Die Schlacht von Gallipoli 1915
Die deutsche Beteiligung
Der Untergang von UB 46
Besatzung von UB 46 am 7. Dezember 1916
Angermeier, Willi, Heizer
Asche, Heinrich, Ober-Heizer
Bauer, Cäsar, Kapitänleutnant
Daur, Albert, F.T. Gast d. Res.
Fiedler, Friedrich, Heizer
Grubert, Georg, Matrose
Hampel, Paulus, Ober-Masch.-Maat
Hempfe, Erich, Heizer
Hoffmann, Albert, O.-Masch. Maat
Imhülsen, George, Ober-Bootsmann
Karkowski, Wilhelm, Ingineur Asp.
Kastens, Willi, Heizer
Lamm, Hermann, Maschinenmaat
Lücken, Eduard, Masch. Maat
Meyer, Peter, Matrose
Möller, Hans, Ober-Heizer
Neiling, Peter, Leutnant z. S.
Oehmig, Alfred, Matrose
Stubbe, Richard, Maschinenmaat
Witt, Otto, Bootsmann-Maat
Leutnant zur See Peter Neiling stand seit dem frühen Morgen des 7. Dezembers 1916 auf dem Turm von UB 46. Nun fuhr er schon seit knapp sechs Monaten als Wachoffizier auf diesem U-Boot aber solch ein schlechtes Wetter mit hohem Seegang hatte er noch nicht oft erlebt. Normalerweise würde man bei solch einem Sturm lieber Strecke in Unterwasserfahrt machen aber heute ging es zurück in den Hafen von Istanbul und das Boot musste durch die Minensperren entlang der Schwarzmeerküste manövrieren und zu einem Treffpunkt mit einem Minensuchboot fahren. Auf der Brücke standen mit ihm noch, obwohl es damit verdammt eng wurde, Bootsmann Maat Otto Witt am Steuerruder, Matrose Georg Grubert und Maschinen Maat Eduard Lücken als Ausguckposten. Es wehte ein lausig kalter Wind und die Gischt der hohen See ließ die Männer trotz der schweren Ölkleidung und Schwimmweste bis in die Knochen frieren. Für das Treffen war eigentlich 08.00 an der äußersten Sperre bei Bekleme vereinbart worden. Über Funk hatte man aber erfahren, dass die als Lotse entsendete JUNUS wegen der schweren See verspätet kommen würde. So hatte der Kommandant, Kapitänleutnant Bauer, der gerade unten in der Kommandozentrale den Kurs berechnete, mit der Minenkarte verglich und den Funk mitverfolgte, entschieden, dass man mit langsamer Fahrt der JUNUS entgegenfahren wolle. Mittlerweile war Land in Sicht gekommen und die Signalstation Kara Burnu West konnte schon mit bloßem Auge ausgemacht werden. Nun konnte es nicht mehr lange dauern, bis endlich der sichere Bosporus erreicht war und die letzten Seemeilen bei leichterer See zum U-Boothafen in Istanbul geschafft waren. Neiling scherzte schon mit den Männern auf der Brücke, wie man die nächsten Tage der Freiwache in der Stadt zu verbringen gedachte. Auf jeden Fall sollte man Weihnachten an Land sein – welche Vorfreude. UB 46 war zwar erst seit dem 24. November unterwegs aber es war eine unergiebige Fahrt im Schwarzen Meer gewesen. Nur einmal hatte man Anfang Dezember vor Constanza einen russischen Minenleger gesichtet aber war nicht zum Schuss gekommen. Doch Leutnant Neiling und die Männer hatten wenig Zeit sich über die Freiwache zu unterhalten, sondern schauten angestrengt durch die Ferngläser. Kam irgendwo die JUNUS in Sicht oder waren vielleicht losgerissene Minen zu erkennen? Plötzlich gab es eine gewaltige Explosion. Das Boot wurde förmlich in zwei Teile gerissen und sank sofort. Neiling wurde ins Wasser geschleudert und sah noch kurz seine Kameraden neben ihm im Wasser treiben. Aber nach nur wenigen Sekunden hatten sie sich aus den Augen verloren – zu hoch waren die Wellen im Schwarzen Meer. Das Wasser war kalt – sicher nicht wärmer als 10 Grad und Neiling spürte sofort die lähmende Kälte, die in den ganzen Körper kroch. Er sah nicht, dass bei der Signalstation Kara Burnu sofort ein Ruderboot klar gemacht wurde und eine handvoll Männer in Richtung des Ortes der Explosion ruderten. Neiling, ebenso seine Kameraden, die mit ihm auf der Brücke gestanden hatten, konnten in diesem Wetter nur wenige Minuten überleben. Als das Ruderboot nach fast einer Stunde Kampf gegen die Wellen und Strömung an der Stelle ankam, wo jetzt noch Trümmerreste und ein Ölfilm zu sehen war, konnte man nur noch die leblosen Kameraden aus dem Wasser bergen – sie waren an Unterkühlung gestorben. Die übrige Besatzung war, gemeinsam mit ihrem Kommandanten Kapitänleutnant Cäsar Bauer in den Tiefen des Meeres versunken und ebenfalls gefallen.[1]
S.M. (Seiner Majestät) UB 46 gehörte der UB II U-Boot-Klasse an[2]. UB 46 war im Juli 1915 bestellt worden und wurde im September bei der AG Weser Werft in Bremen auf Kiel gelegt. UB 46 war ca. 37 m lang, hatte einen Durchmesser von 4,39 und hatte eine Verdrängung von bis zu 306 BRT – je nach Über- oder Unterwasserfahrt.
