Die Schlacht von Gallipoli 1915
Die deutsche Beteiligung
Rede am 18. März 2015 an der Botschaft der Türkei, Berlin auf Einladung von Botschafter Karsıoğlu. Der Rahmen war eine Veranstaltung für das diplomatische Corps und deutsch-sprachige Gäste aus Anlass des Canakkale-Tages. Das Programm begann mit einer Begrüßungsrede des Botschafters, die von einem kurzen Dokumentarfilm gefolgt wurde. Danach gab die Künstlerin Petra Nachtmanova ein kurzes Konzert mit zwei Stücken auf der Baglama. Beendet wurde die Veranstaltung mit meinem Vortrag.
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Excellenz, sehr geehrter Herr Botschafter Karsıoğlu,
Verehrte Damen und Herren,
Eine Rede zum Anlass des 18. März halten zu dürfen, ist mir eine besondere Ehre und ich bedanke mich sehr herzlich für die freundliche Einladung. Ich habe das Thema: Das deutsch-türkische Bündnis im Ersten Weltkrieg am Beispiel der Schlachten von Çanakkale und Gallipoli genannt, um ihnen eine bislang wenig bekannte Facette dieser historischen Ereignisse näher zu bringen.
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Heute, vor genau hundert Jahren, in den Abendstunden des 18. März 1915, musste Winston Churchill, Erster Sea Lord der Admiralität in London, die bitterste Niederlage der Royal Navy seit Trafalgar (1805) eingestehen. Der von ihm initierte und britisch geführte Angriff einer Flotte von insgesamt 19 britischen und französischen Schlachtkreuzern und Linienschiffen auf die Dardanellen bei Çanakkale endete in einem Desaster. Durch die türkische Küstenartillerie und Minenabwehr wurden zwei britische und ein französisches Schlachtschiff versenkt und drei weitere Schlachtschiffe schwer beschädigt. Dieser alles entscheidende Angriff musste abgebrochen und die Idee eines Durchbruches durch die Dardanellen ausschließlich mit Seestreitkräften verworfen werden. Winston Churchill trat von seinem Posten zurück und diente fortan als Battailonskommandeur an der Westfront.
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Knapp sechs Wochen später – am 25. April 1915 - landeten alliierte Truppen auf der Halbinsel Gallipoli. Das Ziel der überwiegend britischen, französischen, australischen und neuseeländischen Truppen war die Besetzung der Dardanellenufer, um dadurch die Durchfahrt der alliierten Flotte zu ermöglichen. Auch diese Operation endete mit einer Niederlage für die Angreifer und nach nur neun Monaten härtester Gefechte wurde das alliierte Expeditionsheer wieder evakuiert.
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Diese Schlachten sind bis heute im kollektiven Gedächtnis der Türkei, von Großbritannien, Australien und Neuseeland präsent, da sie weit mehr als nur einen militärischen Sieg oder Niederlage bedeuteten. Auf türkischer Seite stach damals der noch junge Oberstleutnant Mustafa Kemal, der spätere Kemal Atatürk und Gründer der modernen Türkei, besonders hervor, da er zwei maßgebliche Operationen der Verteidigung der Halbinsel kommandierte. In Australien und Neuseeland wird mit dem Tag der Landung vom 25. April, dem “ANZAC-Day”, alljährlich der Opfer gedacht und damit auch ein Zeichen der nationalen Identität gesetzt.
Das bei diesen Gefechten auch maßgeblich deutsche Soldaten beteiligt waren – mehr noch – diese Operationen erst durch das Zutun des Deutschen Reiches notwendig wurden, scheint heute vergessen. Daher möchte ich heute die Rolle des türkisch-deutschen Bündnisses auf dem Weg und während der Schlachten von Canakkale und Gallipoli beleuchten.
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Das deutsch-türkische Bündnis hatte seine Ursprünge im 18. Jahrhundert, als bereits einzelne preußische Offiziere beratende Funktionen im Osmanischen Heer innehatten. Dabei hatten sich vor allem die beiden preußischen Offiziere Helmuth Graf von Moltke und Freiherr Kolmar von der Goltz bei der Reorganisation der türkischen Armee einen fast legendären Ruf erworben. Von der Goltz diente insgesamt 15 Jahre in osmanischen Diensten, starb in Bagdad und liegt heute auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Tarabya in Istanbul bestattet. Er ist heute noch bekannt und legendär für sein Einfühlungsvermögen in die türkische Kultur.
