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Die Militärmission Liman von Sanders

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Um den Bestand des labilen Osmanischen Reiches nach dem verlorenen Balkankrieg zu sichern, war die Wiederherstellung der türkischen Verteidigungsfähigkeit aus Sicht der neuen Machthaber dringend geboten. Erneut entschied sich die türkische Führung dazu, für diese Aufgabe die bewährte Hilfe deutscher Offiziere in Anspruch zu nehmen. Kurz nach dem Januarumsturz 1913[i] äußerte sich Mahmut Şefket Paşa, der schon vorher als Vermittler deutsch-osmanischer Waffengeschäfte aufgetreten war und zusätzlich die Funktion des Kriegsminister ausübte, gegenüber Cemal Paşa, einem der führenden Männer des jungtürkischen Komitees und späterem Marineminister, wie folgt: „Was unsere Armee betrifft, so glaube ich, dass wir uns den Methoden der Deutschen nicht mehr verschließen können. Seit mehr als dreißig Jahren haben wir in unserer Armee deutsche Instruktoren, unser Offizierkorps ist durchaus nach den deutschen militärischen Methoden erzogen worden, unsere Armee ist mit dem Geiste deutscher Erziehung und deutscher Instruktion auf das engste vertraut. Dies jetzt zu ändern, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Ich habe daher die Absicht, eine deutsche Militärmission großen Stils kommen zu lassen und selbst, falls dies notwendig sein sollte, das Kommando eines türkischen Armeekorps einem deutschen General anzuvertrauen, an die Spitze einer jeden Einheit desselben deutsche Stabs- und Subalternoffiziere zu stellen und auf diese Art ein Musterarmeekorps zu stellen.“ [ii] Großwesir[iii] Mahmut Şefket Paşa war persönlich an der Neugestaltung der äußeren Beziehungen zu den europäischen Mächten, aber auch an der Ordnung der inneren Verhältnisse gelegen. So beschäftigte er sich auch intensiv mit der Frage der Reorganisation von Armee und Flotte. Die britische Marinemission, nun unter Admiral Limpus und eine französische Mission zur Ausbildung und Reorganisation der Gendarma waren bereits eingesetzt und sollten auf Anweisung Şefket Paşas die Arbeit noch intensivieren. Seine Absicht war es, die verschiedenen Abteilungen des Kriegsministeriums, den Generalstab, die Militärschulen und Waffenfabriken zu reorganisieren. Er wollte die Armee in ihrem Umfang verringern, aber qualitativ verbessern. Durch diese Reduzierung des Personalumfanges sollten die Kosten für die Neuorganisation gedeckt werden. Dazu nahm der Großwesir Gespräche mit Botschafter Baron von Wangenheim und dem Militärattaché Major Strempel auf.

Am 26. April 1913 machte Şefket Paşa Wangenheim ausführlich mit seinem innenpolitischen Programm bekannt. Es sah eine Aufgabenteilung zwischen den europäischen Nationen bei der Reorganisation nahezu aller Bereiche des osmanischen Staates vor. Dem Deutschen Reich sollte die Reform des Heeres und des Unterrichtswesens zugedacht werden, wozu Şefket unterstrich: „Für die Reorganisation der Armee rechne ich bestimmt auf Deutschland. Dies ist der wichtigste Punkt meines Programms. Die Armee muss von Grund auf reformiert werden. Dazu wird die Tätigkeit von Instruktionsoffizieren, wie sie jetzt hier und da als bloße Ratgeber in unsere Organisation eingeschoben sind, nicht genügen.“[iv] Die besondere Stellung Deutschlands bei der Reorganisation des osmanischen Staates wurde von Şefket Paşa gegenüber von Wangenheim noch einmal im Mai 1913 unterstrichen. Demnach sollte die Reform der Armee „unter der fast diktatorischen Oberleitung eines deutschen Generals“ erfolgen. Diese Annäherung zwischen der Türkei und Deutschland wurde argwöhnisch von den anderen europäischen Mächten beobachtet. Gegenüber kritischen Äußerungen von außen wurde die türkische Haltung zwar verteidigt, jedoch opportunistisch verbrämt. So berichtete Botschafter Morgenthau über ein Gespräch mit dem damaligen Innenminister und einflussreichsten Mitglied der jungtürkischen Bewegung, Talat Paşa: „Bei diesem Treffen sagte Talat mir offen, dass die Türkei sich für Deutschland entschieden hat und mit ihnen schwimmen oder untergehen wird. Er redete wieder vertraute Dinge and fügte hinzu, daß wenn Deutschland gewinnen würde – und er sagte, daß er davon überzeugt ist, daß Deutschland gewinnen wird – würde der Kaiser Rache an der Türkei nehmen, wenn man nicht zur Erringung dieses Sieges beigetragen hätte. Talat gab offen zu, daß Angst eines der Hauptmotive wäre, das die Türkei zu einer Allianz mit Deutschland treiben würde. In diesem Moment sagte Talat, ‚ist es unser Interesse mit Deutschland verbündet zu sein; wenn es in einem Monat in unserem Interesse liegt mit Frankreich oder England zu paktieren, werden wir das auch sofort tun.’ ‚Russland ist unser größter Feind’, fuhr er fort, ‚und wir fürchten es. Wenn wir jetzt, während Deutschland Russland angreift, ihm einen guten kräftigen Tritt geben können und es dadurch kraftlos zu machen, uns für einige Zeit zu bedrohen, ist es die Pflicht der Türkei, diesen Tritt zu tun.’ Und dann drehte er sich zu mir und fasste die Situation mit einem halb melancholischen – halb süffisanten Lächeln mit dem Satz: ‚Ich mit die Deutschen’ in seinem gebrochenen Deutsch zusammen.“ [v] Das Anliegen des Großwesirs, aber auch des jungtürkischen Komitees traf auf die deckungsgleichen Interessen Berlins. Die wirtschaftlichen Investitionen, vor allem der Bau der Bagdadbahn, mussten gesichert werden. Botschafter Wangenheim erklärte hierzu: „Deutschland, welches die Türkei erhalten will, hat daher nach meiner unmaßgeblichen Ansicht ein hervorragendes Interesse daran, die Reformbestrebungen Mahmud Şefket zu unterstützen."[vi] Ein wichtiger strategischer Gedanke bei Einrichtung der Militärmission war die Möglichkeit, die Türkei im Falle eines europäischen Krieges zum Waffenbruder zu gewinnen, da in Berlin bereits 1913 die Gefahr eines aufziehenden Zweifrontenkrieges gesehen wurde. Die Türkei hätte man in einem solchen Fall als Flankenmacht Russlands im Kaukasus nutzen können, um diesen potentiellen Gegner Deutschlands dort zu schwächen, Truppen zu binden und Russland seinerseits an zwei Fronten zu binden[vii].

