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Die Vorbereitungen zur Abwehr einer Landung auf Gallipoli

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Kommandeur 19. Division
Befehlshaber XXX. Armeekorps

Nach dem 18. März hielt sich die englisch-französische Flotte mit weiteren Angriffen auf die Dardanellen zurück. Aus dem gescheiterten Durchbruchsversuch zog der englische Kriegsrat die Folgerung, dass nunmehr die Verteidigungsanlagen der Dardanellen durch einen Landangriff bezwungen werden sollten, um danach die Durchfahrt der Flotte zu ermöglichen. Unter dem Kommando des englischen Generals Sir Jan Hamilton und des französischen Generals Albert d’ Amade wurde ein britisch-französisches Expeditionskorps von fünf Divisionen mit insgesamt 75 000 Mann gebildet. Ein großer Anteil dieser Truppe bestand aus australischen und neuseeländischen Kontingenten, deren Anfangsbuchstaben den Begriff ANZAC[i] bildeten. Die Bereitstellung und Zusammenführung der Truppen in Ägypten und auf den Inseln im östlichen Mittelmeer nahm jedoch soviel Zeit in Anspruch, dass sie erst Ende April, fast fünf Wochen nach dem Flottenangriff, für einen Angriff bei den Dardanellen einsatzbereit waren[ii].Die Verteidigung der Uferzonen beiderseits der Dardanellen war durch das türkische Oberkommando bis dahin nur halbherzig geplant worden. Die Befehlslage sah vor, dass die nördliche, europäische Uferseite durch die 1. Armee und die südliche, asiatische Uferseite durch die 2. Armee zu verteidigen sei. Damit lief die Armeegrenze entlang der Wasserstraße der Dardanellen, was eine einheitliche Führung der Verteidigung sehr erschwert hätte. Liman von Sanders bewertete diese Maßnahme als bedrohlich und schrieb dazu: „Die 1. Armee hätte dann Front nach Süden, die 2. Armee Front nach Norden gehabt. Auf eine Verteidigung der Außenküste der Halbinsel Gallipoli mit ihren beherrschenden Höhen und auf die Verteidigung der asiatischen Küste der Dardanellenmündung wurde verzichtet! Es war die schwächlichste Abwehrmaßregel, die man sich denken kann.“[iii] Von Sanders richtete daher am 23. Februar ein Schreiben an den türkischen Kriegsminister, in welchem er auf die Gefahren der Planung hinwies. Er führte aus, dass eine türkische Armee zur Abwehr einer Landung in Gallipoli, eine andere in der Umgebung von Istanbul stationiert werden müßte. Enver lehnte diesen Vorschlag zunächst ohne weitere Begründung ab. Von Sanders fand sich damit nicht ab, sondern intervenierte am 1. März bei Botschafter von Wangenheim und dem Chef des Militärkabinetts in Berlin. Ob dieser deutsche Einfluß Enver Paşa dazu bewegte, seine Meinung zu ändern, ist nicht mehr zu ergründen. Am 24. März suchte der deutsche Flottenchef, Admiral Souchon, Kriegsminister Enver auf und bat darum, General von Sanders die Verteidigung von Gallipoli zu übertragen. Souchon soll betont haben, dass der derzeitige Befehlshaber, Essad Paşa, zwar ein „vortrefflicher Soldat“ sei, aber doch nicht die große Erfahrung und das notwendige „Gewicht als Feldherr“ habe. Man sehe die Anstrengungen einer Verteidigungsplanung im Raume von Istanbul, aber auf Gallipoli fehle es an allem. Nur unter Einsatz aller Kräfte, so Souchon, und mit größter Beschleunigung könnten die Verhältnisse dort so gebessert werden, „das mit Aussicht auf Erfolg der zu erwartenden Landung feindlicher Heere entgegengetreten werden könnte“. Eine Stunde nach dieser Unterredung wurde General von Sanders zum Oberbefehlshaber der 5. Armee ernannt[iv]. General von Sanders schrieb dazu: „Nunmehr endlich am 24. März entschloss sich Enver, eine besondere Armee, die 5., zum Schutze der Dardanellen zu bilden. Meine unausgesetzt sich erneuernden Bemühungen, diesen Entschluss der türkischen Heeresleitung herbeizuführen, waren in letzter Zeit besonders wirksam von der deutschen Botschaft und dem Admiral Souchon unterstützt worden, während der Admiral von Usedom auf Grund seiner in China gemachten Erfahrungen auch jetzt noch eine große Landungsaktion nicht für wahrscheinlich erachtete. – Am Spätnachmittag des 24. März ließ mich Enver telephonisch bitten, auf meinem Bureau zu bleiben, bis er kommen würde. Bald darauf erschien er und fragte mich, ob ich bereit sei, den Oberbefehl über die an den Dardanellen neu zu formierende 5. Armee zu übernehmen. Ich stimmte sofort zu, machte ihn aber darauf aufmerksam, dass die jetzt dort befindlichen Truppen schnell verstärkt werden müssten, da keine Zeit zu verlieren sei.“[v] Im gleichen Maße hatte sich allerdings auch der nun schon 72 Jahre alte Generalfeldmarschall Freiherr Colmar von der Goltz große Hoffnungen darauf gemacht, das Kommando der Armee an den Dardanellen übernehmen zu dürfen. Er hatte fest damit gerechnet und schrieb entsprechend enttäuscht nach Deutschland: „Ein Zeichen von Envers Vertrauen war es, daß er mir, als ich Ende März im Auftrage des Sultans meine bekannte Rundreise in die Hauptquartiere unternahm, um zu dem – jetzt endlich beginnenden – serbischen Feldzug anzutreiben, das Oberkommando in den Dardanellen anbot. Es wurde verabredet, dass ich es bei meiner Rückkehr antreten sollte. Kaum hatte ich Konstantinopel verlassen, erfuhr ich durch die Zeitungen, dass Liman an meiner Stelle ernannt sei. Wie das gekommen ist, habe ich nie ganz klar feststellen können. Dafür erhielt ich am 15. April das Oberkommando der 1. Armee.“ [vi] Doch sogar diese Ernennung war nicht unumstritten, da Enver hierzu keine Rücksprache mit Liman von Sanders gehalten hatte, obwohl dessen Kompetenz als Inspizient der türkischen Truppen dieses vorgesehen hätte. Somit musste von der Goltz eine weitere Schmach ertragen: „Als meine Ernennung zum Oberbefehlshaber der 1. Armee noch nicht öffentlich bekannt war, protestierte Liman auf Grund seines Kontraktes, ferner aufgrund einer Klausel im Bündnisvertrag, die ihm ‚maßgebenden Einfluß auf die Operationen’ einräumt, gegen meine Ernennung. Dieser Protest ging amtlich an die hiesige deutsche Botschaft. Hätte ich, was der Botschafter mir vorschlug, erst in unserem Großen Hauptquartier angefragt, so wäre die Sache durch das Militärkabinett zum Vortrag gekommen und dann ebenso unzweifelhaft zu meinen Ungunsten entschieden worden.“[vii] Während General von Sanders und Admiral von Usedom offensichtlich wenig glücklich über die Ankunft und Berufung von Feldmarschall von der Goltz waren, war Admiral Souchon eher erfreut: „Usedom ärgert sich, daß v. d. Goltz hierher kommen wird, aus seiner Eitelkeit, weil er dann nicht mehr so hoch schweben kann. Im Übrigen soll er sich darüber ruhig freuen wie ich. Denn Goltz ist ein sehr verständiger Mann und hat viel Gewicht bei den Türken, daß hoffentlich mehr Einheitlichkeit in der Leitung kommt.“[viii] Auch wenn die immer noch anhaltenden interenen Reibereien der in die Türkei entsandten Offiziere und Diplomaten bislang keine direkten Auswirkungen auf die Kämpfe hatten, so waren die Auseinandersetzungen eine aus heutiger Sicht kaum entschuldbare Torheit und Illoyalität. Als negative Wirkung dieser Uneinigkeit beschrieb Humann seinerzeit, „daß durch Ungeschicklichkeiten, Persönliches und allzu Menschliches der höheren deutschen Offiziere unsere Position Enver gegenüber mehr geschwächt wird als nötig: Liman zeigt Enver den Brief Souchons, Usedom erzählt Enver, dass Goltz dauernd Berichte nach Hause schreibe und damit die Tätigkeit der anderen deutschen Führer in ein falsches Licht setze, Liman weist Enver auf Usedoms Unkenntnis der Kriegführung und auf seine partikularistische Haltung im Zusammenwirken hin. Liman versucht Bronsart herauszudrängen, Bronsart sucht seine Stellung durch Diskreditierung Limans zu wahren u. a. m.“[ix]Liman von Sanders verließ Istanbul einen Tag nach seiner Berufung mit dem Schiff und traf am 26. März früh in Gallipoli ein, um dort zunächst in der Ortschaft Galata sein Hauptquartier einzurichten. Seine Ankunft hatte er per Telegramm auch an Admiral Usedom mitgeteilt, dem er am 25. März schrieb: „Euer Excellenz anzeige dass Gallipoli eintreffe um Kommando über Divisionen gegen feindliche Landungen zu übernehmen. Gehe zuerst zu 5. und 7. Division dann erbitte Rücksprache zum Zusammenarbeiten.“[x]