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Nach den Balkankriegen befand sich das Osmanische Reich seit 1913 in einem Modernisierungsprozess, für den auf verschiedensten Gebieten europäische Vorbilder übernommen werden sollten. Während das Vereinigte Königreich die Marine restaurieren und Frankreich die Gendarmerie aufbauen sollte, wurde Deutschland gebeten, die türkische Armee zu modernisieren. Mit einer Militärmission unter der Führung von General Liman von Sanders ab Dezember 1913 began ein neues Kapitel der türkisch-deutschen Zusammenarbeit. Von Sanders wurden weitreichende Kompetenzen eingeräumt und er wurde schließlich zum türkischen Marschall und Generalinspekteur aller Heerestruppen ernannt. Ihm waren alle Truppenschulen und Lehrregimenter direkt unterstellt. Damit sollte er eine einheitliche Truppenausbildung sicherstellen. In der Hierachie rangierte er direkt nach dem tükischen Kriegsminister Enver Pascha. Die meisten deutschen Offiziere übernahmen türkische Verbände und unterwiesen sie als deren Kommandeure. Einige wurden auch in den türkischen Generalstab versetzt, um dort die Prinzipien des deutschen Generalstabes zu lehren.
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Der Ruf nach deutscher Unterstützung fand allerdings nicht die ungeteilte Begeisterung in der jungtürkischen Bewegung, die mit ihrem Führungsorgan "Komitee für Einheit und Fortschritt", die faktische Macht in Istanbul ausübte. Enver Pascha hatte Deutschland als Militärattaché kennengelernt, sprach deutsch und war ein begeisterter Anhänger der preussischen Kriegsmaschinerie. Er setzte auf ein umfassendes Bündnis mit Deutschland, an dessen Seite er die Türkei zu einer Großmacht führen wollte. Talat Pascha hingegen war ein Pragmatiker, der die Unterstützung durch Deutschland nur deswegen befürwortete, da er Angst hatte, nach einem möglichen Sieg Deutschlands dafür bestraft zu werden, nicht an deren Seite gestanden zu haben. Ansonsten war er der Meinung, dass jedes Bündnis, welches die Türkei vor ihrem ärgsten Feind, nämlich Russland schützen würde, nützlich wäre. Mustafa Kemal, der zwar der jungtürkischen Bewegung angehörte aber durch seine Opposition gegen Enver in jener Zeit in verschiedenen Verwendungen “kaltgestellt” worden war, beobachtete die Vorgänge sehr genau und war absolut gegen ein Bündnis, dass die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit des türkischen Militärs beeinträchtigen könnte. So sagte er zu seinen Offizieren: „Es ist eine Torheit den Deutschen die Kontrolle der Armee zu gestatten, die doch die eigentliche Grundlage unserer nationalen Existenz ist und, im Falle eines Unglücks, der einzige Garant unseres Überlebens. Sind denn die Türken nicht fähig, ihre Armee selbst zu reorganisieren? Die Zuflucht zu den Preußen ist eine Kränkung für jeden einzelnen von uns“.
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Zunächst bestand die Militärmission aus nur 41 Offizieren, deren Zahl aber rasch auf über 70 anwuchs. Das Interesse der deutschen Heeresführung an einer gut ausgebildeten türkischen Armee war alles andere als selbstlos – hoffte man doch die Führung in Istanbul als Bündnispartner in dem zu erwartenden Krieg zu gewinnen und baute auf dessen zukünftige Truppenstärke. Der Erfolg der Mission war zunächst bescheiden, da der Stand bei Ausrüstung und Bildungsstandard nicht in wenigen Wochen anzuheben waren. Zudem waren viele der deutschen Offiziere und späteren Unteroffiziere kaum in der Lage sich den türkischen Verhältnisssen anzupassen. In der Türkei herrschte eine andere Kultur, kein preussischer Kasernenhofton und ein anderes Arbeitstempo. Zudem brauchten alle Deutschen Übersetzer, da kaum ein Deutscher der türkischen Sprache mächtig war. Der größte Schwachpunkt der deutschen Militärmission war jedoch die weit verbreitete Auffassung, dass man als deutsche, preussische Offiziere dem türkischen Militär ohnehin überlegen sei und begegnete den vielen guten türkischen Offizieren und Soldaten nicht auf gleicher Augenhöhe.