Dass ein deutsches Interesse an einer Reorganisation der türkischen Armee mittels deutscher Instrukteure bestand, hatte noch einen weiteren Grund. Für die Niederlage der türkischen Armee im Balkankrieg wurden nach wie vor in der internationalen Presse und von jungtürkischer Seite die deutsche Wehrtechnik, mit der die türkische Truppe ausgerüstet war, sowie die von der deutschen Militärmission geleitete Armeereform und Ausbildung verantwortlich gemacht[viii]. Wahrscheinlich standen hinter dieser Kampagne auch die Interessen der anglo-französischen Rüstungskonzerne im Wettstreit gegen Krupp. Dennoch hatte diese Pressekampagne auch ihre politischen Folgen. Wenn Deutschlands Prestige auf dem militärischen Gebiet wegfallen würde, könnten auch andere Bereiche der deutsch-türkischen Beziehungen Schaden nehmen. Insbesondere die deutschen Bahnbauten wären damit akut gefährdet gewesen[ix]. Botschafter Wangenheim sah in einer erneuten Berufung einer deutschen Militärmission die beste Möglichkeit, die Kritiker der deutschen Ausbildung zum Schweigen zu bringen. Auch gelte es, der Bereitschaft anderer Mächte, an Deutschlands Stelle zu treten, entgegenzuwirken[x]. Die offizielle Anfrage der Türkei nach Entsendung eines deutschen Generals zur Reorganisation der Armee erfolgte schließlich am 22. Mai 1913. Auf deutscher Seite entschied man sich für den Kommandeur der 22. Division in Kassel, Generalleutnant Liman von Sanders, dessen Person nicht unumstritten war. In seinen Referenzen hieß es, er sei „ein vorzüglicher Divisionskommandeur, der sich für diese Stellung nach jeder Richtung hin besonders eignen würde. [...] [Er] ist eine elegante militärische Erscheinung, von gewandten Formen und militärisch vielseitig gebildet. Er gehörte lange Jahre dem Generalstabe an und ist in den verschiedensten Stellungen der Armee mit bestem Erfolge tätig gewesen.“[xi] Baron von Wangenheim urteilte hingegen, dass von Sanders seiner Meinung nach nicht geeignet war und spottete, man hätte mit von Sanders „als Chef einer Militärmission unter allen in Betracht kommenden Generälen zweifellos den politisch ungeeignetsten herausgefunden. [...] Liman ist wegen Mangel an Takt aus der höheren Generalstabskarriere ausgeschieden worden“. Daraus folgerte er ironisch: „Das scheint ihn für die hiesige Stellung, die einen ganz besonderen Takt erheischt, prädestiniert zu haben.”[xii] Limans Untergebener, General Kreß von Kressenstein, charakterisierte ihn als unfähig, sich fremden Verhältnissen anzupassen und sich auch nur einigermaßen in die Gedankenwelt des Orientalen einzufühlen. Liman sei „selbstbewusst und eitel, temperamentvoll und jähzornig, misstrauisch und empfindlich.“[xiii] Und sogar Limans Adjutant, Carl Mühlmann, der in seinen Veröffentlichungen zu den Kämpfen bei Gallipoli die Leistungen des deutschen Oberbefehlshabers uneingeschränkt unterstrichen hatte, war selber mehr als unglücklich, mit ihm zusammenarbeiten zu müssen. So schrieb er während der Kämpfe auf der Halbinsel an seine Eltern über die Gründe, eine Truppengeneralstabsverwendung zu bekommen und damit seine Adjutantenstellung bei von Sanders aufgeben zu können: „Das alles aber ist nicht die Hauptsache; die Hauptsache ist, dass ich nicht mehr in der unmittelbaren Umgebung von L. bin. Ihr wisst, ich wollte immer von ihm fort; entweder hatte ich, wie Ihr wisst von unserem Zusammensein im letzten August, einen unwahren Grund angeben müssen oder es wäre zu einem Krach gekommen, wobei ich leicht in die Lage des Undankbaren gekommen wäre u. der mir in meiner militärischen Zukunft sehr geschadet hätte [...] Ach, lieb Vati u. Mutti, Ihr wisst nicht, wie schwer diese nahezu 1 ½ Jahre bei L. waren. Hätte ich nicht ein so glückliches Temperament, ich hätte es nicht ausgehalten; diese ewigen Krachs mit Kriegsminister, Bronsart, Botschafter, die fortgesetzten Reibungen der Tochter mit den Familien der Mil. Mission, seine Nervosität im Auto u. zu Pferde, seine kolossalen Ansprüche in bezug auf Verpflegung, Unterbringung in diesem doch unkultivierten Lande, kurz, lieb Vati u. Mutti, Ihr könnt mir glauben, es war nicht leicht.“[xiv] General von Seekt urteilte über General Liman von Sanders: „Unglücklicher konnte die Wahl des Chefs der Militärmission kaum ausfallen. In Deutschland für die Führung eines Armeekorps nicht geeignet befunden, sollte er die Neubildung der gesamten türkischen Armee übernehmen. Schlimmer konnte man gar nicht die Gleichgültigkeit gegen ihre Entwicklung betonen oder eingestehen, dass man den Grundsatz bei uns nicht verstanden hatte, dass zur Vertretung einer starken Nation im Ausland der Beste gerade gut genug war. General von Liman war in der deutschen Armee bekannt genug, um die besten abzuschrecken, unter ihm zu dienen.“ [xv] Liman von Sanders schrieb später, dass offensichtlich nicht die gesamte Heeresleitung hinter der Entscheidung zur Entsendung der Militärmission stand und bemerkte: „Als ich mich Anfang Dezember 1913 bei Generaloberst v. Moltke abmeldete, sagte er mir ungefähr Folgendes: ‚Ich verstehe nicht, warum wir eine Militär-Mission nach der Türkei senden. Angesichts des Zustandes dieser Armee, der doch nicht zu helfen ist, ist dies ganz nutzlos. – Ich habe zum wenigsten in den Contrakt aufnehmen lassen, dass Sie alle im Falle eines Krieges zurückberufen werden können.’ – Ich habe dem Generaloberst damals erwidert, daß ich auf die Berufung gänzlich ohne Einfluß gewesen sei, und mich auch nicht dorthin gemeldet habe.“[xvi]