In seinem Stab dienten ausschließlich türkische Offiziere – bis auf die beiden Adjutanten, die Rittmeister Mühlmann und Prigge, sowie Rittmeister Frese als Kommandant des Hauptquartiers. Generalstabschef war Oberstleutnant Kiazim Bey, ein vernünftiger, gebildeter und taktvoller Offizier, der schon seit mehreren Monaten unter von Sanders diente und die seltene Gabe hatte, mit diesem gut auszukommen. Dass General von Sanders in seinen Stab keinen deutschen Generalstabsoffizier aufnahm, fiel auf. Es hatte aber möglicherweise den Grund, dass er eher gehorsame, ausführende Mitarbeiter um sich haben wollte, die er unter türkischen Offizieren leichter zu finden glaubte. Von Sanders war bekannt dafür, dass er die oft kritischen Meinungen seiner deutschen Offiziere nicht sehr schätzte und eher als unberechtigte Opposition auffasste. Zusätzlich war er der Auffassung, dass seine durch türkische Generalstabsoffiziere redigierten und übermittelten Befehle den Eigenheiten türkischer Truppen besser Rechnung trugen und williger entgegengenommen und ausgeführt werden würden, als wenn sie von deutschen Generalstabsoffizieren bearbeitet worden wären. Während ein türkischer Generalstab ein Bindeglied zwischen dem deutschen Kommandanten und den türkischen Truppen bildete, bedeutete ein deutscher Generalstab möglicherweise die Trennung und Isolierung des deutschen Führers von seiner türkischen Armee.

Nach einer eingehenden Erkundung der Halbinsel und des Geländes kam von Sanders zu der folgenden Beurteilung des Geländes und den sich daraus abzuleitenden Möglichkeiten für einen Angriff der Alliierten:

„(1) Die wichtigsten Werke und Batterien der den Wasserweg beherrschenden Festung Dardanellen lagen auf dem südlichen, dem asiatischen Ufer. Die in der Hand des Feindes befindliche Insel Tenedos liegt dicht vor diesem Ufer, welches durch die Große und Kleine Besika-Bucht besonders günstige Landungsstellen bietet. Hier konnten in kürzester Zeit starke Kräfte an das türkische Ufer gesetzt werden. Da die Wirksamkeit der Werke und schweren Batterien der Festung nur auf den Kampf um die Wasserstraße berechnet war, bot der Marsch und Angriff gegen den Rücken der auf asiatischem Ufer gelegenen Verteidigungsanlagen dem Feinde besondere Chancen. Auch die Wegeverbindungen waren hier leidlich günstig. Hier lag mithin die dringendste Gefahr.Auf der Halbinsel Gallipoli selbst mussten drei Stellen als besonders wichtig und bedroht gelten.

(2) Die erste war die Südspitze der Halbinsel bei Seddulbar und Teke Burnu, weil dieses Gelände von drei Seiten durch feindliches Schiffsfeuer beherrscht werden kann. Gelang eine Landung an der Südspitze, so winkte dort dem Feinde die weithin sichtbare kahle Höhe des Eltschitepe (Atschibaba) als nächstes entscheidendes Ziel, bis zu welchem auf der leicht ansteigenden Ebene keine Geländehindernisse zu überwinden waren. Von dem Höhenkamm des Eltschitepe aus konnte ein Teil der an der Meerenge gelegenen türkischen Werke und Batterien der Festung unter direktes Artilleriefeuer genommen werden.