Trotzdem gelang es einige Verbände zu erstaunlicher Qualität auszubilden und bei einer Truppenparade am 23. Juli 1914 dem Sultan vorzuführen.
Dennoch war das Rennen der euopäischen Mächte um die Gunst des Osmanischen Reiches noch nicht entschieden, auch wenn am 4. August 1914 ein geheimer Bündnisvertrag zwischen dem Osmanischen und dem Deutschen Reich geschlossen worden war.
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Eine entscheidende Wende trat jedoch mit dem Eintreffen der sogenannten “Mittelmeerdivision” in Istanbul ein. Das strategische Gleichgewicht schlug zugunsten Deutschlands aus.
Die Mittelmeerdivision unter dem Kommando von Admiral Souchon bestand aus den beiden Kreuzern GOEBEN und BRESLAU und war ursprünglich im Mittelmeer eingesetzt. Nach Kriegsbeginn Anfang August 1914 stand dieser Verband jedoch einer übermächtigen alliierten Flotte gegenüber, welcher sie im Kampf unterlegen gewesen wäre. Daher blieb nur die Flucht durch Gibraltar in den Atlantik oder durch die Dardanellen in das Marmara-Meer. In dieser Situation kam den Deutschen Churchills Entscheidung zu Hilfe, dass dieser zwei türkische Linienschiffe, die in britischen Docks gebaut und fast fertiggestellt worden waren, konfiszieren ließ. Der deutsche Botschafter in Istanbul, Baron von Wangenheim bot der Türkei die beiden deutschen Kriegsschiffe als Ersatz und Verstärkung an. Am 10. August 1914 passierten die deutschen Kreuzer im Kielwasser eines türkischen Lotsenbootes die verminte Dardanelleneinfahrt - den folgenden britischen Kriegsschiffen wurde die Durchfahrt verwehrt.
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Um die Neutralität der Türkei nach außen zu wahren, wurde behauptet, dass die beiden Schiffe in türkischen Besitz gekommen wären. Es wurden die türkische Flaggen gesetzt und die immer noch deutsche Besatzung setzte als neue Kopfbedeckung den Fez auf. Fortan fuhr die GOEBEN nun unter dem Namen YAVUS SULTAN SELIM und die BRESLAU unter dem Namen MIDILLI. Enver Pascha, der maßgeblich an dieser Aktion beteiligt war, sagte am 11. August zu Marineminister Cemal Pascha: “Ein Sohn ist uns geboren”.
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Admiral Souchon begann den Ausbildungsdienst der Marine neu zu organisieren und wurde wenig später zum Befehlshaber der türkischen Flotte ernannt. Zudem erkannte Souchon die Schwäche des Küstenschutzes an den Dardanellen und forderte zusätzliches Personal aus Berlin an. Bereits eine Woche später wurden rund 270 Soldaten im Dienstgrad Admiral bis zum Matrosen – überwiegend erfahren in der Bedienung von Küstengeschützen – von Kiel nach Istanbul in Marsch gesetzt.
Doch wozu diese Eile? Sowohl Botschafter von Wangenheim und Souchon als auch die Führung in Berlin hatten erkannt, dass nach dem Beginn des Krieges ein rascher Eintritt der Türkei an der Seite der Mittelmächte fast zwingend notwendig geworden war. Dieses konnte jedoch nur durch einen Zwischenfall mit Russland erreicht werden aber dazu mußten auch die Dardanellenbefestigungen besser gesichert sein.
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Die Stellungen beiderseits der Dardanellen wurden nun mit türkischen und deutschen Mannschaften gemeinsam besetzt und deutsche Artillerieoffiziere übernahmen die Ausbildung. Auf die Schiffe und Boote der türkischen Marine wurde ebenfalls deutsches Personal entsendet und jedem türkischen Kommandant ein deutscher Offizier als “Trainer” an die Seite gestellt. Es entstanden bisweilen Probleme in der Zusammenarbeit aber es herrschte bei der Marine grundsätzlich ein gutes Einvernehmen in den gemischten Mannschaften.