 

Im Laufe des Oktobers 1913 billigten der Kaiser, die zuständigen militärischen Stellen und das Auswärtige Amt sowie der osmanische Ministerrat den Vertragsentwurf, so dass Liman von Sanders den Vertrag im November 1913 in Berlin unterzeichnen konnte und er schrieb selber dazu: „Die Tätigkeit der Militärmission sollte eine streng militärische sein. Der Wortlaut des Kontraktes ergibt dies in voller Klarheit. Die von vielen Seiten und Schriften und Zeitungen gemachten Angaben, dass die deutsche Militärmission sich auch politisch betätigen sollte, ist ganz unzutreffend. Dass sie nach außen hin als politischer Faktor wirkte, liegt auf einem anderen Felde. Der Entschluss zu ihrer Entsendung muss als politischer Entschluss angesprochen werden, weil er auf der längst vorher begonnenen Türkenpolitik basierte“. Weiter führt er über ein Gespräch mit dem Kaiser aus, der ihm bei einer Audienz Ende November 1913 sagte: „Ihnen muss es ganz gleich sein, ob die Jungtürken oder die Alttürken an der Herrschaft sind. Sie haben nur mit der Armee zu tun. Bringen Sie die Politik aus dem türkischen Offizierkorps heraus. Das Politisieren ist sein größter Fehler.“[xvii] Carl Mühlmann sah jedoch die politische Wirkung der Militärmission als den entscheidenden Punkt, als er schrieb: „Das angestrebte Ziel, die Heranbildung einer schlagkräftigen Waffe, trat aber aus dem Rahmen einer rein militärischen Angelegenheit heraus und erhielt starke politische Bedeutung. Denn die Ertüchtigung der Armee war gleichbedeutend mit einer Erstarkung der Türkei, größerer deutscher Einfluss auf die Armee hob auch den politischen Einfluss Deutschlands in Konstantinopel. Die Frage der Armeereorganisation durch Deutschland rollte also das Türkenproblem auf; sie nötigte die Großmächte, zu dieser Frage sowohl vom Standpunkt ihrer Orient-, als auch vom Standpunkt ihrer Deutschlandpolitik Stellung zu nehmen."[xviii] Ob bei der geheimen Abschiedsaudienz am 9. Dezember für das erste Kontingent der Militärmission im Neuen Palais in Potsdam tatsächlich weitgesteckte politische Absichten des Kaisers für eine angebliche „Germanisierung“[xix] der Osmanischen Armee geäußert wurden, ist mehr als fraglich. Von Sanders berichtete über den Inhalt dieser Audienz lediglich: „Der Kaiser hielt uns eine kurze Ansprache, in der er uns ans Herz legte, die Ehre des deutschen Namens im Auslande hochzuhalten und nur unseren militärischen Aufgaben zu leben.“[xx] Nach den schlechten Erfahrungen der vergangenen Missionen, deren Erfolg als sehr mäßig eingestuft wurde, hatte die deutsche Seite nun auf einer effektiveren Militärmission mit weitreichenden Befugnissen bestanden um eine wirkliche Kräftigung und Reorganisation der Truppe zu erreichen. Dazu willigte die türkische Seite auch ein[xxi] und im einzelnen wurde General von Sanders als Chef der Militärmission folgendes zugesichert: „Er wird stimmberechtigtes Mitglied des Obersten Kriegsrates und muss zu allen Fragen der Armee und Verteidigung angehört werden. Er ist außerdem direkter Vorgesetzter sämtlicher Militärschulen, Lehrregimenter und ausländischer Offiziere im Heer. Die einheitliche Truppenausbildung nach deutschem Muster ist hiermit abgesichert worden. Während seiner Dienstzeit darf der General weitere ausländische Offiziere engagieren oder sie absetzen und unter seinem Befehl stehende Kaiserlich Ottomanische Offiziere können nur mit seinem Einverständnis an andere Stellen versetzt werden. Auch wählt er Offiziere für die Ausbildung in Deutschland aus. General der Kavallerie Liman von Sanders rangiert unmittelbar hinter dem Kaiserlich Ottomanischen Kriegsminister, außer wenn der Generalstabschef dienstälter ist. Der deutsche General ist somit zweit- oder dritthöchster Offizier der türkischen Armee. Weiterhin hat der General volles Besichtigungsrecht aller militärischen Einrichtungen und Truppenteile. Seine Aufgabe ist die theoretische Aus- und Fortbildung aller türkischen Generalstabsoffiziere.“[xxii]