(3) Die zweite zu schneller Entscheidung geeignete Stelle war die Küstenstrecke beiderseits Kabatepe. Von hier aus führte eine breite, nur durch eine flache Höhe unterbrochene Niederung in direkter Richtung auf die an der Meerenge gelegene Stadt Maidos. Von den seitlich von Maidos gelegenen Höhen aus konnten die Batterien der Festung mit Sicherheit niedergekämpft werden. Nördlich von Kabatepe lagen dicht an der Meeresküste die schroffen Höhen von Ariburnu mit einem ganz besonders geschützten Landungsplatz. Richtete der Feind seine Hauptaktion über Kabatepe gegen Maidos, so musste er zugleich die Höhen von Ariburnu in seine Hand nehmen, da sie die genannte Senke flankierten.

(4) Die dritte besonders wichtige Stelle zur Landung auf europäischer Seite war der nur 5-7 km breite Teil der Halbinsel in ungefährer Gegend von Bulair am oberen Sarasgolf. Wenn auch von dort keine direkte artilleristische Wirkung gegen die Festung möglich war, so lag hier die Möglichkeit einer strategischen Entscheidung der Dardanellenlandung. – Dort konnte die Halbinsel von jeder Verbindung mit Istanbul und Thrazien abgeschnürt werden. Gelang es dem Feinde, den schmalen Höhenrücken zwischen Sarosgolf und Marmarameer in die Hand zu bekommen, so wurde nicht nur der 5. Armee jede Landverbindung abgeschnitten, sondern auch ihre Verbindung zu Wasser in Frage gestellt, sobald weittragende englische Geschütze – bei Nacht mit Scheinwerfern ausgestattet – den dort nur schmalen Teil des Marmarameeres mit ihrem Feuer beherrschten. – Die feindlichen Unterseeboote, welche bereits seit Dezember ihre Tätigkeit gegen die Minensperrer in den Dardanellen gerichtet und versucht hatten, in das Marmarameer einzudringen, konnten die Absperrung vervollständigen.“[xi]