Während die Ausbildung auf Hochtouren lief und alle Schiffe gründlich überholt wurden, hatte Souchons Unterfangen begonnen, einen Kriegsanlaß für die Türkei zu schaffen. Natürlich tat er dieses im Auftrag der deutschen Führung und unter Billigung von Kriegsminister Enver. Trotzdem versuchte er einen offiziellen Befehl des türkischen Kabinetts und Kriegsministers für einen solchen Vorstoß zu erhalten. Die türkische Regierung zauderte und wollte die offizielle Neutralität nicht aufgeben. Souchon wurde fast täglich bei Enver Pascha vorstellig aber die Bereitschaft der Türkei in den Krieg zu ziehen konnte kaum erhöht werden. Immer wieder wurde die Türkei aus Deutschland daran erinnert endlich in den Krieg einzutreten, was unter anderem wie folgt am 7. September gefordert wurde: “Es ist erwünscht, dass die Türkei bald losschlägt, allerspätestens nach beschleunigter Fertigstellung der Dardanellenverteidigung.” oder “es ist alles zu tun, um das Losschlagen der Türkei gegen Russland zu fördern”. Schließlich sollte mit einer Zahlung von 2 Millionen Goldmark nachgeholfen werden aber das Kabinett blieb fest. Schließlich endete es in einem coup détat indem Enver einen Befehl, der ihm von Souchon vorbereitet worden war, unterzeichnete ohne dass der Kriegsminister die Billigung des Kabinetts dafür eingeholt hatte. Der Befehl vom 24. Oktober 1914 lautete: „Die ganze Flotte soll im Schwarzen Meer exerzieren. Wenn Sie eine günstige Gelegenheit finden, greifen Sie die russische Flotte an…gez.: Enver“. Allerdings war auch Marineminister Cemal eingeweiht worden.
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Am 27. Oktober lief die türkische Flotte zu “Übungszwecken” aber mit klar verteilten Angriffszielen aus dem Bosporus in das Schwarze Meer aus. Am 28. und 29. Oktober griff die türkische Flotte unter Führung von Admiral Souchon die russische Schwarzmeerflotte, sowie die Hafenanlagen in Sewastopol, Odessa und Noworossisk an, was zur Kriegserklärung Russlands am 2. November, sowie Englands und von Frankreich am 5. November führte – die Türkei war nun zum Kampf auf Seiten der Mittelmächte verpflichtet.
Die Frage nach der Schuld, bzw. Verantwortlichkeit für den Kriegseintritt wird immer noch kontrovers diskutiert. Ich bin jedoch der Meinung, dass ohne die Anwesenheit der beiden deutschen Kriegsschiffe und vor allem von Admiral Souchon und seinem permanentem Drängen niemals dieser Angriff gegen Russland erfolgt wäre. Sein eigener Ausspruch mag eitel klingen aber er entspricht meines Erachtens der Wahrheit auch wenn viele türkische Führungspersönlichkeiten unmittelbar beteiligt waren, bzw. davon wußten aber nichts dagegen unternahmen.
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Bevor ich nun zu den Kämpfen um Canakkale und Gallipoli komme, gestatten Sie mir einen Blick auf die Karte Europas und die strategische Lage des Ersten Weltkrieges, aus der die Bedeutung des Kriegseintritts der Türkei und der Dardanellen deutlich wird.
Nachdem die Kämpfe des Ersten Weltkrieges im August auf allen Seiten mit großen Erwartungen und nationaler Begeisterung begonnen wurden, hatte sich bereits im Herbst das Blatt gewendet. Operative Bewegungen waren im Schlamm des Stellungskrieges steckengeblieben. An der Westfront lagen man sich an einer fast 750km langen Grabenfront gegenüber und im Osten war es sogar eine fast 2000 km lange Frontlinie. Der Krieg war zu einer unbeweglichen Material- und Abnutzungsschlacht geworden und hatte bereits größte Verluste auf beiden Seiten gekostet.