 

Am 14. Dezember 1913 traf Liman von Sanders mit den ersten zehn Offizieren in Istanbul ein. Trug man bei der Abreise noch die preussischen Kopfbedeckungen, waren diese unterwegs, offensichtlich als Zugeständnis zum neuen Dienstherrn, durch den türkischen Fez getauscht worden. Insgesamt waren 42 Offiziere für die Mission vorgesehen, die im Laufe der ersten Monate des nächsten Jahres eintrafen. Bis zum Ausbruch des Krieges wurde die Mission weiter auf 71 Mitglieder erhöht[xxiii]. Von Sanders war vom Kaiser ein persönliches Budget in Höhe von jährlich einer Million Reichsmark zur Verwendung nach eigenem Ermessen zur Verfügung gestellt worden[xxiv]. Er hatte sich auf diese Tätigkeit durch Lesen der Berichte früherer deutscher Reformer vorbereitet. Ihm war daraus deutlich geworden, dass es schwierig werden würde, durchgreifenden Einfluss in der türkischen Armee zu bekommen, aber auch, dass offensichtlich bislang zuviel Theorie und zu wenig Praxis in der Ausbildung des türkischen Heeres durchgeführt worden sei. Er wollte nunmehr durch persönliches Einwirken auf die Truppenausbildung auf Grundlage deutscher Vorschriften schnelle Fortschritte erzielen. Sein Eintreffen in Istanbul beschrieb von Sanders: „Am Vormittag des 14. Dezember trafen wir in Istanbul ein. Auf dem Bahnhof Sirkedji empfing uns dröhnende Militärmusik [...] zahlreiche höhere türkische Offiziere, allen voran der vortreffliche Kriegsminister Izzet Pascha, und die in Istanbul aus früherer Zeit anwesenden deutschen Offiziere waren erschienen [...] Zu unser aller Erstaunen war die deutsche Botschaft beim Empfang der Militärmission gar nicht vertreten.“ [xxv]

Bereits einige Tage später wurde Liman von Sanders beim Sultan Mehmet Raşa[xxvi] vorgestellt, wobei Kriegsminister Izzet Paşa als Dolmetscher fungierte. Die Entsendung der mit derart umfangreichen Kompetenzen ausgestatteten deutschen Militärmission war selbst in türkischen Kreisen sehr umstritten. Man beugte sich lediglich den politischen und wirtschaftlichen Zwängen und sah die deutsch-türkische Zusammenarbeit offensichtlich lediglich unter pragmatischen Gesichtspunkten, aber mit wenig Begeisterung. Nach der Ermordung des Großwesirs Mahmut Şefket Paşa am 11. Juni 1913 hatten sich die Machtverhältnisse geändert. Als neuer Großwesir wurde Prinz Said Halim Paşa ernannt und im neuen Kabinett Talat Paşa als neuer Innenminister bestellt, der zumindest Vorbehalte gegenüber der deutschen Militärmission hatte, da er eher frankophil geprägt war. So soll sich Talat Paşa gegenüber Botschafter Morgenthau geäußert haben, dass man Deutschland nutzen wollte – genau so wie Deutschland vor hätte, das Osmanische Reich ausnutzen zu können. Ein Vertreter des amerikanischen Botschafters hielt in einem Memorandum die folgende Konversation mit Talat Paşa fest: "Warum übergeben Sie die Führung des Landes an die Deutschen?’ bezugnehmend auf die Deutsche Militärmission. ‚Sehen Sie nicht, daß das ein Teil des deutschen Planes ist die Türkei zu einer deutschen Kolonie zu machen – sollen wir etwa ein weiteres Ägypten werden?’ Talat antwortete:’Wir verstehen sehr genau, dass dies das deutsche Programm ist. Wir wissen auch, daß wir dieses Land nicht alleine auf die eigenen Beine stellen können. Daher nehmen wir den Vorteil der technischen und materiellen Unterstützung an, den uns Deutschland zur Verfügung stellen kann. Wir sollten Deutschland nutzen um uns beim Aufbau und der Verteidigung des Landes zu helfen bis wir in der Lage sind uns aus eigenen Kräften zu regieren. Wenn dieser Tag kommt können wir die Deutschen innerhalb von 24 Stunden verabschieden."[xxvii] Einer der größten Kritiker der Armeereform unter deutscher Leitung war jedoch Mustafa Kemal, der an seine Kameraden appellierte: „Es ist eine Torheit, den Deutschen die Kontrolle der Armee zu gestatten, die doch die eigentliche Grundlage unserer nationalen Existenz ist und, im Falle eines Unglücks, der einzige Garant unseres Überlebens. Sind denn die Türken nicht fähig, ihre Armee selbst zu reorganisieren? Die Zuflucht zu den Preußen ist eine Kränkung für jeden einzelnen von uns.“[xxviii]

 