Entsprechend dieser Geländebeurteilung und der vermuteten Feindabsicht stellte von Sanders die 5. Armee Mitte April in drei Gruppen zu je zwei Divisionen in der Nähe der möglichen Landungsstellen auf. Er entschied sich für eine Einteilung und Dislozierung der Truppen, die möglichst allen feindlichen Angriffsmöglichkeiten Rechnung trug und größtmögliche Flexibilität bot. Auf der asiatischen Seite wurden bei der Beşika-Bucht die 11. Division und weiter nördlich bei Kumkale die 3. Division unter Oberstleutnant Nicolai als XV. Armeekorps – geführt von General Weber – zusammengefasst. Die 5. Division (Oberstleutnant von Sodenstern) und die 7. Division standen als XVI. Armeekorps am oberen Saros-Golf im Raume von Gallipoli-Kavak zum Schutz von Bulair. Die 9. und die 19. Division, welche die gesamte Südspitze und Westküste schützen sollten, bildeten das III. Armeekorps unter Essad Paşa, dem bisherigen Führer aller Truppen auf Gallipoli. Dabei war die 19. Division unter Oberstleutnant Mustafa Kemal zunächst als bewegliche Reserve im Raum Bigali vorgesehen. Das Nordufer des Golfes von Saros wurde von der 1. Kavallerie-Brigade überwacht[xii]. Von Sanders vermutete den Schwerpunkt des feindlichen Angriffs an der Landenge bei Bulair – wohl auch, weil dieser schmale Landstreifen der gefährdeste Bereich der gesamten Verteidigung war. Er entschied sich hier auch für den Schwerpunkt der Verteidigung. Obwohl von Sanders – wie geschildert – keine deutschen Generalstabsoffiziere in seinem eigenen Stab haben wollte, waren doch etliche Positionen in Truppenteilen der 5. Armee von Deutschen besetzt – angefangen beim Kommandierenden General des XV. Korps, General Weber und den beiden genannten Divisionskommandeuren. Damit war nicht nur die Gesamtleitung der Operation, sondern auch ein Drittel der Truppenführung in deutscher Hand. Aber auch Kommandeure in Artillerieverbänden sowie beratendende Generalstabsoffiziere auf Korps- und Divisionsebene stellten weitere deutsche Offiziere. Die Zusammensetzung und Stärke der türkischen Divisionen war unterschiedlich. Im allgemeinen bestand eine Infanteriedivision aus drei Infanterieregimentern zu je drei Bataillonen (jeweils rund 1000 Soldaten), einer Maschinengewehrkompanie, einem Feldartillerieregiment zu zwei Abteilungen, einer Aufklärungsschwadron, einer Pionierkompanie und einer Sanitätskompanie – insgesamt rund 10 –12 000 Mann. Außer diesen sechs Divisionen in Gesamtstärke von rund 60 000 Mann hatte die 5. Armee noch die leichte Aufklärungsbrigade aufzubieten – jedoch keine weiteren Unterstützungskräfte wie etwa Artillerie auf Armee- oder Korpsebene. Transportmittel waren kaum vorhanden und zunächst auch keine Unterstützung durch Luftfahrzeuge. Diese nicht ausreichenden Kräfte für eine die gesamte Küstenlinie abdeckende Verteidigung sollten nun durch einen Operationsplan mit höherer Flexibilität effektiver genutzt werden, da, „wie es auch kommen mochte, […] mit unseren schwachen Kräften nicht das starre Festhalten, sondern die Beweglichkeit der drei Kampfgruppen das einzige Mittel zum endgültigen Erfolg[war]!“[xiii] Von Sanders Absicht war es, nur relativ schwache Kräfte zur Aufklärung und Verzögerung direkt an der Küste zu belassen, dafür aber starke und möglichst bewegliche Reserven in der Tiefe bereitzuhalten. Der Befehl an seine Divisionskommandeure lautete daher: „Erstens: Verstärken der Stellen an der Küste, die sich dem Feind für Landungen eignen sowie Verstärken und Herstellen von Hindernissen aus Draht usw. Zweitens: Diese Punkte sind durch Kompanien der Hauptkräfte zu halten, durch Streifen und Posten zu verbinden und die Bataillone der vorgeschobenen Posten sind zentral in den Sektoren bereitzuhalten. Drittens: Im Falle feindlicher Landungen verzögern diejenigen Vorposten, die zu schwach sind die Landung zu verhindern, den Vormarsch. Das soll den Hauptkräfte Zeit geben zu den gefährdeten Punkten zu gelangen und den Feind wieder ins Meer zu werfen.