Russland, das militärisch und wirtschaftlich geschlagen war, konnte durch die Blockade der Dardanellen nicht mehr über den Seeweg versorgt werden. Die Alliierten wollten diesen Seeweg wieder öffnen, um Russland zu unterstützen und damit die Ostfront zu stärken. Allerdings wollte Churchill durch einen Durchbruch durch die Dardanellen und die Fahrt der alliierten Flotte bis nach Istanbul auch die Türkei aus dem Bündnis mit den Mittelmächten herausbrechen und damit eine neue strategische Front aus dem Süden aufbauen.
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Auf dieser Karte kommen wir nun dem eigentlichen Schauplatz des Geschehens näher.
Gallipoli liegt ca. 300km von Istanbul entfernt – mit damaligen Verkehrsmitteln eine mehrtägige Reise, da eine direkte Eisenbahnanbindung fehlte. Der bequemste Weg war der Transport über das Marmarameer.
Die beiden Meerengen des Bosporus und der Dardanellen sind als Nadelöhre deutlich. Gallpoli ist eine ca. 80km lange Halbinsel mit teilweise steilen Ufern und bergigen Gelände. Die strategische Bedeutung der Dardanellen war schon in der Antike sichtbar. Der Hellespont, wie die Dardanellen damals genannt wurden, gesichert durch die Festung Troja, waren ein Lebensnerv für die Griechen in das Marama und Schwarze Meer.
Die im 18. Jahrhundert enstandenen Befestigungen, waren mit schweren Geschützen, überwiegend aus deutscher Produktion, gesichert.
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Die türkische Seite war nun auf einen Angriff vorbereitet. Nicht nur die Küstenbefestigungen – große Forts mit gewaltigen Geschützen – waren installiert, sondern die gesamte Einfahrt war mit einer großen Anzahl von Seeminen gesperrt worden. Eine feindliche Flotte mußte erst an den Geschützen vorbei und die Minen räumen, bevor die Durchfahrt nach Istanbul möglich war. Bereits im November 1914 hatten alliierte Kriegsschiffe begonnen die Küstenbefestigungen niederzukämpfen und versuchten sich immer weiter in die Dardanellen vorzuarbeiten. Doch die tagsüber geräumten Minen wurden nachts wieder von türkischer Seite neu verlegt.
Eine besondere Rolle dabei spielte der türkische Minenleger Nusret unter dem Minenkapitän Hakki Bey. Hakki Bey hatte erkannt, wo die Kriegsschiffe nach ihrer Beschießung der Befestigungsanlagen wendeten und verlegte in den Morgenstunden des 8. März in deren Wendekreis 26 Minen. Diese Sperre wurde später entscheidend für den Ausgang der Schlacht.
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Der Bedeutung der Nusret wurde durch die türkische Marine ein Tribut gezollt, indem genau 100 Jahre nach dem Stapellauf der ersten Nusret 1911 in Kiel im Jahr 2011 ein orginalgetreuer Nachbau dieses Bootes in Dienst gestellt wurde und heute im Marinemuseum in Canakkale als fahrfähiges Museumsschiff zu besichtigen ist.
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Nachdem seit Februar 1915 die Angriffe auf die Dardanellen forciert worden waren, befahl der Befehlshaber der alliierten Flotte, Admiral de Robeck den alles entscheidenden Angriff für den 18. März. Mit 19 großen Kampfschiffen lief die Flotte morgens in die Dardanellen ein. Churchill ging davon aus, dass der Durchbruch allein durch diese Flotte gelingen würde und dachte noch nicht an eine Unterstützung durch Truppen an Land.
Doch der Angriff, wie bereits anfangs gesagt, mißlang, die angreifende Flotte mußte beidrehen und die Schlacht wurde zu einem überragenden Sieg der türkischen Verteidiger. Die durch die Nusret verlegte Minensperre brachte zwei Kampfschiffe zum Sinken aber auch die Artillerie der Küstenbefestigungen und der mobilen Artillerie leisteten einen großen Beitrag, der nur durch die gute türkisch-deutsche Zusammenarbeit möglich geworden war. Auf allierter Seite war ein Viertel der Flotte entweder gesunken oder schwer beschädigt.