Kemal versuchte, das Triumvirat Talat, Cemal und Enver umzustimmen, was ihm aber nicht gelang. Stattdessen fiel er damit lediglich besonders bei Enver Paşa in Ungnade. Nach dem Tode von Şefket Paşa war Izzet Paşa zum Kriegsminister ernannt worden. Er teilte den Standpunkt seines Vorgängers bezüglich der deutschen Unterstützung und unter seiner Leitung wurde im Kriegsministerium der die Mission betreffende Vertrag vorbereitet und abgeschlossen. Von Sanders kannte Izzet aus dessen Dienstzeit als Offizier bei den Kasseler Husaren und von den Gelegenheiten, als er ihn in die Aufgaben als Generalstabsoffizier eingewiesen hatte. Doch Izzets Macht war begrenzt und sein Posten als Kriegsminister wurde von seinem schärfsten Widersacher, dem damals erst 32 Jahre alten Enver Paşa im Januar 1914 übernommen. Dieser Wechsel war offensichtlich von Enver erzwungen worden, Liman von Sanders bedauerte das ausdrücklich und schrieb später: „Im Januar 1914 erschien Izzet Paşa eines Tages nicht auf dem Kriegsministerium, in welchem auch die Geschäftszimmer der Militärmission lagen, und liess sagen, daß er krank sei. Ich besuchte ihn am nächsten Morgen in seinem Konak und hörte von ihm selbst, dass er demissionieren müsse.“ [xxix]

 

Envers Reputation seitens der deutschen militärischen Führung war ambivalent. Enver Paşa war ein bekannter Freund preußischer Tugenden und militärischer Errungenschaften. Er hatte viele Jahre in Deutschland, unter anderem um 1908 als Militärattaché in Berlin verbracht und sprach fließend Deutsch. Er schien völlig „preussifizert“ und war von der Effektivität deutscher Ausbildung, Verfahren und Waffen überzeugt. Er sah sich selber als eine Mischung zwischen Napoleon und Friedrich dem Großen, deren beider Bildnisse hinter seinem Schreibtisch hingen. Er wurde von den Diplomaten in Istanbul trotzdem nicht als ein besonderer „Deutschenfreund“[xxx] eingeschätzt, sondern als ein Pragmatiker und türkischer Patriot, der mit deutscher Unterstützung die militärische Stärke seines Landes zurückgewinnen wollte. Envers deutsch-freundliche Ausrichtung wurde geschätzt und genutzt, aber seine militärischen Fähigkeiten wurden kritisch gesehen. So schrieb von Hindenburg, der Enver mehrmals in Deutschland erlebt hatte: „Bei aller hohen Auffassung vom Kriege im allgemeinen entbehrte Enver Pascha aber doch einer gründlichen militärischen, ich möchte sagen, Generalstabsschulung. Ein Nachteil, der augenscheinlich bei allen türkischen Führern wie auch in ihren Stäben zu finden war. Es machte den Eindruck, als wenn bei den Orientalen in dieser Beziehung ein von der Natur gegebener Mangel vorliege.“[xxxi]

 

Die heftigste Reaktion auf die Ernennung der Liman-Mission kam jedoch aus Russland und führte zwischen dem 20. November 1913 bis Mitte Januar 1914 zu einer ernsten aussenpolitischen Krise. In Petersburg wurde die Nachricht von der Ernennung Limans als provokative Negierung nationaler Vorrechte und Interessen Russlands aufgefasst. Der Punkt, der neben den weitgehenden Rechten des Generals und der deutschen Militärmission den größten Konfliktstoff bot, war die Unterstellung des I. Türkischen Armeekorps als zukünftiges Musterkorps unter das Kommando von Liman von Sanders. Die Zuteilung des Korps war nicht Bestandteil des Vertrages, sondern wurde durch einen Erlass des Sultans am 7. Januar 1914 verkündet. Dieses Korps war in und um Istanbul stationiert und somit nicht nur für die Hauptstadt, sondern auch für den strategisch wichtigen Bereich der Meerengen zuständig. Komplikationen mit England und Frankreich, die einen steigenden deutschen Einfluss auf die Türkei befürchteten, waren ebenso vorprogrammiert, wie die heftigen russischen Reaktionen vorhersehbar waren. Liman von Sanders jedoch betonte in seinen Memoiren die unpolitischen Hintergründe der Kommandoübernahme. So wäre es reine Zweckmäßigkeit gewesen, „ein praktisches Beispiel für kriegsmäßige Ausbildung in der Landeshauptstadt zu schaffen, an dem die türkischen Offiziere lernen konnten."[xxxiv] Ihm ginge es nur darum, durch unmittelbare Einwirkung auf die Truppe diejenigen praktischen Fortschritte herbeizuführen, die seinen Vorgängern durch die fehlende Praxisnähe versagt blieben. Die weiteren Geschehnisse lassen diese Behauptung des Generals durchaus glaubwürdig klingen. Tatsache war aber, dass, ungeachtet der persönlichen militärischen Interpretation des Generals die russische Seite zutiefst beunruhigt war. Von Lucius, der deutsche Geschäftsträger in Petersburg, informierte das Auswärtige Amt am 11. November 1913 darüber, dass es „Russland nicht gleichgültig sei, wenn beispielsweise die Dardanellen stark befestigt würden und Geschütze, die 20 Kilometer das Schwarze Meer bestreichen könnten, am Eingang hierzu aufgestellt würden. Derartige Befestigungen auf Ratschlag deutscher Offiziere aufgeführt, könnten doch bloß gegen Russland gerichtet sein.“[xxxv] Tatsächlich existierten diese Pläne zur Befestigung Istanbuls und der Meerengen unter deutscher Anleitung und natürlich mit Geschützen deutscher Herstellung[xxxvi]. Aber auch die französische Seite witterte den strategischen Versuch seitens Deutschlands „der Besitzergreifung der Türkei durch die Dreibundmächte“[xxxvii] und sah die Gefahr, bei der sich immer noch abzeichnenden Aufteilung des Osmanischen Reiches ins Hintertreffen zu geraten. In einem Telegramm des französischen Botschafters in Istanbul vom 30. November 1913 hieß es: „Der Zerfall der Türkei hat bereits begonnen oder beginnt und Deutschland nimmt mit Hilfe der ottomanischen Regierung Positionen ein, die ihm alle Vorteile bei der Aufteilung sichern.“[xxxviii]