Das Boot konnte vier Torpedos mitführen, die aus zwei 50cm-Torpedorohren verschossen werden konnten. Zudem hatte es ein 5cm KL/40 Bordgeschütz.
UB 46 hatte zwei Dieselmaschinen und zwei Elektromotoren, die zwei Propeller antrieben. Damit war eine Geschwindigkeit bei Überwasserfahrt von 8,82 Knoten und 6,22 Knoten bei getauchter Fahrt erreicht werden. UB 46 konnte 27 m3 Diesel bunkern, was dem Boot bei einer Geschwindigkeit von 5 Knoten eine Reichweite von 6.940 Seemeilen ermöglichte (bei 9,3 km/h 12.850 km)
UB 46 war eines von sechs U-Booten (UB 42 – UB 47), die im Mittelmeer eingesetzt werden sollten. Dazu war es nach Fertigstellung wieder in Komponenten zerlegt worden, per Eisenbahntransport nach Pola in Kroatien verbracht und wurde dort wieder von Arbeitern der AG Weser Werft zusammengesetzt. Im Mai 1916 wurde UB 46 zu Wasser gelassen und am 17. Juni in Dienst gestellt. Unter dem Kommando von Oberleutnant zur See Cäsar Bauer, der damit sein drittes Kommando über ein U-Boot übernahm, wurde UB 46 der U-Halbflottille Pola unterstellt. Obwohl die Flottille in Pola stationiert war, der Hauptbasis der österreich-ungarischen Marine, operierten die Boote meistens aus dem Hafen von Cattaro und kehrten nur zu Wartungs- und Reparaturarbeiten nach Pola zurück.
Am 2. August gelang UB 46 mit der Versenkung des japanischen Frachters Kohina Maru in der Nähe von Port Said. Eine Woche später versenkte UB 46 den griechischen Segler Basileios. Am 2. Oktober torpedierte UB 46 die Huntsfall, die mit 4.331 BRT das größte Schiff war, das von UB 46 jemals versenkt wurde. Kurz darauf wurde UB 46 und drei weitere Schwesterboote der Pola U-Flottille nach Istanbul[3] geordert, um die dortige U-Boot Flottille zu verstärken. Dort kam UB 46 am 7. Oktober an, nachdem es zunächst durch die schwer verminte Meerenge der Dardanellen navigieren hatte müssen. Nach kurzer Ausrüstungszeit in Istanbul lief es nach Bulgarien, von wo aus Bauer am 29. Oktober zu seinem ersten Einsatz in das Schwarze Meer startete. Vor Kap Tarkhan versenkte UB 46 am 7. November den kleinen Segler Melani, bevor es am 17. November wieder zur U-Halbflotille im Goldenen Horn in Istanbul zurückkehrte.
Für die Leistungen der gesamten U-Boot Flottille Pola gab es ein besonderes Lob des Kaisers, welches auch der Besatzung von UB 46 bekanntgegeben wurde.
UB 46 lief am 24. November erneut in Richtung Konstanza aus, wo es zehn Tage kreuzte aber keine Ziele antraf. Um schließlich wieder sicher in den Bosporus einlaufen zu können, sollte es am 7. Dezember von einem Minensucher empfangen werden. Um 07.30 h morgens meldete die Signalstation Kara Burnu-West Bauers Boot. Ca. eine halbe Stunde später, kaum 300 Meter vom Ufer entfernt, traf UB 46 auf eine Mine.[4] Es sank langsam mit dem Heck zuerst aber von Land aus wurden noch Überlebende im Wasser gesehen. Bei dem zu der Zeit herrschendem starken Seegang, konnte, trotz eines ausgeschickten Rettungsbootes, niemand gerettet werden[5].