Die Verluste auf türkischer Seite waren, gemessen am Erfolg, verhältnismässig gering. Auf Seite der Verteidiger waren lediglich 114 Mann, darunter 22 deutsche Soldaten gefallen oder verwundet. Von insgesamt 176 Geschützen waren nur 9 zerstört worden.
Der 18. März wird daher noch heute als “Canakkale-Tag” jährlich gefeiert.
Doch diese Schlacht sollte erst der Auftakt zu den Kämpfen von Gallipoli werden.
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Um den nun drohenden Angriff auf die Halbinsel abzuwehren, wurden die Truppen auf Gallipoli verstärkt und unter das Kommando von Liman von Sanders gestellt. Marschall von Sanders kam mit einem rein türkischen Stab nach Gallipoli. Allerdings mischte er, wie auf dem Bild kenntlich werden soll, deutsche und türkische Truppenführer. Während General Weber mit zwei Divisionen für die Verteidigung der asiatischen Uferseite verantwortlich war, bekam Essad Pascha das Kommando für die Verteidigung der Halbinsel während zwei Divisionen im Norden die kritische Landenge von Bulair verteidigen sollten. Von Sanders änderte die Verteidigungstaktik und geritt damit besonders in die Kritik von Essad Pasha und Mustafa Kemal. Sein Konzept war eine flexible Verteidigung und mögliche Truppenverschiebungen gegenüber dem bisherigen Konzept einer starken “Vorneverteidigung”. Nur relativ schwache Truppen sollten die ersten Landungen verzögern, um Zeit zu gewinnen die eigentlichen Kräfte heranzuführen. Diese Kampfweise erforderte zusätzliche Ausbildung der Truppen und einen Ausbau des Wegenetzes auf der Halbinsel, für den zusätzliche Arbeiterbataillone sorgten. Er ließ Sperren und Drahthindernisse an den vermuteten Landungszonen bauen und das Stellungssystem verbessern. Für diese Vorbereitungen blieben nur vier Wochen Zeit, denn die allierte Landung begann am 25. April.
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Am Morgen des 25. April landeten unter dem vernichtenden Feuer der schweren Schiffsartillerie französische, britische, australische und neuseeländische Truppen. Während im Norden bei Bulair nur eine Scheinlandung erfolgte, war der Schwerpunkt die Landung britischer Truppen bei Kap Helles und bei Kaba Tepe durch das Australisch-Neuseeländische Corps (ANZAC). Während die Landung von französischen Truppen auf der asiatischen Seite nach drei Tagen wieder vollständig zurückgeschlagen werden konnte, war es den Alliierten möglich auf der Halbinsel Fuss zu fassen.
In dieser Schlacht gab es auf beiden Seiten unglaublichen Mut aber auch hohe Verluste. Auf türkischer Seite ist besonders die Verteidigung bei Seddulbahir durch das 3. Bataillon des 26. Regimentes unter Major Mahmut zu erwähnen, die hier mit insgesamt 1000 Mann gegen über 5000 Angreifern für über 36 Stunden halten konnten, oder das 27. Regiment unter Oberstleutnant Schefik Bey, der die unmittelbare Landung der ANZACs auffangen konnte bis Mustafa Kemal mit seinem 57. Regiment anrückte und mit seinem Vorstoß den Zugriff der Australier auf das wichtige Höhengelände verhindern konnte.
Die Kämpfe setzten sich über Monate fort aber die alliierten Truppen konnten keine wesentlichen Geländegewinne erzielen. Die asiatische Seite war wieder in türkischer Hand und die dadurch frei gewordenen Truppen wurden nun auf der nördlichen Seite zusammen mit weiteren Verstärkungen eingesetzt. Die Fronten hatten sich nun, wie auch an der Westfront, zu einem unbeweglichen Grabenkrieg verhärtet und teilweise lagen sich die gegnerischen Truppen nur wenige Meter gegenüber.