 

Eine diplomatische Offensive von russischer Seite mit dem Ziel eines gemeinsamen Vorgehens aller Entente-Mächte gegen die besondere Stellung von General von Sanders stieß auf britische Bedenken. Die deutsche Seite hätte nämlich erwidern können, dass England ebenfalls eine Militärmission unterhielt, die von ihrer Zahl und ihren Vollmachten der deutschen Militärmission gleichkäme[xxxix]. Der britische Admiral Sir Arthur H. Limpus war nicht nur Marineberater, sondern auch Oberbefehlshaber der türkischen Flotte. Die Verteidigung der Meerengen zur See lag somit völlig in der Hand eines britischen Admirals und England musste befürchten, bei zu heftigen Angriffen auf die Stellung General Limans auch den eigenen Einfluss einzubüßen[xl]. In diesem Zusammenhang war von britischer Seite sogar an eine Abberufung von Admiral Limpus gedacht worden, um dieses Argument Deutschlands im Vorfeld zu entkräften - eine Idee, die jedoch später wieder verworfen wurde. Der britische Militärattaché beurteilte Limans Kommando über das I. Armeekorps zudem als ein Hindernis für den deutschen General bei der Reorganisation der Truppe, da er hier an zu viele organisatorische Sachzwänge gebunden sei, die bei einer reinen Beraterstellung wegfallen würden[xli]. Diesem Argument konnte sich die deutsche Seite inhaltlich durchaus anschließen. In einem Privatbrief vom 17. Dezember 1913 an den Staatssekretär im Auswärtigen Amt von Jagow gab Wangenheim freimütig zu, von Anfang an gegen das Kommando gewesen zu sein, da es die Beratertätigkeit Limans zu sehr behindern würde. Auch sei das Korpskommando nicht der wirkliche Grund für die russischen Proteste. Vielmehr befürchte Russland die militärische Erstarkung der Türkei, die Konsolidierung der dreibundfreundlichen Jungtürkenherrschaft als Folge der Militärmission und den unkontrollierten Einfluß Deutschlands: „Die russische Opposition richtet sich daher gegen die deutsche Mission im allgemeinen. Wäre Liman nicht zum kommandierenden General des hiesigen Korps ernannt worden, so hätten die Russen einen anderen Punkt unseres Programms herausgegriffen, um daran ihren Protest anzusetzen. Es ist ein glücklicher Zufall, daß das effektive Kommando in Konstantinopel gerade derjenige Punkt ist, auf welchen wir am leichtesten verzichten können. Ich war von vornherein gegen das Kommando.“[xlii] Es ging der deutschen Seite nicht um die unmittelbare, gegen Russland gerichtete Inbesitznahme der Meerengen, sondern darum, langfristig den deutschen Einfluss in der türkischen Armee und somit im Osmanischen Reich zu sichern. Daher bestand die Bereitschaft Deutschlands, schließlich auf das Korpskommando als offiziellen Stein des Anstoßes zu verzichten. Die jedoch immer noch zögerliche Haltung der deutschen Regierung zu dieser Frage, wurde nicht nur von der russischen Seite als „Doppelsinnigkeit und unzweifelhafte Unaufrichtigkeit der deutschen Staatsmänner in der Frage der Stellung des deutschen Generals, der zum Kommandeur des I. türkischen in Konstantinopel stationierten Armeekorps ernannt ist“[xliii], interpretiert. In Petersburg wurden nun Sanktionierungsmassnahmen durchdacht, mit denen man die türkische Regierung unter Druck setzen konnte. Die Überlegungen, möglicherweise Orte in Kleinasien zu besetzen, wären jedoch nicht ohne ein gemeinsames Handeln mit England und Frankreich durchzusetzen gewesen. Diese Solidarität wurde jedoch ebenso wenig erwartet, wie auch die Gefahr kalkuliert wurde, dass Deutschland als Antwort darauf umfassende miltärische Hilfe nach Istanbul entsenden würde. Ein Nachgeben in dieser Frage hätte allerdings eine Schwächung Russlands im Ansehen der britischen und französischen Bündnisspartner und damit erheblichen Gesichtsverlust bedeutet[xliv]. Notwendig war nun ein Weg, der weder die deutsche noch die türkische Seite demütigte, nicht als Zeichen der Schwäche zu interpretieren gewesen wäre und den General von Sanders nicht als persönliche Niederlage verstanden hätte. Die Lösung war, Liman von Sanders zum türkischen Marschall zu befördern. Wangenheim begrüßte diesen Kompromiss und zeigte sich bereits am 23. Dezember 1913 dem Auswärtigen Amt gegenüber zuversichtlich: „Die Stellung Limans werde stärker und unangreifbarer werden, wenn derselbe nach einiger Zeit das Kommando des Korps niederlege und sich ausschließlich der Reorganisationsaufgabe widme."[xlv] Das einfache Korpskommando war seinem neuen Dienstgrad unangemessen und musste somit fallengelassen werden und durch die Beförderung war kein Prestigeverlust entstanden. In seiner neuen Stellung wurde er am 10. Januar 1914 zum Generalinspekteur der türkischen Armee ernannt[xlvi]. Während der deutsche General darin nichts Besonderes sah, da er vorher schon als Chef der Militärmission das Recht hatte, alle Truppen und Festungen zu besichtigen, zeigten sich die verantwortlichen deutschen Diplomaten hocherfreut[xlvii].

