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Eine herausragende Rolle in den deutsch-osmanischen Beziehungen spielte ab dem Frühjahr 1912 unangefochten der Botschafter des Deutschen Reiches in Istanbul, Hans Freiherr von Wangenheim. Von Wangenheim war am 4. Juli 1859 in Georgenthal bei Gotha geboren und war seit 1902 mit Johanna („Hanna“) Freiin von Spitzemberg (1877-1960), der Tochter der Baronin Spitzemberg, verheiratet[1]. Von Wangenheim war ein rastloser, kluger und energischer Mann, der in dieser Zeit wie kein anderer in der Türkei die Interessen Deutschlands vertrat und durchsetzte. Ein Vollblutdiplomat, der angeblich von Wilhelm II. persönlich für diesen Posten ausgesucht worden war. Seine Fähigkeiten und sein Charme wurden auch von seinen diplomatischen Kollegen geschätzt, sein preussisches Machtstreben, dass er höchst erfolgreich in den osmanischen Regierungskreisen geltend machen konnte, wurde allerdings vom gleichen Personenkreis zutiefst verachtet.Der amerikanische Botschafter Morgenthau urteilte über Baron Wangenheim: „Wangenheim verband die Kombination des jovialen Enthusiasmus eines Collegestudenten, der Verbissenheit eines preußischen Beamtens, und die positiven Qualitäten eines Mannes von Welt. Ich erinnere mich noch an dieses Bild eines stattlichen Mannes, der am Piano sitzend wunderbare klassische Themen improvisiert, um dann urplötzlich ungestüm deutsche Trinklieder oder Schlager herausposaunte. Wangenheim zeigte den gleichen rastlosen Geist wenn er mit den griechischen Damen in Pera flirtete oder beim stundenlangen Spiel am Spieltisch am Cercle d’Orient, oder türkische Beamten seinem Willen zugunsten der Interessen Deutschlands zu beugen, das Leben war für ihn ein Spiel, das mehr oder weniger rücksichtslos zu spielen war und in dem derjenige Mann die besten Chancen hat, der stur genug war und seinen Erfolg oder Niederlage auf nur eine Karte setzte.“ [2]Der folgende Bericht Wangenheims vom 28. August 1912 beweist die besondere Bedeutung, die er der deutschen Reformtätigkeit im osmainschen Militär zugemessen hatte: „Wie Abdul Hamid, so ist auch das Komitee ‚Union et Progrès’ durch die Armee gestürzt worden. Auch die jetzige Regierung steht unter ihrer Kontrolle. Erst vor wenigen Tagen wurde der Minister des Innern Hussein Hilmi durch vier Generale, welche im Auftrage der Militärliga bei ihm erschienen, veranlasst, sein Portefeuille niederzulegen. Es ist nicht abzusehen, wer die Armee aus dieser leitenden Stellung verdrängen sollte. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird sie noch für lange hinaus den in letzter Linie entscheidenden Faktor in der Türkei bilden. Damit werden die fremden Regierungen, welche in der Türkei Einfluß auszuüben wünschen, rechnen müssen. Solange die Armee die führende Rolle spielt, befindet sich Deutschland in einer bevorzugten Stellung gegenüber den mit ihm konkurrierenden Ländern. Denn nach türkischer Auffassung besteht zwischen der türkischen und der deutschen Armee eine Waffenbrüderschaft. Noch glaubt die Mehrheit der türkischen Offiziere an die absolute Überlegenheit unseres militärischen Könnens [...] Nach allem, was ich hier von der Tätigkeit unserer Reformoffiziere gesehen und erfahren habe, kann ich nur der Ansicht Nazims beipflichten, dass die türkische Armee aus den Diensten der zur Kommandierung von Truppenteilen berufenen deutschen Offiziere geringere Vorteile zieht, als aus denjenigen der Instrukteure, welche dem Generalstab beigegeben werden oder bei den militärischen Erziehungs- und Bildungsanstalten beschäftigt werden. Die erste Kategorie von Offizieren hat zwar bei der Ausbildung einzelner türkischer Truppenteile Hervorragendes geleistet. Dabei ist es aber häufig zu Friktionen zwischen deutscher und türkischer Mentalität gekommen, welche unsere Offiziere nicht beliebter machten. Ihre Leistungen werden zudem immer nur ephemere sein und sich nur innerhalb eines beschränkten Rayons fühlbar machen. Nach meinem unmaßgeblichen Laienurteil kommt es weniger darauf an, türkische Offiziere und Mannschaften nach deutschen Reglements auszubilden, als darauf, dass talentvolle türkische Offiziere bei uns oder hier zu Instrukteuren erzogen werden, damit sie die deutschen Lehren in den türkischen Geist übertragen und ihren Untergebenen verständlicher machen. Die Hauptaufgabe unserer Offiziere wird aber in Zukunft noch mehr als bisher politischer Natur sein und darin bestehen, durch taktvolles, kameradschaftliches Auftreten die in der türkischen Armee bestehenden Sympathien für Deutschland zu pflegen und zu vertiefen.“[3]

