung der Engländer am 6. August nicht ausgebaut waren, und andererseits der felsige Grund und Boden Erdarbeiten oft nur mit Hilfe von Dynamitsprengungen möglich machte. An letzterem war natürlich wie an allem Material in der Türkei großer Mangel bis die Flotte damit aushalf. Es mangelte auch an Material zum Ausbau der M.G.-Stellungen und Stände. Die 11. Inf.Div. hatte selbst nicht genug für den eigenen Bedarf. Die Basisstation Kilia-Tepe war 6-7 Marschstunden vom Det. entfernt und hatte gerade in der Zeit des Ausbaues der Stellungen Mangel an Transportmitteln, sodaß von hier aus nur in geringem Maße helfend eingegriffen werden konnte. Es war oft schwer, auch nur den nötigen Proviant an die Front zu schicken. Täglich wurden auch hier von jedem Gewehr einige Kasten Munition verschossen. Die Antwort war stets heftiges gegnerisches M.G.-Feuer, welches meist aus der Flanke kam. Außerdem hatte die Mannschaft in den Gräben viel unter schwerem Schiffsfeuer von den Monitoren, den Kreuzern der Juno-Klasse und von englischen Torpedobootszerstörern sowie unter dem Feuer der Landbatterien zu leiden. Die Verluste bei der 11. Inf.Div. waren größer, als bei der 19. Div. Das M.G.-Detachement II. hat im November und in den ersten Tagen des Dezembers trotzdem es auch hier nicht zur Abwehr eines Angriffs gekommen ist, an Toten 5 Mann und an Verwundeten 6 Mann verloren. Das Detachement hat auf Anregung des deutschen Div.-Kommandeurs, Oberstleutnant Willmer, welcher uns in jeder Hinsicht half, soviel er konnte und die deutschen M.G.'s in seiner Verteidigungsabsicht für unersetzlich hielt, die Zeit benutzt, türk. Infanteristen am M.G. auszubilden. Hierzu wurden aus den 3 Regimentern der Division intelligente Leute ausgesucht, ausgebildet und mit erbeuteten englischen M.G. ausgerüstet. Es entstanden so zwei neue türk. M.G.- Kompagnien zu je 6 Gewehren, sodaß zusammen mit den deutschen 6 Gewehren jedem der drei Infanterie-Regimenter eine M.G.Kompagnie zugeteilt werden konnte. Alle drei M.G. Kompagnien sollten dem deutschen Detachements-Führer unterstellt werden. Wenn auch diese Organisation bis zum Abzuge der Engländer auch nicht ganz zur Durchführung gelangt ist, so bildeten die neuen M.G.'s einen äußerst wertvollen Zuwachs der Verteidigungskraft.“[l] Weiterhin berichtete er über die Arbeiten zum Bau von Unterkünften für die Landungsabteilung. Dazu wurden direkt hinter der Front Steinhäuser gebaut und vor allem die hygienischen Verhältnisse verbessert, um den bedenklichen Gesundheitszustand der deutschen Soldaten zu verbessern. Diese Arbeiten waren durch den Mangel an Baumaterialien und dem Fehl an Transportmitteln allerdings sehr eingeschränkt.  Heute lassen sich von dieser Siedlung nur noch die Fundamente am Osthang des Kilia Tepe erahnen, wirkliche Überreste sind nicht mehr zu finden. Eine wichtige Rolle spielte der natürliche Hafen in der Bucht von Kilia, dessen Schutz ebenfalls der Landungsabteilung übertragen wurde: „Im Hafen von Kilia wurden oft Dampfer mit Proviant für die V. Armee gelöscht. Da der Hafen von Kilia-Tepe aus gut übersehen werden konnte, trat die Etappeninspektion der V. Armee wiederholt an die Abteilung mit der Bitte heran, diese wertvollen Dampfer gegen U-Boote zu schützen. Außer einem von der Festung überlassenen S. K.-Geschütz stellte Exz. V. Liman der Landungsabteilung zu diesem Zweck Feldgeschütze und einen Scheinwerfer zur Verfügung. Eins davon wurde als Flugabwehrgeschütz hergerichtet und traf fast täglich.“[li]