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Um einen letzten, entscheidenden Angriffsversuch zu unternehmen, starteten die Alliierten Anfang August eine Landung an der Suvla-Buch an der Nord-Westspitze der Halbinsel. Diese Landung wurde mit Angriffen an den anderen Frontabschnitten und erneutem, schweren Feuer der Schiffsartillerie unterstützt. Aber auch dieser Angriff schlug fehl und damit wurden in London Zweifel am Erfolg der Gesamtoperation laut.
Bei der Abwehr der Angriffe im August zeichneten sich wieder einige Verbände und Truppenführer besonders aus. So war es der deutsche Major Willmer, der mit nur zwei Gendarma-Bataillonen, d.h. insgesamt ca. 2000 Mann die Landung von zwei Divisionen bei der Suvla-Bucht solange aufhalten konnte, bis Oberst Mustafa Kemal seinen entscheidenden Gegenangriff führen konnte.
Im November 1915 wurde der endgültige Abzug der allierten Truppen beschlossen, der dann in zwei Phasen Mitte Dezember bei Suvla und Ariburnu, sowie Mitte Januar 1916 bei Kap Helles erfolgte.
Es war ein grandioser Sieg der türkischen Verteidiger, der jedoch teuer bezahlt war. Daher erlaube ich mir auch anzumerken, dass der eigentliche Träger des Sieges der türkische Soldat – der “Mehmetschik” war.
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Der deutsche Beitrag bei beiden Schlachten bestand nicht nur aus der Unterstützung bei der Küstenverteidigung und durch die deutschen Kommandeure, sondern auch im Aufbau der Fliegertruppe unter dem Kommando von Hauptmann Serno. Bei den Kämpfen von Gallipoli war eine deutsche Fliegerstaffel und eine Wasserfliegerabteilung beteiligt.
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Ebenso gab es eine Pionierkompanie von über 400 Mann, die direkt beim Ausbau der Schützengräben und dem Minenkrieg den türkischen Kameraden Unterstützung gaben. Eine deutsche Maschinengewehr-Abteilung der Marine mit über 300 Mann waren direkt an allen Frontabschnitten beteiligt. Ebenso gab es ein deutsches Feldlazarett, in dem überwiegend türkische Soldaten behandelt wurden.
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Herauszuheben ist auch der Aufbau der türkischen Rüstungsindustrie – insbesonders der Herstellung von Munition für die Kanonen und Geschütze, die durch Kapitän zur See Pieper aufgebaut und organisiert wurde. Da aus Deutschland lange Zeit keine Munition und Material geliefert werden konnte, war diese logistische Unterstützung lebenswichtig für eine dauerhafte Verteidigung Gallipolis.
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Mit fast 75.000 Toten, bzw. ca. 175.000 verwundeten oder erkrankten Soldaten hatten die türkischen Verteidiger fast doppelt so hohe Verluste wie die Angreifer (44.000 / 97.000). Der Mut und die Zähigkeit der türkischen Soldaten wurde durchweg von allen deutschen Offizieren berichtet aber auch von den alliierten Angreifern bestätigt. Es gibt wenige Schlachtfelder auf dieser Welt, wo auf so kleinem Raum soviele Soldaten fielen. Heute ist fast die gesamte Halbinsel als Gedenkstätte und Volkspark deklariert und es reihen sich türkische, britische, französische, australische und neuseeländische Soldatenfriedhöfen und Gedenkstätten dicht aneinander.
Von den ca. 10 – 15 deutschen Soldatenfriedhöfen für die ca. 200 gefallenen deutschen Soldaten der Schlachten um Gallipoli ist leider keiner mehr erhalten geblieben. So ist es heute um so tröstlicher sich an den legendären und versöhnenden Ausspruch von Mustafa Kemal Atatürk zu erinnern, der in den 30er Jahren sagte:
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Helden die Ihr Blut auf fernem Land habt gelassen: Hier seit Ihr in der Heimat eurer Freunde. Ruhet in Frieden. Ihr liegt mit den Mehmetcik eng umschlungen beieinander. Mütter, die Ihre Söhne aus fernen Ländern in den Krieg geschickt haben, mindert eure Tränen, eure Söhne sind in unseren Herzen. Sie sind in Frieden und werden still in Frieden weiter ruhen. Nachdem eure Söhne in diesem Land gefallen sind, sind Sie zu unseren Söhnen geworden.