“[xiv] Dieses Konzept entsprach dem operativen Gedanken, dass der Truppenführer die Handlungsfähigkeit zum Gewinn der Initiative nach dem erfolgten Angriff zurückgewinnen wollte – und damit traditioneller und bewährter Lehre deutscher Generalstabsschulung. Allerdings war diese Idee kaum mit der türkischen Mentalität vereinbar, die eine Verteidigung weit vorne mit fast allen verfügbaren Kräften ohne große Reserven vorsah. Eine solche Operation war bis zum Eintreffen des deutschen Generals durch Essad Paşa und seine Divisionskommandeure, darunter auch Oberstleutnant Mustafa Kemal, ausgearbeitet worden. Verständlicherweise reagierten beide daher sehr ablehnend auf die Pläne von Liman von Sanders. Da das neue Konzept besondere Fähigkeiten der Führer und Truppen erforderte, befahl von Sanders ein intensives Ausbildungsprogramm. Besondere Schwerpunkte waren Nachtmärsche und -angriffe sowie Übungen im Gelände, wofür extra Truppenübungsplätze auf der Halbinsel angelegt wurden. Das alles sollte den bis zu diesem Zeitpunkt eher statisch operierenden Truppenteilen frisches Denken und neue Beweglichkeit vermitteln. Das Wege- und Straßennetz wurde, so gut wie möglich, durch zusätzliche Arbeiterbataillone ausgebessert und ausgebaut. Diese Einheiten bestanden vor allem aus nichtmoslemischen Türken, das heisst griechischen, armenischen und jüdischen Soldaten. Durchgehende Wege hatte es bisher auf der Halbinsel nicht gegeben. Es bestanden Fußpfade, die von Tragtieren im Einzelmarsch genutzt werden konnten, die aber nicht die Verlegung von Feldartillerie oder Versorgungstrossen zuließen. Die rückwärtigen Verbindungen nach Istanbul waren ein besonderes Problem, da alliierte U-Boote trotz der in den Dardanellen gespannten Netze durchgebrochen waren und im Marmarameer die Versorgung über den Wasserweg unsicher machten. Es musste daher Vorsorge für den Fall getroffen werden, dass der Seeweg für längere Zeit gänzlich unnutzbar wäre. Der nächste Bahnhof der Eisenbahnstrecke von Istanbul in Uzun Köprü lag sieben Tagesmärsche von Gallipoli entfernt, die Straßenverbindung dorthin war schlecht und es fehlte an geeigneten Transportmitteln. Man errichtete daher kleine Verpflegungs- und Munitionsdepots nahe der Küstenstellungen. Um die möglicherweise notwendigen Truppenverschiebungen zwischen dem europäischen und asiatischen Ufer durchführen zu können, wurden Transportschiffe und Fähren in den Häfen der Dardanellen bereitgestellt. Die Feldbefestigungen an den besonders gefährdeten Uferabschnitten wurden verstärkt, wobei alle Arbeiten bei Nacht durchzuführen waren, um feindliche Aufklärung und Beschuss durch die Schiffsartillerie zu vermeiden. Von Sanders beschrieb diese Tätigkeiten wie folgt: „Die vorhandenen türkischen Hilfsmittel waren ebenso knapp wie das Handwerkszeug, aber wir halfen uns, so gut wie es ging. Torpedoköpfe wurden als Tretminen neben solchen verwendet, und die Umzäunungen der Gärten und Felder mussten öfters Holz und Draht für die Hindernisse liefern. An den für den Feind besonders günstigen Landungsstellen wurde nahe am Ufer Stacheldraht unter dem Wasserspiegel gespannt.“[xv] Zudem wurde die flankierende Unterstützung durch die schweren deutschen Maschinengewehre und Artillerie vorgeplant. Major Effnert, der als Kommandeur aller Pioniereinheiten der 5. Armee eingesetzt war, zeichnete sich bei all diesen Vorbereitungen als eine treibende und beratende Kraft aus, was sich besonders an der Südspitze der Halbinsel auszahlen sollte. Von Sanders wusste nicht, wieviel Zeit ihm für die Vorbereitungen der Verteidigung zur Verfügung stand. Er hatte bereits am 27. März zu Oberstleutnant Kannengiesser gesagt: „Wenn die Engländer mir nur 8 Tage Zeit lassen!“[xvi] – nicht ahnend, dass ihm noch vier Wochen bis zur alliierten Landung blieben. Auf alliierter Seite wurden die Vorbereitungen für die Verteidigung durchaus erkannt. So meldete Admiral de Robeck an den soeben vor den Dardanellen eingetroffenen General Hamilton: „Die Halbinsel Gallipoli wird mit stürmischer Eile befestigt. Tausende von Türken arbeiten die ganze Nacht wie die Biber an Schützengräben, Redouten und Stacheldraht. Zwar hat man noch keinen einzigen von ihnen gesehen, aber jeder Morgen bringt neue Beweise von ihrer nächtlichen Tätigkeit. Alle Landungsplätze werden jetzt durch Linien von Schützengräben beherrscht und wirksam bestrichen [...] Die Deutschen haben offenbar die Türken fest in ihre Hand genommen, und alle jene Arbeiten werden von den Türken ganz famos gemacht.“[xvii] Die türkischen Offiziere selbst sahen das deutsche Engagement auf Gallipoli jedoch eher kritisch. So schrieb beispielsweise Major Izzetin, Mustafa Kemal’s Chef des Stabes bei der 19. Division, in sein Tagebuch: „Heute kam Liman von Sanders, begleitet vom Korpskommandeur Esat Paşa nach Maidos und besichtigte die Küstenbefestigungen. Liman Paşa ist der Befehlshaber der 5. Armee, Cevat Paşa der der Befestigungen, Usedom Paşa ist Küsteninspekteur und Weber Paşa ist der Kommandeur der gemischten Kräfte auf der asiatischen Küste. Es scheint als wollten die Deutschen die Verteidigung der Dardanellen ganz in ihren eigenen Händen haben wollen.