Wangenheim, der später eine entscheidende Rolle bei der Stärkung des deutschen Einflusses und Kriegseintritts des Osmanischen Reiches spielen sollte, wurde jedoch vom deutschen Militär kritisch betrachtet. Um einen direkten Einfluß auf ihn zu bekommen, war der spätere Marineattaché, Fregattenkapitän Hans Humann, der als Sohn des Pergamon-Archäologen Carl Humann im Osmanischen Reich geboren und mit Enver aus dessen Zeit in Berlin freundschaftlich verbunden war, nach Istanbul entsandt worden. Zunächst mit der unauffälligen Übernahme des Kommandos über das Stationsschiff LORELEY beauftragt, war seine ureigene Aufgabe, den Kontakt zu von Wangenheim herzustellen und eine militärische Nachrichtenstelle an der Botschaft einzurichten. Humann schrieb dazu: „Als ich 1913 zum Kommandanten der ‚Loreley’ ernannt wurde, bekam ich von meinem damaligen Chef Tirpitz nur einen Auftrag: alles daran zu setzen, um zwischen Mittelmeer-Division (die eigentlich eine Orient-Division war) und Wangenheim gute Beziehungen herzustellen, nachdem unter dem Regime des Admiral Trummler die Beziehungen zwischen Botschaft und Marine gänzlich zu Bruch gegangen waren und schließlich mit gegenseitigen Beschwerden beim Kaiser endeten.“[4] Den Kontakt zu dem oft launischen und ungestümen Botschafter versuchte er über dessen Frau herzustellen, die er sogar offen in seine Absicht einweihte. Diese Strategie schien aufzugehen, auch wenn es Humann häufig viel Geduld und Einfühlungsvermögen abforderte. Er beschrieb diese Situation: „Ich war völlig in meiner Tätigkeit, Unterbringung pp. auf die Gastfreundschaft der Wangenheims angewiesen, dadurch aber auch zugleich völlig auf die Launen und Einfälle dieses recht impulsiven Gewaltmenschen [...] Freundschaft mit Wangenheim, die bei unserem Altersunterschied vornehmlich nur entstehen konnte, indem ich ihn und seine Gattin durch ständige Freundlichkeit und Hülfsbereitschaft[sic!] in allen nur erdenklichen Dingen mir verpflichtete. Das ging und wurde, und hat in vertrauensvollem Zusammenarbeiten schöne Früchte gezeitigt.“[5] Admiral Souchon schrieb im Februar 1915 über den umtriebigen Botschafter: „Wangenheim ist absolut zigeunerhaft in seinem Wesen, ganz seinen Stimmungen untertan. Er läßt sich oft gehen, grobst seine Frau und Mitarbeiter an, gähnt, schneidet Gesichter etc. [...] Macht Türken und Abendländern gegenüber oft Verstöße, die mühsam wieder in Ordnung gebracht werden müssen. Trummler hat in der Beziehung mit ihm böse Erfahrungen gemacht und sich deshalb schlecht mit ihm gestanden. Ich erfahre durch Humann und P.W. alles über W. Was mich angeht, vermeide daher Themen, die zur Verärgerung oder Bruch führen würden und komme so mit ihm aus, unterstütze daher auch Humann sehr in seiner schwierigen Doppelstellung.“[6]

Offensichtlich war von Wangenheim chronisch überlastet und daher gesundheitlich angeschlagen. Im Juni 1915 bemerkte Admiral Souchon: „W. (Wangenheim) ist hundeelend hat Influenza oder sonst was. Schuld ist an seinem Zustand sicher sein gänzlicher Mangel an Bewegung. Er geht keinen Schritt, fährt nur Auto und sinkt aus einem Sessel in den anderen. An die Luft kommt er nur zum Reiten. Im übrigen raucht er unverständig viel. Das Gehen hat er sich abgewöhnt, daß er wie Humann sagt, kaum mehr einen kleinen Weg machen kann. Dabei ist er ein großer kräftiger Mann in meinem Alter.“[7] Als einer der wenigen „Zivilisten“ ist auf dem Friedhof Botschafter Hans Freiherr von Wangenheim bestattet, der am 25. Oktober 1915 in Istanbul einem Schlaganfall erlegen ist. Admiral Souchon schrieb am gleichen Tag, offensichtlich wenig berührt an seine Frau: „Wangenheim ist heute morgen gestorben, nachdem er 2 Tage ohne Bewusstsein gelegen hat. Ich war heute Vormittag da, sprach aber nur die Kinder, die noch verständnislos sind für ihren Verlust...Morgen bin ich auf GOEBEN, wir sind sehr gespannt, wer hier Botschafter werden wird.“[8]