Über die Beobachtungen des zur Abholung entsendeten Minensuchbootes berichtete Lt z.S. Hashagen im KTB der Minensuchdivision: „Heute 5.30 h lief ich auf Befehl der Flotte mit dem TB Junus aus, um UB 46 durch die Westeinfahrt zu lotsen. Um 8 h Vorm. sollte Junus an der äußersten Sperre bei Bekleme stehen. Dieser Zeitpunkt wurde etwa 1 Stunde überschritten, da wegen schwerer See mit der Fahrt heruntergegangen werden mußte. Da das U-Boot nicht zu sehen war, fuhr ich gemäß Befehl bis Kara Burnu entgegen. Querab von Ak Burnu detonierten in 150-200m Entfernung vom Boot, nach B.b., zwei Minen im Seegang. Zwei verhältnismäßig kleine weiße Rauchwolken waren zu sehen. Das Boot wurde stark erschüttert. Die Entfernung des Detonationsortes vom Land schätze ich auf 300-400 m. An der Stelle war starke Grundsee. Als ich nachher auf Befehl der Flotte wieder einlief, sah ich 1 sm westlich von Ak Burnu einen großen Ölfleck, der mir beim Auslaufen nicht aufgefallen war. Das Öl war schon weit über die Wasseroberfläche verbreitet. Ich habe den Ölfleck mit dem Glase nach Wrackstücken abgesucht, aber nichts gefunden. Ich konnte mich nicht lange dort aufhalten, weil ich dort Minen vermutete. Meiner Ansicht nach muß der Untergang des U-Bootes vor 8 h Vorm. erfolgt sein. Darauf weist die weitverbreitete dünne Ölschicht hin.“[6]
Dass nicht alle Besatzungsmitglieder bei dem Untergang im Boot gefangen waren, beweist auch, dass offensichtlich noch im Dezember 1916 / Anfang 1917 sieben Leichen geborgen wurden, die geborgen, bzw. an die Küste angeschwemmt worden waren. Diese konnten identifiziert und auf dem Soldatenfriedhof in Tarabya bestattet werden. Dort wurden sie erstmalig in einer Aufzeichnung von 1927 namentlich genannt und als Besatzungsmitglieder von UB 47 identifiziert – aber dann als solche offensichtlich vergessen.
Die Seeleute von UB 46, die bereits Ende 1916/ Anfang 1917 bestattet wurden, liegen nicht alle direkt nebeneinander. Der Umstand, dass die Gräber nicht direkt aufeinander folgend angeordnet sind, liegt vermutlich daran, dass die Leichname nicht zeitgleich gefunden wurden. So lässt das Grab 66 darauf schließen, dass die ersten vier Leichname gleich nach dem Sinken von UB 46 geborgen werden konnten (Georg Grubert, Peter Neiling, Otto Witt, Eduard Lücken). Die Gräber 74,75 und 77 wurden, wenn man dieser Logik folgt, erst gegen März/April 1917 angelegt, was bedeutet, dass die Toten erst im Frühjahr 1917 geborgen wurden, bzw. aus anderen Gründen erst später bestattet werden konnten.
Heute befinden befinden sich diese Gräber noch an gleicher Stelle aber mit der Numerierung 140 (62) – 155 (77).
Ein großes Wrackteil, der vordere Teil mit Torpedo- und Batteriekompartment von UB 46 wurde nach 77 Jahren, Anfang September 1993, von türkischen Bergleuten in einem Spülfeld wiederentdeckt. Diese Teile wurden von der türkischen Marine geborgen; die restlichen Teile des U-Bootes wurden nicht mehr gefunden.