 

Für Russland war nun endgültig die Entscheidung gefallen, mit allen Mitteln das historische militärstrategische Ziel – die Beherrschung der Meerengen – zu erwirken. Zar Nikolaus II. kommentierte im Dezember 1913: „Ich erachte fortgesetzt als vornehmste Bedingung der ruhigen Entwicklung Südrußlands die unbedingte Übermacht der russischen Schwarzen-Meer-Flotte über die türkische Flotte. Deshalb erwächst für uns die Notwendigkeit außerordentlicher Anstrengungen, künftig diese Übermacht im Schwarzen Meere zu erreichen.“[xlviii] Allerdings waren die russischen militärischen Kräfte zu jener Zeit noch nicht ausreichend, um dieses Ziel auch durchzusetzen. Auf jeden Fall aber musste nach Aussage des russischen Marineministers verhindert werden, dass die beiden durch die Türkei in England in Auftrag gegebenen und im Bau befindlichen Linienschiffe in das Schwarze Meer gelangen dürften. Diese würden den Türken nicht nur „eine große moralische Kraft“[xlix] geben, sondern eine russische Operation gegen die Meerengen weiter verhindern. Insgesamt kam man zu der Auffassung, dass die eigenen militärischen Mittel erst um 1916 ausreichend wären, um gegen die Türkei antreten zu können.

 

Unterdessen war von deutscher Seite noch zu entscheiden, wer der Generalsstabschef der Militärmission werden sollte. Zunächst sollte die Wahl auf den bereits in osmanischen Diensten befindlichen Major von Lossow fallen, den von Wangenheim jedoch ablehnte, „da die Türken unter aller Anerkennung der militärischen Leistungen Lossow’s an seinem schroffen Wesen Anstand nehmen und da alles darauf ankommt, daß besonders in der ersten Zeit eine Persönlichkeit, in welcher die Türken alles Vertrauen haben, zwischen der Mission und den höheren türkischen Stellen vermittelt.“[l] Daher sollte der bisherige Militärattaché, Major von Strempel, diesen Posten übernehmen, dessen Rolle jedoch auch nicht unkritisch gesehen wurde, da er offensichtlich zu gute Kenntnisse über die Interna der bisherigen Missionen kannte. Wangenheim schrieb: „Ich habe Anlaß zu vermuten, daß einige der jetzigen Reformer, die ihr bequemes Leben fortsetzen möchten, gegen Herrn von Strempel intrigieren.“[li] Aus Berlin wurde zudem erwogen, dass sich die engen Beziehungen, die von Strempel zu der jungtürkischen Führungsspitze entwickelt hatte, bei einem möglichen Regierungswechsel nachteilig auswirken könnten und man ihn dann nicht als Militärattaché in Istanbul belassen könnte. Dennoch wollte man ihn in die Militärmission einbinden und der Kaiser selbst gab die Zustimmung zur Verwendung des Militärattachés in der Mission. Als Strempel im Januar 1914 zum Oberstleutnant befördert wurde, schlug von Sanders vor, ihn wieder nach Deutschland zurückzusenden. Von Sanders war offensichtlich das gute Verhältnis des ehemaligen Militärattachés zu den führenden osmanischen Persönlichkeiten unangenehm und er wollte ihn wieder loswerden. Während die Botschaft für den Verbleib von Strempels intervenierte, forderte der Missionschef am 23. Februar von Kaiser Wilhelm II. die endgültige Abberufung Strempels, da dieser die Mission angeblich zu sehr in Verbindung mit der Jungtürkischen Partei gebracht und ihr deshalb geschadet hätte. Von Strempel hätte sich, so von Sanders: „von den anderen Mitgliedern der Militärmission zu sehr isoliert, andererseits mit einer gewissen Eigenmächtigkeit über den Kopf des Generals hinweg gehandelt zu haben.“[lii] Die Beurlaubung von Strempels führte zu Aufsehen im diplomatischen Korps in Istanbul und zu der Beurteilung, dass die Militärmission ihren fähigsten Kopf verloren hätte. Dieses Beispiel war nur der Anfang einer anhaltenden Rivalität zwischen der Militärmission und der diplomatischen Vertretung und führte auch in der Folge während des Krieges zu großen Reibungsverlusten durch Kämpfe um Kompetenzen, Einfluß und persönliche Eitelkeiten. Die Miltärmission wurde zudem vom türkischen Militär als ein lästiger Fremdkörper empfunden, was nicht verwundert, da bereits im März 1914 alle wichtigen Stellen im türkischen Generalstab und im Kriegsministerium unter deutscher Kontrolle standen. Um diese Ablehnung aufzuweichen, sollten türkische Offiziere nach Deutschland gesendet werden, um sich dort im Zuge von Truppenkommandos „ein Bild über die Absichten und Ziele der Militär-Mission machen können, der sie jetzt zum größten Teile verständnislos und daher innerlich ablehnend gegenüber stehen.“[liii]

 

An dieser Stelle bleibt festzuhalten, dass General von Sanders offensichtlich eine sehr polarisierende Persönlichkeit war und der dienstlichen Notwendigkeiten stets den Vorrang gegenüber diplomatischen Gepflogenheiten und Finessen gab. Er war ein energischer, kompromissloser und damit häufig unbeliebter Vorgesetzter. Trotzdem hat er sich, was an späterer Stelle belegt wird, als der richtige und geeignete Truppenführer herausgestellt, um einerseits die deutsche Militärmission aufzubauen und zu führen, aber andererseits auch die operativen Notwendigkeiten gegenüber den türkischen Widerständen durchzusetzen und damit die Verteidigung der Halbinsel Gallipoli erfolgreich zu planen und zu führen. Davon sollten auch die harschen Urteile über das wenig versöhnliche Wesen von Sanders nicht hinwegtäuschen.