Über sein letztes Treffen und die Beisetzung schrieb der ärgste Kritiker aber offensichtlich auch heimlicher Bewunderer Wangenheims, Botschafter Henry Morgenthau: „Wangenheim stand auf um zu gehen. Als er aufstand machte er einen Seufzer und es zog ihm seine Füße unter ihm weg. Ich sprang auf und fing den Mann auf als er gerade hinzufallen drohte. Für eine Minute war er nicht ansprechbar; er schaute mich verblüfft an, dann sammelte er sich wieder und gewann seine Haltung zurück. Ich nahm den Botschafter am Arm, geleitete ihn die Treppe hinab und setzte ihn in sein Auto. Während dieser Zeit erholte er sich auch anscheinend von seiner etwas verwirrten Sprache und erreichte sicher sein Zuhause. Zwei Tage später, während er am Abendessen saß, erlitt er einen Schlaganfall; er wurde nach oben in sein Bett gebracht aber hat nicht mehr das Bewusstsein erlangt. Am 25. Oktober wurde ich offiziell darüber informiert, dass Wangenheim verstorben sei...-...Einige Tage später zollte die offizielle Türkei und das diplomatische Korps ihren letzten Tribut an diesen so perfekten Vertreter des preußischen Systems. Die Feier wurde im Garten der Deutschen Botschaft in Pera durchgeführt. Die Eingangshalle war mit Blumen gefüllt. Praktisch die gesamte Versammlung, mit Ausnahme der Familie, den Botschaftern und den Vertretern des Sultans blieben während dieser schlichten aber beeindruckenden Zeremonie stehen. Dann wurde die Prozession gebildet; deutsche Seeleute trugen den Sarg auf ihren Schultern, andere Seeleute trugen die großen Blumengebinde und alle Angehörigen des diplomatischen Corps und die Offiziellen der türkischen Regierung folgten zu Fuß. Der Großwezier führte die Prozession an; Ich ging den ganzen Weg zusammen mit Enver. Alle Offiziere der Goeben und der Breslau, sowie die deutschen Generale folgten in ihren Galauniformen.Es schien als ob das ganze Konstantinopel an den Strassen stand und es herrschte fast Volksfeststimmung. Wir gingen hinunter zum Dolmabahce-Palast, dem Sultan’s Palast, durchschritten das Tor, welches die Botschafter zu ihrer Akredetierung betreten. Am Anleger wartete ein Dampfboot, worin Neurath, der deutsche Kanzler stand um den Leichnam seines verstorbenen Chefs entgegenzunehmen. Der Sarg, der ganz und gar mit Blumen bedeckt war, wurde in das Boot gelegt. Als das Boot in den Bosporus hinausfuhr stand Neurath, ein über 1,80 Meter großer Preuße in seiner militärischen Uniform, sein Helm mit einem üppigen weißen Schweif, aufrecht und still. Wangenheim wurde im Park der Sommerresidenz in Therapia an der Seite seines Kameraden Oberst Leipzig bestattet. Keine letzte Ruhestätte wäre angebrachter als diese; sie war der Ort seines diplomatischen Erfolges und es war der Ort, von wo er etwas mehr als ein Jahr vorher per Funk die Goeben und die Breslau dirigierte und nach Konstantinopel gebracht hatte.“[9]Und Armin T. Vogiere berichtete: „Im Garten der deutschen Botschaft stand Wangenheims Sarg aufgebahrt. Unter dem Dach der Terrasse, in eine steinerne Grotte gebettet, von wo der Blick um einen der schönsten Flecke der Erde streift. Nichts als eine hölzerne Kiste, mit den Insignien der Botschaft, mit den Ordenszeichen bedeckt. Darüber das Banner des Reiches: auch dieser hat um Deutschland ausgelitten. Zu beiden Schultern des Sarges aber standen, mit dargebotenem Gewehr, zwei Matrosen der Botschaftsjacht, den Blick in die brennende Sonne geheftet, seit zwei Stunden unbeweglich.“ [10]

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

[1] Informationen aus dem Internet, http://de.wikipedia.org/wiki/Hans_von_Wangenheim, hier gibt es eine widersprüchliche Information zum Geburtstag, da auf dem Grabstein der 8. Juli 1859 genannt wird.

[2] Morgenthau, Kapitel I (Henry Morgenthau war von 1913 – 1916 Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika in Istanbul)

[3] Wallach, Anatomie einer Militärhilfe, S. 111 ff

[4] Humann an Jäckh, aus Yale University, Nr. HM 250, RGPN MS 467

[5] Humann an Jäckh, aus Yale University, Nr. HM 250, RGPN MS 467[6] BA/MA, N 156 / 10 Admiral Wilhelm Souchon: Privatkorrespondenz mit Ehefrau Violet

[7] BA/MA, N 156 / 10 Admiral Wilhelm Souchon: Privatkorrespondenz mit Ehefrau Violet

[8] Langensiepen, Halbmond und Kaiseradler, S. 155

[9] Morgenthau, Kapitel XXVII

[10] Metzger/Goltz, Von Konstantinopel nach Ankara, S. 105

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Botschafter Freiherr von Wangenheim

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