Obwohl schon im November 1915 Mutmaßungen über den Abzug der Alliierten getroffen wurden, wollten die türkischen Verteidiger diesen Zeitpunkt nicht abwarten und planten eine Offensive. Heeresleitung und Armeeführer stimmten überein, dass dieser Gegenangriff möglichst bald zu führen sei. Auch General von Falkenhayn bezeichnete, als er am 24. November in Orsova mit Enver Paşa zusammentraf, die „Säuberung“ von Gallipoli als nächste und dringendste Aufgabe. Dieser Angriff sollte gründlich vorbereitet und vor allem durch genügend Artilleriegeschütze und Munition unterstützt werden. Technische Truppenteile und 20 schwere Batterien wurden neben erheblichen Munitionsmengen für die bereits eingesetzte Artillerie angefordert und durch die Obere Heeresleitung auch zugesagt. Auch für die Landungsabteilung wurde Verstärkung erbeten, wie aus einem Telegramm vom 26. November 1915 nach Berlin hervorgeht: „Für bevorstehende Kämpfe Gallipoli ist Eingreifen unserer Maschinengewehre unerlässlich, erbitte wenn irgendmöglich 2 körperlich widerstandsfähige Offiziere für Landungskorps wo häufig Ausfälle. Gegebenenfalls auch geeignete Reserveoffiziere.“[lii] Höhere Befehlshaber der Artillerie und Pioniere waren aus Deutschland angereist, um sich mit den Besonderheiten des Kriegsschauplatzes vertraut zu machen. Mitte November und Anfang Dezember landeten zunächst zwei österreichisch-ungarische schwere Batterien an. Auch die ersten deutschen Munitionslieferungen trafen in Istanbul ein, nachdem durch den Feldzug gegen Serbien endlich Transporte auf dem Landweg erfolgen konnten[liii]. Es vergingen aber bei der schwierigen Verbindung durch Serbien Wochen, bis alle angeforderten Verbände verlegt waren. Inzwischen wurden einige Divisionen der 5. Armee nacheinander aus der Front abgezogen, um für ihre neue Aufgabe besonders geschult zu werden. Dennoch – zu der alles entscheidenden, finalen Schlacht sollte es nicht mehr kommen, wie später zu zeigen sein wird.

 

 

 

[i] AA/PA, Türkei 142, R 13333, Erfahrungen aus dem Einsatz des Pionierkommandos vom 28.8.1915

 

[ii] AA/PA, Türkei 142, R 13332, Liman von Sanders, 18.8.1915

 

[iii] Sanders, Fünf Jahre Türkei, S. 103

 

[iv] AA/PA, Türkei 142, R 13334, Telegramm 2254, Militärmission an Auswärtiges Amt vom 4. Oktober 1915

 

[v] Kannengiesser, Gallipoli, S. 121

 

[vi] Kannengiesser, Gallipoli, S. 146

 

[vii] Kannengiesser, Gallipoli, S. 127

 

[viii] Lorey, Der Krieg in türkischen Gewässern, S. 127

 

[ix] BA/MA, RM 40 / 440 Gefechtsberichte der Landungsabteilung

 

[x] AA/PA, Türkei 142, R 13333, Militärmission vom 26. September 1915

 

[xi] Sanders, Fünf  Jahre Türkei, S.104

 

[xii] Sanders, Fünf  Jahre Türkei, S.106

 

[xiii] AA/PA, Türkei 142, R 13331, Telegramm Fürst Hohenlohe an General von Falkenhayn vom 25. Juli 1915

 

[xiv] Sanders, Fünf  Jahre Türkei, S.106

 