 

 


 

[i] Am 23. Januar 1913 stiftete Enver Paşa einen Putsch gegen die Regierung und den amtierenden Großwesir Kamil Paşa an und setzte Mahmut Şefket Paşa danach als Großwesir ein.

 

[ii] Cemal Paşa, Erinnerungen, S. 67 ff.

 

[iii] Vergleichbare Stellung eines Kabinettchefs

 

[iv] Fischer, Krieg der Illusionen, S. 485 ff

 

[v] Morgenthau, Kapitel XI

 

[vi] Wangenheim an Bethmann Hollweg, 26.April 1913, GP 38, Nr.15439, S. 200 ff

 

[vii] Der Weltkrieg 1914 – 1918, Bd. 9, S. 167

 

[viii] Schulte, Vor Kriegsausbruch 1914, S. 32 ff

 

[ix] Mühlmann, Deutschland und die Türkei 1913-1914, S. 5 ff

 

[x] Wallach, Anatomie einer Militärmission, S.125

 

[xi] Römer, Die deutsche und englische Militärhilfe für das Osmanische Reich, S. 77

 

[xii] Wallach, Anatomie einer Militärmission, S. 137

 

[xiii] Wallach, Anatomie einer Militärmission, S. 137

 

[xiv] BA/MA, W 10 / 51475, Eigene Aufzeichnungen Mühlmann

 

[xv] Wallach, Anatomie einer Militärmission, S. 137

 

[xvi] Liman von Sanders, Brief an das Reichsarchiv, 11. August 1924

 

[xvii] Sanders, Fünf Jahre Türkei, S. 11

 

[xviii] Mühlmann, Deutschland und die Türkei 1913-1914, S. 4

 

[xix] Fischer zitiert aus russischen  Quellen, die angeblich belegen, dass der Kaiser der Militärmission auftrug eine „Germanisierung“ der Türkei zu betreiben und eine „neue starke Armee“ für ihn (den Kaiser) zu schaffen. Fischer, Krieg der Illusionen, S. 486 ff

 

[xx] Sanders, Fünf Jahre Türkei, S. 12

 

[xxi] Mühlmann, Deutschland und die Türkei 1913-1914, S. 3

 

[xxii] Den "Vertrag betreffend die Schaffung einer Deutschen Militär-Mission behufs Reorganisation der Kaiserlich Ottomanischen Armee" dokumentiert Mühlmann, Deutschland und die Türkei 1913-1914, S. 88 ff

 

[xxiii] Mühlmann, Der Kampf um die Dardanellen 1915, S. 15

 

[xxiv] Fischer, Krieg der Illusionen

 

[xxv] Sanders, Fünf Jahre Türkei, S. 12

 

[xxvi] Osmanischer Sultan 1909 – 1918

 

[xxvii] Morgenthau, Kapitel II

 

[xxviii] Jacques Benoist, Mustafa Kemal, S. 115

 

[xxix] Liman von Sanders, Fünf Jahre Türkei, S. 16 ff

 

[xxx] AA/PA, Türkei 142, R 13319, Militär-Bericht 5 vom 24. März 1914

 

[xxxi] Hindenburg, Aus meinem Leben, S.135

 

[xxxii] Morgenthau,  Kapitel II

 

[xxxiii] Mango, Atatürk, S. 142

 

[xxxiv] Liman, Fünf Jahre Türkei, S.14

 

[xxxv] PA/AA, Lucius an AA, 11.Nov. 1913, GP 38, Nr.15447, S.195

 

[xxxvi] Hallgarten, Imperialismus vor 1914, S. 431

 

[xxxvii] Adamow, Die Europäischen Mächte und die Türkei während des Weltkrieges, S. 73

 

[xxxviii] Adamow, Die Europäischen Mächte und die Türkei während des Weltkrieges, S. 74

 

[xxxix] Trumpener, German Military Aid to Turkey, S. 13

 

[xl] Kerner, The Mission of Liman von Sanders, S. 549 und S. 552

 

[xli] Wallach, Anatomie einer Militärmission, S.141

 

[xlii] AA/PA, GP 38, Nr. 15493, Wangenheim an Jagow, 17.Dez. 1913

 

[xliii] Adamow, Die Europäischen Mächte und die Türkei während des Weltkrieges, S. 77 ff, Denkschrift an den Zaren vom 23.12.1913

 

[xliv] Adamow, Die Europäischen Mächte und die Türkei während des Weltkrieges, S. 83 ff

 

[xlv] Wangenheim an AA, 23. Dez. 1913, GP 38, Nr. 15499, S. 273

 

[xlvi] Liman, Fünf Jahre Türkei, S. 16

 

[xlvii] Liman, Fünf Jahre Türkei, S. 16

 

[xlviii] Adamow, Die Europäischen Mächte und die Türkei während des Weltkrieges, S. 95

 

[xlix] Adamow, Die Europäischen Mächte und die Türkei während des Weltkrieges, S. 102

 

[l] Römer, Die deutsche und englische Militärhilfe für das Osmanische Reich, S. 80

 

[li] Römer, Die deutsche und englische Militärhilfe für das Osmanische Reich, S. 81

 

[lii] Römer, Die deutsche und englische Militärhilfe für das Osmanische Reich, S. 93

 

[liii] AA/PA, Türkei 142, R 13319, Militär-Bericht 5 vom 24. März 1914

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AM III, 141 AMS "Althessischer Reitermarsch (1732)

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