“[xviii] Dass die Feindlagebeurteilung des deutschen Befehlshabers der 5. Armee zutreffend war und er vor dem Hintergrund der verfügbaren Informationen eine angemessene und flexible Operationsplanung befohlen hatte, wurde durch die alliierte Angriffsplanung und deren Durchführung bewiesen. In der heutigen türkischen Bewertung wird General von Sanders trotzdem vorgeworfen, mit seiner Idee der tiefgestaffelten Reserven ohne Not Kräfte aus den vorderen Linien genommen zu haben. Damit hätten die Landungen nicht sofort unterbunden werden können und dem Feind wäre es somit erst möglich gewesen, Brückenköpfe zu bilden, die zu den späteren hohen Verlusten geführt hätten. Pomiankowski schrieb dazu: „Vertraulich hörte ich damals, daß sowohl Enver als auch andere militärische Faktoren mit den vom Marschall getroffenen Verteidigungsmaßnahmen nicht einverstanden waren und diesen das Gelingen der Landung feindlicher Kräfte auf der Halbinsel zuschrieben. Liman hätte die allgemeine Situation nicht richtig beurteilt, der Gegend von Bulair, sowie dem asiatischen Sektor zu viel Wichtigkeit beigemessen und hiernach seine Kräfte von Haus aus nicht richtig verteilt. Die Hauptkraft – vier Divisionen – wäre nicht an die bezeichneten auswärtigen Abschnitte, sondern in die Mitte, d. i. in den Raum Sedd ul Bahr – Ari Burnu – Tschanak Kalessi zu dirigieren gewesen, während für den Golf von Saros und das asiatische Ufer nur je eine Division genügt hätten. Ferner sei es ein Fehler gewesen, schematisch anzuordnen, dass an die Küsten überall nur schwache Beobachtungs- und Sicherungstruppen vorgeschoben, die Hauptkräfte dagegen rückwärts zusammengehalten werden sollten. Es hätte sich im Gegenteil empfohlen, jene Punkte, an welchen Landungen mit Sicherheit zu erwarten waren, d. h. die Südspitze der Halbinsel, dann die Gegend um Ariburnu für die Verteidigung einzurichten, ausreichend zu besetzen und den Verteidigungsplan an diesen Punkten auf die direkte Verhinderung der Landung, statt auf Gegenangriffe zu basieren. Angesichts der ungeheuren Artillerieüberlegenheit des Feindes mussten nämlich die letzteren sehr verlustreich werden und hatten wenig Aussicht zu gelingen.“[xix] Die türkische Sichtweise zur Planung des deutschen Befehlshabers war schon während des Krieges kritisch, verstärkte sich aber nach Kriegsende weiter. So hieß es in einem Reisebericht des Gesandtschaftsrates von Stumm vom September 1925: „[Die Generalstaboberstleutnants Galib Bey und Nihad Bey] hielten unterwegs Vorträge über die Bedeutung der Kämpfe, über die Taktik der Heeresleitung, wobei es nicht an einer etwas gehässigen Kritik des deutschen Oberkommandos unter Marschall Liman von Sanders fehlte [...] Auch wurde mehrfach besonders betont, daß die am Kampf beteiligten Mannschaften und Verbände rein türkisch gewesen seien, nur 16 Deutsche hätten in Stäben an den Kämpfen teilgenommen, eine Behauptung, die kaum zutreffen dürfte. Im übrigen liefen die Vorträge darauf hinaus, dem Ghazi [Mustafa Kemal Atatürk] allein das Verdienst an der erfolgreichen Abwehr und an dem Rückzug der Engländer zuzuschreiben.“[xx] Auch heute noch ist die Beurteilung überwiegend durch Aufsätze gekennzeichnet, die die hohen Verluste ausschliesslich der deutschen Führung zuschreiben. So heißt es beispielsweise: „Der Grund für diese Verluste waren die wenigen deutschen Kommandeure zwischen der türkischen Armee in der Gallipoli-Schlacht und insbesondere der deutsche Kommandeur, der die Schlacht leitete. Die deutschen Kommandeure erhöhten den Preis unseres Sieges. Sie verursachten die höheren Verluste der türkischen Armee. Mit dem Verteidigungskonzept, das der Kommandeur der 5. Armee, Liman Pascha nutzte, verwandelte er die Halbinsel Gallipoli in eine Bienenwabe, auf der sich Bienen versammeln würden. Als Ergebnis hielt er eine halbe Million englischer und französischer Soldaten auf dieser Bienenwabe aber die türkischen Soldaten zahlten den Preis mit ihrem Blut. Der Hauptgrund für diese Verluste war, dass Liman Pascha dem Feind die Chance gab, an den Ufern zu landen, da er die ursprünglich geplante Taktik der der türkischen Kommandeure änderte. Dann trieben die deutschen Divisions- und der Armeekommandeur, oftmals mehr zufällig und bei Tag und Nacht in Gegenangriffe, die keiner Kriegstaktik zuzuordnen waren.“[xxi]