In einem Dienstreisebericht des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge vom 04. Mai 1994 heisst es dazu: „Das im I. WK am Ausgang des Bosporus zum Schwarzen Meer auf eine Mine gelaufene U-Boot befindet sich (zumindet die vordere Hälfte davon) jetzt im Marinemuseum in Istanbul. Die 2. Hälfte wird noch gesucht. Man hat festgestellt, daß in dem aufgefundenen U-Boot-Teil alle Edelmetalle (Messing, Kupfer) fehlten. Diese wurden wahrscheinlich in der 40-er Jahren (bevor der U-Boot vollständig versandete) geplündert.“[8]
Von den Besatzungsmitgliedern konnten bei der Bergung 1993 nur noch Überreste von zwei Seeleuten geborgen werden. Dazu heißt es: „Bei einem Besuch der türkischen Kaserne in der Nähe des Fundortes des U-Bootes wurden die bei der Bergung des U-Bootes aufgefundenen Gebeine der Bootsbesatzung begutachtet. Es handelte sich nicht (wie von der Botschaft in Ankara mitgeteilt) um die sterblichen Überreste von etwa 20 Besatzungsmitgliedern, sondern lediglich um einzelne Knochen von wahrscheinlich 2 Seeleuten. Es besteht natürlich noch die Möglichkeit, daß bei der Auffindung der hinteren Hälfte des U-Bootes weitere Gebeine geborgen werden und u.U. sogar identifiziert werden können.“[9]
In dem oben zitierten Schreiben heißt es an anderer Stelle: „Für die im U-Boot aufgefundenen Gebeine wurden Einbettungsplätze festgelegt (Einzelgräber, falls Identifizierung möglich ist oder Kameradengrab).“ Diese Äusserung bestätigt, dass man selbst in 1994 nicht realisierte, dass bereits sieben Besatzungsmitglieder in Einzelgräbern auf dem gleichen Friedhof bestattet worden waren. In Unwissenheit dieser Einzelgräber wurde die Einbettung der Überreste der beiden Seeleute vermutlich noch in 1994 durchgeführt. Dieses wurde auch durch den Generalkonsul Dr. Rötker mit Nachdruck betrieben. In dem Dienstreisebericht heißt es: „Dr. Rötker betonte, daß er im Zusammenhang mit der Auffindung des U-Bootes aus dem I. WK an einer offiziellen Einbettungszeremonie noch in seiner Amtszeit interessiert sei. Er geht im Juli, eventuell im August in den Ruhestand.“[10]
Der Friedhofsgärtner Birol Aksark[11] erinnerte sich daran, wie die Überreste der beiden Soldaten in einer Plastiktüte in Tarabya angeliefert wurden. In dieser Tüte brachte er die Knochen zur Grabstelle, wo sie dann schlicht bestattet wurden. Die Tatsache, dass bereits sieben andere Besatzungsmitglieder von UB 46 auf dem Friedhof lagen, war auch ihm damals und bis heute nicht bekannt.
Die Grab-Marmortafel für alle Angehörigen von UB 46 wurde im Januar 1995 bei der belgischen Firma „Renier en Zonen“ in Auftrag gegeben und war bis Juni 1995 verlegt worden.
So sind die sieben Soldaten von UB 46 vermutlich die einzigen Gefallenen, die gleich zwei Gräber auf dem gleichen Soldatenfriedhof haben.
Die Wrackteile von UB 46 wurden zunächst im Marinemuseum in Beşiktaş/Istanbul ausgestellt, wo sie Teil der Aussenaustellung waren. 2008 wurden diese zum Marinemuseum nach çanakkale gebracht, wo sie heute ebenfalls Teil der Aussenausstellung sind. Zudem sollen einige Ausrüstungsgegenstände der Ausgrabung in der historischen Sammlung des türkischen Marinekommandos (T.C. Deniz Kuvetleri, TCDK) in Tuzla zu sehen sein[12].
[1] Diese Beschreibung stammt vom Verfasser und ist nur ansatzweise aus Dokumenten belegt
[2] Die Informationen über die technischen Daten von UB 46 stammen von: http://en.wikipedia.org/wiki/SM_UB-46
[3] Langensiepen, Nottelmann, Krüsmann, Halbmond und Kaiseradler, S. 149
[4] Langensiepen, Nottelmann, Krüsmann, Halbmond und Kaiseradler, S. 151
[6] Langensiepen, Nottelmann, Krüsmann, Halbmond und Kaiseradler, S. 152
[7] Obermatrose Johann Gugat, 21.12.1916
[8] Bericht über Dienstreise nach Tarabya-Türkei von 26.04. bis 29.04.1994, VDK vom 04.05.1994, Seite 1
[9] Bericht über Dienstreise nach Tarabya-Türkei von 26.04. bis 29.04.1994, VDK vom 04.05.1994, Seite 2
[10] Bericht über Dienstreise nach Tarabya-Türkei von 26.04. bis 29.04.1994, VDK vom 04.05.1994, Seite 1
[11] Interview mit dem Verfasser im Juli 2013
[12] Hinweis von Bernd Langensiepen vom 23.06.2012, www.forum-marinearchiv.de