[xv] Sanders, Fünf  Jahre Türkei, S.107

 

[xvi] Sanders, Fünf  Jahre Türkei, S.107

 

[xvii] AA/PA, Türkei 142, R 13332, Telegramm 248, Gesandter Pless an Auswärtiges Amt vom 1. August 1915

 

[xviii] AA/PA, Türkei 142, R 13332, Telegramm 251, Gesandter Pless an Auswärtiges Amt vom 1. August 1915 im Anschluß an Telegramm 248

 

[xix] Sanders, Fünf  Jahre Türkei, S.108

 

[xx] Schmiterlöw, Aus dem Leben des Generalfeldmarschalls Freiherr von der Goltz-Pascha, S. 191

 

[xxi] Robert Rhodes James, Gallipoli, S. 245

 

[xxii] Robert Rhodes James, Gallipoli, S. 255

 

[xxiii] Sanders, Fünf  Jahre Türkei, S. 109

 

[xxiv] Kannengiesser, Gallipoli, S. 173

 

[xxv] Kannengiesser, Gallipoli, S. 177

 

[xxvi] BA/MA RM 40 / 440, Verlustliste Landungsabteilung

 

[xxvii] Patton, The Defense of Gallipoli, S. 54

 

[xxviii] Sanders, Fünf  Jahre Türkei, S. 110

 

[xxix] Sanders, Fünf  Jahre Türkei, S. 111

 

[xxx] BA/MA RM 5 / 2356

 

[xxxi] Sanders, Fünf  Jahre Türkei, S. 112

 

[xxxii] Guse, Die Türkei, S. 164

 

[xxxiii] BA/MA, W 10 / 51475, Brief  Willmer an von Sanders

 

[xxxiv] BA/MA, W 10 / 51475, Brief Sanders an Mühlmann

 

[xxxv] Das Ehrenbuch der Deutschen Schweren Artillerie, S. 276

 

[xxxvi] Das Ehrenbuch der Deutschen Schweren Artillerie, S. 277

 

[xxxvii] Das Ehrenbuch der Deutschen Schweren Artillerie, S. 278

 

[xxxviii] Corbett, British Naval History, S. 104

 

[xxxix] Sanders, Fünf  Jahre Türkei, S. 114

 

[xl] Kannengiesser, Gallipoli, S. 191

 

[xli] BA/MA, N 156 / 11, Admiral Wilhelm Souchon: Privatkorrespondenz mit Ehefrau Violet

 

[xlii] BA/MA RM 40 / 440, Gefechtsberichte Landungsabteilung

 

[xliii] Engl. 10., 11. 13 I.D., Inf. der 53. und 54. Terr.Div

 

[xliv] BA/MA RM 5 / 2357

 

[xlv] BA/MA RM 40 / 440, Gefechtsberichte Landungsabteilung

 

[xlvi] Mango, Atatürk, S. 153

 

[xlvii] Metger/Goltz, Von Konstantinopel nach Ankara, S. 143

 

[xlviii] Mango, Atatürk, S. 154

 

[xlix] Mango, Atatürk, S. 155

 

[l] BA/MA, RM 40 / 440, Gefechtsberichte Landungsabteilung

 

[li] BA/MA, RM 40 / 440, Gefechtsberichte Landungsabteilung

 

[lii] BA/MA, RM 5 / 2358

 

[liii] Mit der Einnahme von Nisch am 5. November war die Öffnung des Schienenweges über Sofia nach der Türkei gesichert. Die Verbindung zur Türkei mit der Eisenbahn wie auf dem Wasserwege war frei und damit der Zweck erfüllt, um dessentwillen die deutsche Oberste Heeresleitung den Feldzug gegen Serbien begonnen hatte. Aus IX. Band „Die Operationen des Jahres 1915“ aus der Reihe„Der Weltkrieg 1914-1918“, S. 254

AM II, 160 AMS "Pepita-Marsch" (von 1820)

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