Einen Operationsplan aus der Rückschau gemessen am Schlachtverlauf zu bewerten, ist immer leicht, da man die Dispositionen des Gegners und das Ergebnis kennt. Vor dem Hintergrund der damals verfügbaren Informationen, der Geländebeurteilung und der verfügbaren Kräfte war der Operationsplan, den General von Sanders ausgearbeitet hatte, jedoch aus meiner Sicht nicht nur angemessen, sondern auch in seiner Idee der beweglichen Gefechtsführung mit starken Reserven in der Tiefe für eine schnelle Schwerpunktbildung ausgesprochen klug. Die ursprüngliche Kräfteeinteilung, die eine gleichmäßige Verteilung aller Kräfte entlang der Küste ohne nennenswerte operative Reserven vorsah, hätte möglicherweise zu einem raschen Durchbruch an einzelnen alliierten Landungsabschnitten geführt aber hätte dann nicht mehr aufgefangen werden können. Die Konzentration auf Bulair war ebenfalls gerechtfertigt, da eine dortige Landung die gesamte Verteidigung der Südspitze umgehen und aushebeln hätte können.Trotz einer deutlichen Verstärkung der 5. Armee waren von Sanders immer noch nicht genügend Kräfte zur Verfügung gestellt worden, um alle Küstenabschnitte vorwärts stark zu verteidigen – obwohl zu diesem Zeitpunkt beispielsweise um Istanbul noch weitere sechs Divisionen ungebunden waren, jedoch von Enver nicht freigegeben wurden. Wenn diese Kräfte entsprechend der frühen Anforderung von Liman von Sanders eingesetzt und nicht erst im Laufe der Operation nach Gallipoli gebracht worden wären, hätte auch die Verteidigung anders geplant und durchgeführt werden können. Ob die hohen Verluste tatsächlich ausschließlich der deutschen Führung zuzuschreiben waren, wird in den folgenden Kapiteln untersucht – und widerlegt werden. Ganz sicher war es niemals die Absicht von General von Sanders, den feindlichen Truppen eine Landung zu gewähren, um damit viele Truppen zu binden und diese damit dem westlichen Kriegsschauplatz zu entziehen. Diese Auffassung widersprach seinem apolitischen Wesen und seiner militiärischen Gradlinigkeit, mit der er auch die Verteidigung der Halbinsel ernsthaft plante und führte.

 

[i] Mühlmann, Der Kampf um die Dardanellen, S. 89, „Australian New Zealand Army Corps“

[ii] Reichsarchiv, Der Weltkrieg 1914 –1918, Bd. 9, S. 175

[iii] Sanders, Fünf Jahre Türkei, S. 73

[iv] Lorey, Der Krieg in türkischen Gewässern, S. 88

[v] Sanders, Fünf Jahre Türkei, S. 76

[vi] Schmiterlöw, Aus dem Leben des Generalfeldmarschalls Freiherr von der Goltz-Pascha, S. 190

[vii] Schmiterlöw, Aus dem Leben des Generalfeldmarschalls Freiherr von der Goltz-Pascha, S. 190

[viii] BA/MA, N 156 / 12, Admiral Wilhelm Souchon: Privatkorrespondenz mit Ehefrau Violet

[ix] Wallach, Anatomie einer Militärhilfe, S. 178[x] BA/MA 40 / 73, Landverteidigung von Gallipoli, S. 12

[xi] Sanders, Fünf Jahre Türkei, S. 80

[xii] Mühlmann, Der Kampf um die Dardanellen, S. 84

[xiii] Sanders, Fünf Jahre Türkei, S. 82

[xiv] Sanders, Fünf Jahre Türkei, S. 82

[xv] Sanders, Fünf Jahre Türkei, S. 83

[xvi] Kannengiesser, Gallipoli, S. 80

[xvii] Kannengiesser, Gallipoli, S. 81

[xviii] Mango, Atatürk, S. 145

[xix] Pomiankowski, S. 129

[xx] AA/PA, R 48065, Deutscher Botschafter an Auswärtiges Amt vom 23. September 1925

[xxi] Görgülü, The Intentions of the Germans in Gallipoli, S. 1

AM II, 243 AMS "Der Jäger aus Kurpfalz" (1918)

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